Er widerlegt alle Vorurteile über das Klischee vom "drögen Fischkopp". Wolfgang Börnsen ist offen und verbindlich im Umgang, ausgesprochen kommunikativ, initiiert gerne Themen, von denen er glaubt, dass sie öffentlich diskutiert werden sollten wie zum Beispiel das Parlamentsfernsehen. Daneben ist er unterhaltsam und humorvoll, zum Beispiel, wenn er Theater spielt mit seiner plattdeutschen Wanderbühne oder Kabarett, wie einst mit den "Wasserwerkern", eine Gruppe von Abgeordneten aus allen Fraktionen, die große Erfolge feierten. Börnsen ist ein CDU-Mann aus dem hohen Norden, ein Nordlicht also - heute kränkt diese Bezeichnung niemanden mehr - der an der deutsch-dänischen Grenze den Wahlkreis Nummer eins vertritt. Dem Bundestag gehört er seit 1987 an. Wer mit ihm spricht, nimmt ihm ab, dass er keine Ermüdungserscheinungen verspürt. Ihn habe immer das Motiv geleitet, einen persönlichen Beitrag zur Sicherheit und Weiterentwicklung der Demokratie zu leisten.
Das macht er als Mitglied des Bundestagsausschusses für Wirtschaft und Arbeit, wo er die Interessen der maritimen Wirtschaft vertritt, angefangen von den Werften, über die Reeder bis hin zu Fragen zur Zukunft von Nord- und Ostsee und zur Sicherheit des Seeverkehrs. "Wir sind dabei, über eine nationale Küstenwache nachzudenken. Dafür gibt es konkrete parlamentarische Vorlagen. Hintergrund ist, dass wir das einzige Land in Europa sind, das nicht in der Lage ist, Seesicherheit aus einem Guss zu bieten. Wir haben immer noch fünf Ministerien und 28 verschiedene Behörden, die dafür zuständig sind", zählt er auf. Gäbe es einen Katastrophenfall, müsse es erst zu einer Abstimmung kommen. So hofft er, dass man über eine Grundgesetzänderung oder einen Staatsvertrag zwischen Bund und Ländern dazu komme, dass Menschen, die mit See zu tun haben, auch mit dem Gefühl leben, optimal gesichert zu sein - vor allem in Zeiten terroristischer Bedrohung. Dieses Thema versucht Börnsen auch als Vorsitzender des Küstenkreises der CDU/CSU-Fraktion, die auch gern "Küstengang" genannt wird, voranzubringen. Er sieht hier große Chancen, Anstöße zu geben und Defizite in der Gesellschaft aufzuarbeiten.
Außerdem liegt Börnsen der Schutz von Minderheitensprachen wie Friesisch, Dänisch, Sorbisch und Romanisch am Herzen. Als engagierter Anwalt für die Regionalsprache Niederdeutsch reicht ihm die politische Bühne nicht aus. So spielt er mit Freunden Theater, auf Plattdeutsch, geht sogar auf Tournee. Vorbild für das jüngste Stück ist "My fair Lady". In der Geschichte, die Börnsen aus dem Englischen ins Niederdeutsche übersetzte, heißt Eliza Christine. Sie spricht Hochdeutsch und wird erst dann gesellschaftlich akzeptiert, als sie sich in Niederdeutsch verständigen kann. Ihre Prüfung legt sie öffentlich in der NDR-Talkshow ab. Börnsen schrieb zum Thema auch ein Buch: "Plattdeutsch im Deutschen Bundestag". Es geht auf eine plattdeutsche Debatte in Bonn zurück. Sie fand in der Phase statt, als die europäische Sprachencharta vor dem Europarat konzipiert wurde. Gerade hat er mit 44 Abgeordneten diese parlamentarische Sprachenallianz reaktiviert. "Wir haben vor, in diesem Jahr wieder eine neue plattdeutsche Debatte im Bundestag zu führen. Wenn wir für den Erhalt von Sprachen sind, müssen wir als Politiker dafür sorgen, dass auch die Umsetzung gelingt, so dass die Menschen Vertrauen zu unseren Entscheidungen haben." Den Einsatz für Minderheitensprachen nimmt Börnsen auch deswegen sehr ernst, weil durch die EU-Osterweiterung jetzt rund 70 Minderheitensprachen zu schützen seien.
Der Blick über den nationalen Tellerrand war schon dem jungen Börnsen wichtig. Der gelernte Maurer studierte nach dem Besuch der Höheren Handelsschule für das Lehramt an Realschulen. Er machte ein Gastsemester in den USA und ging in den Entwicklungsdienst nach Indien. Da er seit vielen Jahren die Kommission des Ältestenrates für Internationale Austauschprogramme leitet, kann er Stipendiaten des Bundestages aufgrund seiner Erfahrungen jetzt als praktizierender Parlamentarierer vieles erfolgreich vermitteln, was für die Arbeit in einer Demokratie wichtig ist. Er ist kein Typ, der dies mit erhobenem Zeigefinger macht. Gerade haben wieder zahlreiche junge Menschen aus 19 Ländern, vor allem aus Mittel- und Osteuropa, ihr parlamentarisches Trainingsprogramm im Bundestagsinternship-Programm, kurz BIP, aufgenommen. Und beim Parlamentarischen Patenschaftsprogramm, PPP genannt, gehen Schüler und junge Berufstätige aus Deutschland und den USA in das jeweils andere Land, um ihren Horizont zu erweitern. "Für mich wie für viele meiner Kollegen und Kolleginnen gilt, dass wir eine Aufgabe darin sehen, junge Menschen fit für die Demokratie der Zukunft zu machen. Das ist gewissermaßen ein internationaler Auftrag, eine Verantwortung von uns, in funktionierenden Parlamenten dafür zu sorgen, dass auch alle Parlamente Zukunft haben." Mittlerweile - er ist seit zehn Jahren dabei - haben 16.000 junge Menschen aus beiden Ländern am PPP teilgenommen. Es findet nun das 20. Mal statt: "Wir finden jetzt einen Teil der früheren Stipendiaten und Stipendiatinnen in den Parlamenten wieder, aber auch in der Spitze des Banken- und Gerichtswesens sowie der Wirtschaft. Und auch die Zusammenarbeit beim BIP trägt Früchte: "Die ersten Stipendiaten aus Estland, Lettland, Litauen, Polen und Ungarn sind heute in höchsten politischen Ämtern im Parlament, der Regierung oder in gesellschaftlichen Institutionen." Angebot und Nachfrage zeigten, dass Deutschland als Exportnation für Parlamentarismus anerkannt sei.
Wer dem Bundestag so lange angehört, sollte auch mal innehalten, meinte Börnsen und reflektierte vor vielen Jahren sein Abgeordnetendasein. Er schrieb das Buch: "Vorbild mit kleinen Fehlern - Abgeordnete zwischen Anspruch und Wirklichkeit". Es wurde bereits ins Ukrainische übersetzt. Und es gibt Ansätze in Bulgarien und Serbien, ähnliche Übersetzungen für die Parlamente in Angriff zu nehmen. "Die Publikation in Weißrussisch ist ein Stück Wegweiser für Kollegen und Kolleginnen geworden. Für viele ist Parlamentarismus Neuland. Wir geben unser Wissen und unsere Erfahrung weiter. Das macht sich jetzt in den neuen Demokratien in Mittel- und Osteuropa bemerkbar. Ich freue mich, dass das funktioniert." Das Buchprojekt war aber auch ein Stück Selbsterfahrung Börnsen. "Ich wollte damit auch Distanz zu mir selbst finden. Ich wollte herausfinden, ob ich dem Anspruch genüge, ein unabhängiger, geradliniger, glaubwürdiger Abgeordneter zu sein." Bei wirklich entscheidenden Abstimmungen fragt er sich immer wieder, ob er nur noch funktioniere oder ob er wirklich nach seinem Gewissen entscheidet, das er als Grundlage für seine Arbeit als Parlamentarier sieht. Sicher, die Gefahr sei groß, dass man angepasst wird. "Rückgrat musst du schon haben!", unterstreicht Börnsen.