Managing Director" steht auf der Visitenkarte, die der 20-jährige Niko Hübner-Kosney über den Tisch reicht. "Wir sind ein kleines Start-up mit einem ungewöhnlichen Produkt", sagt er, "jetzt studieren wir erstmal und bauen nebenbei die Firma weiter aus." Wenn der Zivildienstleistende von "Wir" spricht, meint er seine Freunde Katharina Hoffmann, 20, und Arvid Heise, 19. Das ungewöhnliche Produkt, von dem sein Unternehmen schon über 300 verkauft haben will, ist eine "Mind Machine", eine Art Mentaltrainer, der Entspannung verspricht, Konzentration und Merkfähigkeit steigern soll. Mit dieser Idee belegten die drei Berliner den ersten Platz beim Nachwuchswettbewerb ‚Jugend forscht'. Zunächst auf Landesebene, jetzt stellen sie sich in der Kategorie Biologie der Bundesjury. Insgesamt 212 Tüftler und Denker sind mit 113 Projekten zwischen dem 13. und 16. Mai bei der Endrunde in Saarbrücken dabei.
In einem Berliner Café demonstrieren die drei Jungunternehmer bei Fanta und Bier ihre Mind Machine. Eine dunkle Sonnenbrille ist über ein Kabel mit einem Computer verbunden. An der Innenseite der Gläser sind Leuchtdioden angebracht, die Lichtimpulse senden und damit das Gehirn stimulieren sollen. Niko Hübner-Kosney fährt per Mausklick die Frequenz runter, die grünen und roten Leuchten blinken bei zehn Hertz, also zehn Schwingungen in der Sekunde. "Bei dieser Frequenz sind die Gehirnströme im Alpha-Bereich: Das Gehirn befindet sich in einem entspannten Wachzustand und die Lernfähigkeit ist erhöht."
Das Prinzip an sich ist nicht neu, es gibt mehrere Firmen, die diese Brillen bauen und vertreiben. Die Berliner aber haben ein eigenes Steuerungsprogramm geschrieben sowie ein EEG zum Messen der Gehirnaktivität entwickelt. Jetzt steht die Prüfung durch den TÜV an. Als sie vor knapp zwei Jahren ein Freund auf das Prinzip aufmerksam machte, bauten sie ihre eigene Mind Machine: Eine Brille von Woolworth, Kabel und LEDs aus dem Elektrohandel. "Die erste Mind Machine sah grausam aus, die hätten wir niemals verkaufen können. Aber sie funktionierte", erinnert sich Hübner-Kosney. "Dann haben wir eine bei E-Bay reingestellt. Die ging für 17 Euro 50 weg."
Mittlerweile bestellen die Interessenten über die eigene Firmen-Website. Selbst aus Hongkong, Malaysia und Australien seien Bestellungen eingegangen. Zahnärzte, die ihre Patienten beruhigen, Studenten, die ihren Prüfungsstoff effektiver lernen wollen und sogar eine Morphiumabhängige, die ihre Entzugserscheinungen lindern will. Für die Zukunft ihrer Firma haben sie schon klare Vorstellungen. "Katharina studiert Jura, kümmert sich um die rechtlichen Fragen, Arvid ist der Programmierer", sagt Niko Hübner-Kosney. Er will Neurowissenschaften studieren. Der Freund und Ideengeber studiert jetzt BWL, kann später die Finanzen machen. Zielstrebig muss man wohl sein, aber noch lange kein Wunderkind oder Sonderling, der nächtelang im Keller tüftelt. Reiten, Shoppen, Gitarre spielen - auch der wissenschaftliche Nachwuchs hat die typischen Hobbys von Jugendlichen.
Von der biologisch abbaubaren Verpackungsfolie über den unbesiegbaren Fußballroboter bis hin zur "funktionellen Magnetresonanz-Tomographie zur Bestimmung der Gedächtnispotenz" - beim Wettbewerb von ‚Jugend forscht' setzen sich Jugendliche zwischen 16 und 21 Jahren mit den unterschiedlichsten Themen auseinander. Das Rad müsse man nicht neu erfinden, heißt es in den Teilnahmebedingungen. Die Nachwuchswissenschaftler können sogar Themen wählen, die schon andere bei ‚Jugend forscht' bearbeitet haben. Alternative Lösungswege, neue Forschungsergebnisse und Originalität, darauf kommt es bei den Projekten an.
Viele Arbeiten der Jugendlichen zielen darauf ab, das Leben einfacher zu machen und dabei die Kosten niedrig zu halten. Zum Beispiel Diana Hartz: Sie entwickelte eine atmungsaktive Alternative zum herkömmlichen Gipsverband, der zudem den Zeitaufwand für das medizinische Personal minimieren soll. Das könnte Sparen helfen. "Eine Freundin hatte sich den Arm gebrochen und darüber geklagt, dass es unter dem Gips so juckt", beschreibt die Schülerin eines Stendaler Gymnasiums, wie sie auf die Idee für ihr Projekt gekommen ist. Zwei Jahre Arbeit und Recherche, auch außerhalb der Schulzeit. Eine Streberin sei sie aber nicht, sagt sie. Es gibt auch ein Leben neben der Arbeit für "Jugend forscht": Sie hat einen Freund, geht ins Kino, macht Sport und trifft sich mit Freunden. "Man muss den Alltag schon gut strukturieren, wenn man das alles schaffen will", sagt sie. Die 19-Jährige sprach mit Unfallchirurgen, setzte sich mit der Chemie von Kunststoffverbindungen auseinander und legte los. Das Ergebnis: eine Art Netzverband aus Schläuchen, in denen eine chemische Reaktion stattfindet, die den Verband schnell aushärten lässt. Der Gipsersatz ist luftdurchlässig und leicht. Die angehende Medizinstudentin erhielt für diese Arbeit einen interdisziplinären Preis. In die Forschung wird sie aber später wohl nicht gehen. Dafür sei sie zu ungeduldig, sagt sie. Als Ärztin bei humanitären Hilfseinsätzen dabei zu sein, das kann sie sich eher vorstellen.
In nur drei Wochen entwickelten Helge Stobrawe, André Kreis und Tim Gosche ihre Erfindung: Ein Maut-System. "Das können wir besser und für weniger Geld", dachten sich die 18-Jährigen angesichts des bisherigen Maut-Debakels. Die drei Bremer verwenden Geräte, die normalerweise beim kabellosen Surfen im Internet zum Einsatz kommen. Das Prinzip: An Auf- und Abfahrten der Autobahn wird ein Router angebracht, der den Datenverkehr zwischen Sender und Empfänger steuert. Eine Art Lkw-Blackbox, ausgerüstet mit einer Funknetzkarte, sendet die Daten der Auto-Kennzeichen an die Router. Von hier gehen aus gehen die Informationen weiter an die Behörden.
Die drei haben noch gar keinen Führerschein, da musste die Familie für den Testlauf herhalten. "Mein Bruder ist die Straße immer wieder auf und ab gefahren", sagt Tim Gosche. Der Rechner, auf den die Daten übermittelt wurden, stand im Haus. Für diese Idee gab es für die Schulfreunde den ersten Platz in der Kategorie Arbeitswelt. Beim Thema Maut bleiben die Schlagzeilen nicht aus. Fernsehteams und Zeitungen - alle bitten um ein Interview. Vielleicht werde es bald auch ein Treffen mit den Leuten von Toll Collect geben, sagt Gosche, man sei im Gespräch. "Mit dem Rummel haben wir nicht gerechnet. Wir wollten einfach mal wieder beim Wettbewerb mitmachen", sagt er. Zum vierten Mal nimmt er in diesem Jahr teil. Die ersten Projekte waren ein ferngesteuerter Staubsauger und ein SMS-Überwachungssystem fürs Haus.
Die drei Gymnasiasten bauten das Maut-System inzwischen zu einem Digitalen Verkehrs-Überwachungssystem aus. Mit ihrer Technik könnte man auch Temposünder oder Falschparker zur Strecke bringen, glauben sie. Davon ist nicht jeder begeistert. "Lasst das lieber bleiben!", das hätten sie jetzt schon öfter von einigen Leuten gehört, sagt Gosche und lacht.
Andere Projekte, die bei "Jugend forscht" antreten, sind sehr aufwändig und ringen den Jugendlichen viel Geduld ab. So ist es zumindest Filip Rindler ergangen, dem Berliner Sieger im Bereich Mathematik und Informatik. Ein Jahr arbeitete der 19-Jährige an seinem Steuerungsprogramm Cytorit. Damit können Computer parallel arbeiten und miteinander kommunizieren. 36.000 Programmzeilen hat er dafür geschrieben. Ausgedruckt wären das 600 bis 800 Seiten, erklärt Filip Rindler. "Ich musste fast drei Monate nur programmieren, ohne dass ich sehen konnte, ob es auch läuft." Dann war die Rohfassung fertig: Erst kam die Ausgabemeldung "laufe", dann die Meldung "fertig". "Ich war überglücklich", beschreibt er diesen Moment.
Mit elf Jahren fing er an zu programmieren. Viel hat er sich selbst beigebracht, im Mathe- oder Informatikunterricht in der Schule gibt es für ihn nicht mehr viel zu lernen. Ein Nerd sei er nicht, sagt Filip Rindler. Nerds, so nennt man Computerfreaks. Er habe ja auch noch andere Hobbys. Sport oder in die Disko gehen gehören nicht unbedingt dazu, aber er spielt Oboe, bis vor kurzem noch im Orchester. Mit Menschen kommunizieren, das sei ihm wichtig, sagt er. Aber logische und abstrakte Probleme will er weiterhin lösen: Informatikstudium, Doktorarbeit, später in die Forschung vielleicht, so stellt er sich seine Zukunft vor. Möglichst an einer Uni, an der man schnell studieren kann. Imke Rosebrock