Verkehr und Bauwesen. Ob die mit der vor mehr als zehn Jahren beschlossenen Bahnreform verbundenen Hauptziele, mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene zu bringen und den Bundeshaushalt zu entlasten, erreicht worden sind, darüber waren sich die Experten einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen am 29. März nicht einig. Grundlage der Anhörung waren Anträge der FDP-Fraktion ( 15/1591), von Union und Liberalen ( 15/2156) sowie der Koalitionsfraktionen ( 15/2658) zur Fortführung der Bahnreform.
Für Klaus Daubertshäuser, Vorstand Marketing der Deutschen Bahn AG (DB AG), ist es seit Beginn der Bahnreform gelungen, mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen. So sei der Anteil der Schiene am Gesamtverkehrsmarkt von 10,2 Prozent im Jahr 1993 auf 11,2 Prozent im Jahr 2003 gestiegen. Zur Entfaltung der Systemstärke der Schiene hält Daubertshäuser eine europaweite Öffnung der Schienennetze für notwendig. Zudem müssten die Nachteile der Schiene im Vergleich mit den konkurrierenden Verkehrsträgern weiter abgebaut werden. Dies betreffe insbesondere die Angleichung der öffentlichen Mittel für Infrastrukturmaßnahmen zwischen Straße und Schiene und der Belastungen bei Mehrwert- und Energiesteuer. Zudem müssten die Sozial- und Sicherheitsstandards und die Wegekostenanlastung harmonisiert werden. Entscheidende Basis für eine erfolgreiche materielle Privatisierung sei der Verbund von Infrastruktur und Transport im DB-Konzern, da nur im Verbund hohe Produktivität und Qualität gesichert und das System Schiene zugunsten aller Verkehrsunternehmen stabilisiert werden könne. Für Norbert Hansen, Vorsitzender der Gewerkschaft TRANSNET, steht der Börsengang der DB AG nicht im Mittelpunkt der Bahnreform. Ein Börsengang beziehungsweise eine Privatisierung müsse die Voraussetzungen für mehr Verkehr auf die Schiene schaffen. Teilprivatisierungen einzelner Unternehmensbereiche würden von TRANSNET ebenso abgelehnt wie eine Privatisierung der DB AG unter gleichzeitiger Trennung von Netz und Betrieb.
Nach Ansicht von Jan Werner vom Verkehrsclub Deutschland ist die Bahnreform "auf halbem Wege stehen geblieben". Darüber hinaus sei die Bahnreform weder verkehrs- noch haushaltspolitisch ein Erfolg. So seien die Marktanteile im Personenfern- und im Güterverkehr rückläufig. Zudem sei das System Bahn noch weit davon entfernt, eine Wettbewerbsbranche zu sein, da die Marktanteile von Konkurrenten der DB AG selbst im Schienenpersonennahverkehr nur bei fünf Prozent lägen und der überwiegende Teil der Leistungen in diesem Bereich immer noch nicht öffentlich ausgeschrieben werde.
Für Hans Leister von der Connex Verkehr GmbH bleibt die aktuelle Trassennachfrage weit hinter den Erwartungen zurück, was dramatische Folgen für die Finanzierung des Bestandsnetzes habe. Während man ursprünglich davon ausgegangen sei, dass die laufenden Trasseneinahmen Betrieb, Instandhaltung und Reinvestitionen vollständig finanzieren würden und der Staat nur noch für Aus- und Neubaumaßnahmen aufkommen müsse, müssten die bereitgestellten Finanzmittel tatsächlich auch für Ersatzinvestitionen eingesetzt werden. Der Bahnexperte Wilhelm Pällmann plädierte für eine schnelle und vollständige materielle Privatisierung der Transportbereiche der DB AG. Anders sehe es dagegen beim Netz aus. Dieses bleibe dauerhaft zuschussbedürftig, da die Trassenentgelte nicht ausreichend seien. Daher sei eine Privatisierung oder ein Börsengang eines integrierten DB-Konzerns mit Netz nicht möglich. pot