Es war 1973: Das sprach sich die SPD auf einem Bundesparteitag in Hannover dafür aus, den Maklerberuf zu verbieten und statt dessen kommunale Wohnungsvermittlungsstellen einzurichten. Das Verbot trat nie in Kraft, der Vorstoß verlief im Sande; doch der Widerstand, der sich gegen die Pläne formierte, mündete in einer dauerhaften Organisation.
Denn auf Initiative des Rings Deutscher Makler und des Bundesverbandes der deutschen Versicherungskaufleute war damals eine Aktionsgemeinschaft gegen das Maklerverbot ins Leben gerufen worden, aus der später der Dachverband für die mittelständische Dienstleistungsgewerkschaft hervorging. Den Kontext ihrer Entstehung trägt die Aktionsgemeinschaft Wirtschaftlicher Mittelstand e.V., kurz AWM, bis heute in ihrem Namen. 100.000 Firmen gehören der AWM an, und zwar meist mittelbar über die jeweiligen Berufsverbände. Das Spektrum ist breit gefächert und umfasst mehr als 20 Branchen, vom Architekten und Zahntechniker, über den Wachschutz und Kantinenpächter, bis hin zum Sozial- und Finanzdienstleister. Auch Einzelmitgliedschaften sind möglich. Die einzelnen Berufsgruppen sind durch Spitzenvertreter ihrer Verbände im erweiterten AWM-Präsidium, dem 31-köpfigen Präsidialrat, repräsentiert.
Für all ihre Mitglieder will die Aktionsgemeinschaft wirtschaftlicher Mittelstand "Sprachrohr, Beobachter und Interessenvertretung" sein, was in der Praxis nichts anderes als klassische Lobbyarbeit bedeutet, mit dem Ziel, die öffentliche Meinungsbildung und politische Entscheidungsfindung zu beeinflussen. "Wir befinden uns da allesamt in einem Überzeugungswettbewerb", sagt AWM-Bundesgeschäftsführer Markus Guhl. Dabei betont der Verein seine parteipolitische und weltanschauliche Unabhängigkeit.
In der Sache geht es der AWM um günstige Rahmenbedingungen für kleine und mittlere Dienstleistungsbetriebe, die sie unter dem Postulat von mehr Eigenverantwortung und Deregulierung durchzusetzen versucht - "Subsidiarität" lautet das Schlagwort, und der Weg dahin führt vor allem über eine rege Kontaktpflege. So ist die AWM stets um das Gespräch mit Ministerien und Abgeordneten bemüht.
Im Sommer vergangenen Jahres ging der Verband mit einer neuen Aktion auf die gewählten Volksvertreter zu, und bot ihnen Praktikumsplätze in Betrieben an. Hintergrund war eine Diskussion über die Wirklichkeitsnähe beziehungsweise -ferne der Parlamentarier. "Dass viele Politiker nicht wissen, wie es in einem Betrieb aussieht, können wir aus unserer politischen Arbeit nur bestätigen, bemängelte AWM-Präsident Günter Schmitt-Bosslet. Viele von ihnen hätten die Bodenhaftung verloren und oft keine Ahnung von den Nöten und Sorgen der Firmen. Die AWM zog inzwischen eine positive Bilanz der Aktion: Mehr als 30 Abgeordnete absolvierten laut Bundesgeschäftsführer Guhl ein Praktikum, in diesem Sommer sei die Nachfrage sogar noch gestiegen, betont er.
Auch wenn es um das konkrete Gesetzgebungsverfahren geht, wird die AWM aktiv. Sie erarbeitet eigene Positionspapiere, nimmt an parlamentarischen Anhörungen teil und bezieht Stellung zu Gesetzentwürfen. So verbucht die Organisation unter anderem die Neuregelung bei den geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen, den so genannten Minijobs, nicht zuletzt als eigenen Erfolg: "Mehr als vier Jahre haben wir gekämpft und Überzeugungsarbeit geleistet, bis sich die Regierung entschlossen hatte, dem Mittelstand wieder eine praktikable Regelung anzubieten", so Guhl. Auch in der Diskussion um die Arbeitsmarktreform Hartz IV meldet sich die AWM kritisch zu Wort. Was bei dem Vorhaben fehle, seien "die Arbeitsplätze, in die man die Hilfebezieher vermitteln" könne, sagt Verbandspräsident Schmitt-Bosslet. Er plädiert für einen Niedriglohnsektor, vor allem für haushaltsnahe Tätigkeiten, wobei die Löhne durch staatliche Zuschüsse zum Lebensunterhalt aufgestockt werden sollten. Staatlich verordnete Mindestlöhne oder so genannte Ein-Euro-Jobs wären für die AWM aber der falsche Weg.
Unverständnis zeigt man für die Proteste gegen Hartz IV. Den so genannten Montagsdemonstrationen will er Kundgebungen für die Reformpolitik entgegensetzen, Motto: "Bündnis für Freiheit". Derzeit befinde man sich noch in einer Phase des "Auslotens", sagt AWM-Geschäftsführer Guhl. Eines macht er aber unmissverständlich klar: Den Hartz-Gegnern dürfe man nicht "die Straßen überlassen". Peter Wilhelm