Der glanzvolle "Brioni-Kanzler" mit Cohiba, das lustige "Guido-Mobil" eines Kanzlerkandidaten, ein verliebt baden gehender Verteidigungsminister: Drei Beispiele für die Inszenierung von Politikern und für den (wenig erfolgreichen) Versuch, die Repräsentanten mit einer besonderen Marke zu versehen, ja, sie als Marke zu verkaufen. Dass Politik in den Medien immer mehr über Personen vermittelt wird, ist unumstritten. Aber ist Inszenierung alles? "Politik als Marke" - ohne Fragezeichen - war der Kongress überschrieben, der am 26. April in Berlin stattfand, organisiert von acht Studenten der Politikwissenschaft in nur einem halben Jahr und mit vielen prominenten Referenten - darunter Politiker, eine Bundesministerin, Spin-Doktoren und Chefredakteure.
Um die "Politstars" aber auf's Podium zu locken, mussten die Studenten sich selbst als Marke inszenieren. Zwar ist das Projekt aus einem praxisorientierten Seminar an der Freien Universität Berlin des vergangenen Wintersemesters hervorgegangen. Relativ schnell habe sich allerdings die Dimension des geplanten Kongresses herauskristallisiert, berichtet Jean Gillen, als einer der acht Organisatoren für die Logistik zuständig. Um die gewünschten prominenten Referenten zu bekommen, seien die Organisatoren bei der Vorbereitung deshalb nicht mehr als Teilnehmer eines politischen Seminars an der Uni aufgetreten - Studenten im allgemeinen hätten ein zu schlechten Ruf -, sondern als Teil der "Politikfabrik". Das ist eine studentische Agentur für politische Kommunikation am Institut für Politikwissenschaft der Freien Universität Berlin, also eigentlich eine Firma, deren Urspünge übrigens in einem gleichnamigen, zwei Jahre zuvor gehaltenen Seminar liegen. Dem Kuratorium der Politikfabrik sitzt Sandra Maischberger vor, die so nicht nur zur "Schirmfrau" (O-Ton der Moderatorin) des Kongresses, sondern auch zum (erfolgreichen) Zugpferd für dessen Besetzung wurde. Ein gelungenes Beispiel für Networking - und der Formierung einer (nicht-)studentischen Marke.
Diesem Image entsprach auch der Auftritt der Organisatoren in schickem Zwirn mit dienstleistungsorientiertem Lächeln, der wenig mit dem typischen Studentenstil der Berliner Politikwissenschaft gemein hatte, die traditionell eine revoluzzerorientierten Anstrich hat. Der 22-jährige Jean Gillen trug zum dunklen Jacket immerhin noch ein Augenbrauenpiercing. Die Bänkergarderobe sei aber noch nicht repräsentativ für den großen Teil der Studenten, meinte einer der Uni-Dozenten lächelnd am Rande.
Der Kongress selbst war für die studentischen Organisatoren und Zuhörer - etwa zwei Drittel der rund 300 Gäste besuchen die Universität - ein Erfolg, auch wenn die Erkenntnisse nicht gerade revolutionär waren. Was eben auch ein bisschen an den großen Namen lag, die meist einen gesunden Hang zur Selbstinszenierung bewiesen - und das gesehen zu haben, ist ja auch eine Erkenntnisgewinn. So waren sich bei einer der beiden Podiumsdiskussionen vier Imageberater aller Coleur trotz aller parteipolitischen Eitelkeiten einig, dass ohne politische Inhalte keine Politik auf Dauer "verkauft" oder eben kein Politiker zur Marke werden könnte. Die Arbeit und die letztliche Bedeutung der so genannten Spin-Doktoren werde also völlig überschätzt und sei eigentlich ein Medien-Hype. Natürlich bedeute das nicht, dass sie völlig überflüssig seien. In den kommenden zehn Jahren werden sich die Parteien, so die Prognose der Beraterstars, grundsätzlich wandeln, weil ideologische Grenzen verschwimmen und neue programmatische Aussagen vermittelt werden müssten. Da schlüge dann wieder die Stunde des Marketings. Apropos Marketing: Wolfram Weimer, einst Chefredakteur der Tageszeitung "Die Welt", leugnete in seinem "Impulsvortrag: Was kommt nach der Medienkrise?" schlicht deren Existenz. Medien wären weiter ein "enormes Wachtstumssegment", zumindest viele ihrer Bereiche, und da, so Weimer weiter, die Gegenwart durch eine "neue Ernsthaftigkeit" gekenntzeichnet sei, in der wieder ambitioniert über Politik gestritten würde, wäre jetzt genau die richtige Zeit für ein neues politisches Magazin. Weimer ist derzeit Chef eines solchen Heftes, das vergangene Woche just zum zweiten Mal erschien. So bastelt man sich eine Analyse zur eigenen Zufriedenheit.
Zufrieden war auch jener Professor, dessen Seminar den Anstoß für den Kongress gegeben hat: "So etwas zu organisieren bringt zehn mal mehr als eine Arbeit zu schreiben mit dem Titel: Wie halte ich einen Kongress ab", befand Nils Diederich.