Der Machtkampf um die Villa Reitzenstein ist entbrannt: Günther Oettinger und Annette Schavan buhlen vor und hinter den Kulissen um das Erbe Erwin Teufels. Doch der baden-württembergische Dauerregent will bislang gar nicht weichen.
Machtkämpfe gehören zur Politik wie das Salz in der Suppe. Mysteriös indes muten solche Fights an, wenn die Streithähne nicht mit offenem Visier und in verwirrender Schlachtordnung fechten. Da ist also ein Prinz, dessen erklärte Absicht die Beerbung des Königs ist. Als Gegner hat er eine Prinzessin, die ebenfalls auf den Thron schielt - dies freilich nicht klar sagt, sondern lieber aus der Deckung heraus geschickt und schwer angreifbar operiert. Jedoch wissen weder die ehrgeizigen Nachfolger noch die Entourage bei Hofe und das gemeine Volk, ob der Herrscher überhaupt das Feld zu räumen gedenkt - und wenn ja, zu welchem Zeitpunkt. Der Prinz heißt Günther Oettinger, CDU-Fraktionsvorsitzender im baden-württembergischen Landtag, die Prinzessin Annette Schavan, Kultusministerin im "Ländle", der Monarch Erwin Teufel, mit nun mehr als 13 Amtsjahren der am längsten im Sattel sitzende Ministerpräsident in der Stuttgarter Villa Reitzenstein.
In der Mediendemokratie senden Bilder verlässliche Signale. Da spaziert denn Schavan beim Europaparteitag der Südwest-Union zusammen mit Horst Köhler durch Villingen, lässt sich beim Einmarsch in die Halle mit dem Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten von den Delegierten feiern und sitzt dann neben dem hohen Gast - selbstverständlich klicken stets die Kameras der Pressefotografen. Oettinger wiederum tourt mit Angela Merkel zum Burda-Imperium in Offenburg wie zu anderen Medien- und Kulturzentren im Land - und tags darauf erscheint der 50-Jährige auf Zeitungsfotos neben der CDU-Vorsitzenden.
Schavan oder Oettinger?
Das Schaulaufen im Schatten der Berliner Promis ist der öffentlich sichtbarste Ausdruck für das Gerangel um die Nachfolge des 64-jährigen Dauerregenten Teufel. Von ihm, der als versierter und harter Machtpolitiker agiert, sind indes keinerlei Anzeichen für einen baldigen Amtsverzicht zu vernehmen. Zwar werde er sich "rechtzeitig zur nächsten Landtagswahl erklären". Bis ans Ende der Legislaturperiode 2006 will er jedenfalls weiter das Zepter schwingen. Was er für die Zeit nach dem Urnengang plant, lässt Teufel aber offen. Eine erneute Kandidatur schließt er bislang nicht aus.
Jüngst preschte der seit langem mit den Hufen scharrende Günther Oettinger vor und verkündete offensiv seine Ambitionen: "Wenn Teufel als Ministerpräsident abtritt, muss ich antreten." Dieser überraschende Vorstoß war offenbar eine Reaktion auf die mit viel PR-Wirbel verbundene Kurzzeit-Karriere Annette Schavans beim Rennen um die CDU-Kandidatur bei der Bundespräsidentenwahl. Die Botschaft aus Berlin: Wer für die Staatsspitze im Gespräch ist, taugt allemal für das Amt eines Ministerpräsidenten. Formell hält sich die 48-Jährige noch zurück: "Ich führe keine Kandidatendebatte." Doch auch sie kalkuliert ihre Schachzüge wohlbedacht. So wehrt sie sich gegen den Ruf, bislang eigentlich nur als Fachfrau für die Schule aufgefallen zu sein: Es sei "ein Stück Realitätsverweigerung", sie lediglich "unter dem Etikett Bildungstante zu fassen".
Schwung in den Kampf um Teufels Ablösung hat der Singener Oberbürgermeister Andreas Renner gebracht, der als Chef des CDU-Kommunalverbands eine einflussreiche Rolle in der Südwest-Union spielt: Falls Teufel beim Urnengang 2006 nicht mehr antrete, "halte ich es für absolut notwendig, dass er rechtzeitig vor den Wahlen aufhört". Es wäre nicht gut, warnt Renner, "wenn sein möglicher Nachfolger ohne Amtsbonus antreten müsste". Der Schritt Oettingers, seine Bewerbung anzumelden, sei "nicht schlecht".
Wer kommt wann nach dem "ewigen Erwin"? Das ist Thema Nummer eins bei den schwäbischen und badischen Christdemokraten. Zeitungen veranstalten schon Online-Umfragen unter Lesern über den bevorzugten Aspiranten. Dem Ministerpräsidenten droht diese Debatte zusehends zu entgleiten. "Ich frage mich, wieso wir zur Unzeit eine Diskussion führen", kritisiert Teufel: "Uns kann bei kommenden Wahlen kein politischer Gegner verhindern, sondern nur noch wir selbst."
Die Position Teufels in der Union ist sichtbar geschwächt. Im Dezember war er mit nur knapp 75 Prozent als Parteivorsitzender wiedergewählt worden, dem schlechtesten Ergebnis seiner Amtszeit. Der CDU-Vormann giftete danach gegen "Drahtzieher" im Hintergrund: Es war unschwer zu erraten, dass dies auf Oettingers Fraktion gemünzt war. Beim Berliner Gerangel um den CDU-Bewerber für die Nachfolge von Johannes Rau hatte Teufel nichts zu melden, weder für Wolfgang Schäuble noch für Schavan war er eine Stütze.
Vielleicht soll die Taktik, sich erst irgendwann vor 2006 zu offenbaren und für die Zeit danach alles offen zu lassen, auch der von Teufel protegierten Katholikin Schavan gegen den Frühstarter Oettinger helfen - der nämlich zählt nicht zu den Favoriten des Regierungschefs. Oettingers Bataillone sitzen vor allem in der Fraktion und in höheren Parteigremien. Schavan hingegen scheint auf die CDU-Basis zu bauen. Auffallend ist, dass sie derzeit als Vorsitzende einer Kommission ein neues Programm für die Landes-Union erarbeitet - womit sie sich dieses Jahr bei diversen regionalen Kongressen und bei einem großen Zukunftskonvent profilieren kann. Jetzt warten alle auf den nächsten Schachzug Oettingers. Der Showdown um Teufels Thron läuft. Karl-Otto Sattler