In der Folge trat eine immer stärkere Entzerrung ein, weil Brandenburg, Sachsen und Thüringen die Legislaturperiode auf fünf Jahre verlängert hatten. Folglich fanden die beiden nächsten Landtagswahlen 1998 statt - in Sachsen-Anhalt vor der Bundestagswahl (am 26. April), in Mecklenburg-Vorpommern am Tage der Bundestagswahl, dem 27. September. 1999 folgten im September dicht hintereinander die Wahlen in Brandenburg, Thüringen und Sachsen. Der vierte Landtagswahlzyklus begann am 21. April 2002 in Sachsen-Anhalt, die Wahlen in Mecklenburg folgten wieder am Tag der Bundestagswahl (22. September). Thüringen legte die vierte Wahl zum Landtag auf den Tag der Europawahl (13. Juni 2004), ehe Brandenburg und Sachsen folgten. Die Situation in diesen drei Ländern war 2004 insofern kompliziert, als nicht mehr die "Männer der ersten Stunde" (die "Landesväter" Kurt Biedenkopf, Manfred Stolpe und Bernhard Vogel, der 1992 das Zepter übernommen hatte) zur Wahl standen.
Die friedliche Revolution in der DDR (der Begriff "Wende" erfasst nicht die Massivität des Umbruchs) kam im Herbst 1989 plötzlich und unerwartet. Das auf der SED-Dominanz ruhende alte Herrschaftssystem - die anderen Parteien und Organisationen waren ohne Einfluss - wurde binnen kurzem hinweggefegt, wesentlich durch eine günstige außenpolitische Konstellation bedingt. Schnell vollzog sich der Übergang vom "Zettelfalten" zum freien Wählen. Der "Sozialismus in den Farben der DDR" war unter den Bedingungen eines Konkurrenzmechanismus ohne Ausstrahlungskraft. Die "Blockparteien" begannen sich von der "Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands" zu lösen, und diese transformierte zur "Partei des Demokratischen Sozialismus" (von Dezember 1989 bis Februar 1990: SED/PDS). Die "Blockparteien" verschwanden schnell. Erst ging die "Demokratische Bauernpartei Deutschlands" in der Ost-CDU auf. Dann schloss sich diese mit der CDU des Westens zusammen. Ähnlich verlief die Entwicklung bei der FDP. Zunächst wurde die "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" von der "Liberaldemokratischen Partei Deutschlands" aufgenommen, ehe diese sich mit der FDP vereinigte. Die Entwicklungen verliefen nach außen hin verhältnismäßig reibungslos.
Nach der ersten und zugleich letzten demokratischen Volkskammerwahl am 18. März 1990 mit einem so überraschenden wie klaren Wahlsieg der CDU und der mit ihr verbündeten Gruppierungen ("Allianz für Deutschland") erregte eine Kontroverse die wissenschaftlichen Gemüter. Die eine Richtung führte die Entscheidung angesichts einer Tabula-Rasa-Situation auf ein reines "issue"-Verhalten zurück, die andere bejahte die Existenz einer unter anderem durch die Medien des Westens geschaffenen "Quasi-Parteibindung" vieler Wähler. Dabei muss die eine Position der anderen nicht zwingend widerstreiten. In der Tat steht der Osten für eine weitaus geringere Parteiidentifikation und ein höheres Maß an Wechselbereitschaft.
Bei den Bundestagswahlen 1990 und 1994 votierten die Ostdeutschen in der Tendenz wie die Westdeutschen. Die Union schnitt jeweils besser als die SPD ab, mit einem größeren Unterschied im Osten als im Westen. Der Urnengang 1998 förderte ein analoges Abschneiden zutage. Nur: Das Votum fiel für die SPD aus, im Osten lag die Differenz zwischen SPD und Union höher als im Westen. Das Ergebnis 2002 offenbarte ein gegenläufiges Verhalten. Wäre nur im Westen gewählt worden, hätte Schwarz-Gelb gewonnen. So aber entschied der Osten die Bundestagswahl zugunsten von Rot-Grün. Bekommen damit jene Forscher recht, die frühzeitig die These vom künftig "roten Osten" prognostiziert hatten?
Wie die Ergebnisse in den neuen Bundesländern von 1990 bis 2004 zeigen (vgl. Tabelle auf dieser Seite), verliefen sie höchst unterschiedlich. Während in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt die Mehrheitsverhältnisse differierten, weisen die drei anderen Länder ununterbrochen seit 1990 eine klare Dominanz einer Partei auf. Ist in Mecklenburg-Vorpommern die Tendenz eindeutig (die SPD steigerte von Wahl zu Wahl ihren Anteil von ursprünglich 27,0 Prozent auf 40,6 Prozent, so verlor die CDU mehr oder weniger kontinuierlich Stimmen. Ihr bestes Ergebnis lag bei 38,3 Prozent, ihr schlechtestes bei 30,2 Prozent. Hingegen ist die Entwicklung in Sachsen-Anhalt durch eine stärkere Diskontinuität gekennzeichnet. Die Wahlergebnisse der SPD schwankten zwischen 35,9 Prozent (1998) und 20,0 Prozent (2002), die der CDU zwischen 39,0 Prozent (1990) und 22,0 Prozent (1998).
In Sachsen hatte die dortige Union zunächst dreimal klar die absolute Mehrheit gewonnen (mit sensationell guten Stimmenanteilen zwischen 53,8 Prozent und 58,1 Prozent), ehe im Jahr 2004 ein massiver Einbruch erfolgte (41,1 Prozent). In Thüringen siegte die CDU ebenfalls viermal, wiewohl nicht so deutlich (1990: 45,4 Prozent; 1994: 42,6 Prozent; 1999: 51,0 Prozent; 2004: 43,0 Prozent). Hingegen dominierte in Brandenburg stets die SPD (1990: 38,2 Prozent; 1994: 54,1 Prozent; 1999: 39,3 Prozent; 2004: 31,9 Prozent). In Sachsen ist die SPD katastrophal schwach (bei den Landtagswahlen im Jahre 2004 kam sie nicht einmal auf zehn Prozent der Stimmen), in Brandenburg steht die CDU nicht gut da (mit einem Ergebnis bei der jüngsten Wahl von unter 20 Prozent).
In den neuen Bundesländern kristallisierte sich nach der ersten Legislaturperiode schnell ein Dreiparteiensystem mit der CDU, der SPD und der PDS heraus. Die Grünen und die FDP, die 1990 noch gut abgeschnitten hatten, rangieren seit 1994 "unter ferner liefen", fehlen im Parlament - mit der Ausnahme von Sachsen-Anhalt (1994 schafften die Grünen dort knapp den Einzug in den Landtag, 2002 klar die FDP dank ihrer prominenten Spitzenkandidatin und Generalsekretärin Cornelia Pieper) und Sachsen: Der FDP wie den Grünen gelang 2004 knapp der Einzug ins Landesparlament. Diese beiden Parteien haben es im Osten wegen des gering ausgeprägten Postmaterialismus schwer, Boden gutzumachen. Das Milieu, aus dem sich die Wählerschaft der beiden Parteien rekrutiert, ist nur schwach entwickelt. Gleichwohl scheinen sie aufholen zu können, wie auch der Trend bei den Bundestagswahlen zeigt.
Die großen demokratischen Volksparteien verlieren in den neuen Bundesländern immer mehr an Zustimmung. So erreichten CDU und SPD in Sachsen (50,9 Prozent) und in Brandenburg (51,3 Prozent) zusammen nur knapp die absolute Mehrheit. Sie mussten wegen der Proteste gegen Hartz IV Federn lassen. Ansonsten fallen die Ergebnisse in den beiden Ländern krass unterschiedlich aus. In Brandenburg dominieren die beiden Linksparteien SPD und PDS (die CDU kommt nie über die 30-Prozent-Schwelle hinaus), in Sachsen die Christdemokraten (SPD und PDS erreichen allenfalls ein Drittel der Stimmen). Wie die Ausrichtung der meisten politischen Vorfeldorganisationen zeigt, hat sich in Sachsen und Brandenburg ein unterschiedliches Milieu herausgebildet - in dem einen Land zugunsten der CDU, in dem anderen zugunsten der SPD. Die sächsische Identität ist mit der CDU verbunden, die brandenburgische mit der SPD. Kurt Biedenkopf und Manfred Stolpe konnten in "ihren" Ländern Akzente setzen.
Hatte die PDS im "Superwahljahr" 1990 im Osten ständig an Stimmen verloren (von der Volkskammerwahl am 18. März (16,4 Prozent) über die Kommunalwahlen am 6. Mai (14,0 Prozent) und die Landtagswahlen am 14. Oktober (12,7 Prozent) bis hin zur Bundestagswahl am 2. Dezember (11,1 Prozent), so weist die Tendenz für die Partei bei den Landtagswahlen in den neuen Bundesländern seit 1990 nahezu beständig nach oben - eine von Auguren so wahrlich nicht vorhergesagte Entwicklung. Der PDS wurde zu früh das Totenglöcklein geläutet. Dies zeigt, in welchem Maße viele "dem Westen" die kalte Schulter zeigen - aus Trotz und Frust. In Brandenburg steigerte sich die PDS von 13,4 Prozent (1990) auf 18,7 (1994), 23,3 (1999) und 28,0 Prozent (2004), in Thüringen von 9,7 auf 16,6, 21,3 und 26,1 Prozent, in Sachsen von 10,2 auf 16,6, 22,2 und 23,6 Prozent. 28,0 Prozent sind ihr bestes Ergebnis in einem Bundesland. Bei den Erststimmen lag die PDS in Brandenburg an erster Stelle. (Im Osten Berlins erreichte sie 2001 sogar 47,6 Prozent: mehr als SPD, CDU, Bündnis/Grüne und FDP zusammen). Die überalterte "Kümmerer"-Partei ist längst nicht mehr bloß eine Milieupartei, sondern auch eine Partei des Protestes, die diesen zu nutzen und zu schüren versteht, wie die Attacken gegen das Gesetzgebungswerk Hartz IV zeigen. Wo die PDS die regierende SPD tolerierte (Sachsen-Anhalt), stagnierte ihr Stimmenanteil bei 20 Prozent; wo sie Regierungsverantwortung übernahm (Mecklenburg-Vorpommern), fiel er gewaltig (um 8,0 Punkte auf 16,4 Prozent). Offenbar hatte sie die hochgespannten, weil hochgezüchteten Erwartungen vieler ihrer Wähler nicht erfüllt. Das ist ein Dilemma für die Partei wie für die Konkurrenz: Ein starkes Wahlergebnis könnte zwar in die Regierungsverantwortung führen, diese jedoch ein schwaches Resultat hervorrufen. In den anderen vier Bundesländern, in denen die PDS opponiert, ist sie jeweils die zweitstärkste Kraft - in Thüringen fast, in Sachsen mehr als doppelt so stark wie die SPD (und zwar schon seit 1999). Die PDS setzt ganz stark auf die ostdeutsche Identität und will als "Ostpartei" wahrgenommen werden.
Auch die Rechtsaußenparteien schneiden im Osten angesichts mancher ökonomischer und sozialer Verwerfungen mittlerweile besser als im Westen ab: Die Deutsche Volksunion (DVU) kam 1998 in Sachsen-Anhalt aus dem Stand auf 12,9 Prozent der Stimmen, verschwand aber schnell wieder in der Versenkung. In Brandenburg konnte diese Partei ihren Erfolg von 1999 (5,3 Prozent) jetzt mit 6,1 Prozent wiederholen. Der Triumph einer in der Wolle gefärbten rechtsextremistischen Organisation wie der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD), die der SPD mit 9,2 Prozent den Platz als dritte Kraft in Sachsen bald streitig gemacht hätte, darf nicht über den folgenden Sachverhalt hinwegtäuschen: Rechtsextremistische Parteien fahren ihre Erfolge vorwiegend mit Protest ein ("Schnauze voll?"), geben sich kapitalismuskritisch, amerikafeindlich (nicht: kommunismusfeindlich), votieren gegen die Globalisierung, treten als "Rächer der Enterbten" auf, verstecken ihr antidemokratisches Antlitz weitgehend, wiewohl sie ausländerfeindliche Ressentiments erkennen lassen. Der Protest findet in einem bestimmten (Unterschichten-)Milieu spezifische Unterstützung. Nur bei einem kleinen Teil der Wählerschaft besteht ein geschlossenes rechtsextremistisches Weltbild. Während die DVU nirgendwo verwurzelt ist, existieren bei der NPD Ansätze gesellschaftlicher Verankerung, etwa in der Sächsischen Schweiz.
Werden die Postkommunisten durch die Regierungsarbeit entzaubert, wobei die Zustimmungsquote noch immer hoch bleibt, reichte bei den Rechtsextremisten dafür bis jetzt bereits die parlamentarische (Un-)Tätigkeit. Insofern ist Gelassenheit angebracht. Die Dämonisierung einer rechtsextremistischen Partei dürfte diese nicht schwächen, sondern stärken. PDS-Wähler sind eher subjektive Vereinigungsverlierer, die von Rechtsaußenparteien stärker objektiv Benachteiligte. Die einen besitzen in der Gruppe der ältesten Wähler (ab 60 Jahre) ihre Hochburg, die anderen in der Gruppe der jüngsten (18 bis 24 Jahre). 16 Prozent der 18- bis 24-jährigen haben 2004 in Sachsen NPD gewählt. 1998 votierten in Sachsen-Anhalt gar 25,4 Prozent der 18- bis 24-jährigen für die DVU. Damit war sie die stärkste Kraft in dieser Altersgruppe. Die formale Bildung des PDS-Elektorats ist weitaus höher. Die Wählerschaft der PDS ist sehr differenziert zusammengesetzt, ihre Motivation gekennzeichnet "durch eine Mischung aus Ideologie, Nostalgie und Protest" (Jürgen W. Falter/Markus Klein).
Die Ausschläge gelten nicht nur für die Kräfte am rechten Rand (am linken ist die Wählerschaft gefestigter), sondern bei der nach wie vor geringen Bindung auch für die großen Parteien. So gewann die SPD 1994 in Brandenburg 15,9 Punkte hinzu und verlor fünf Jahre später 14,8 Punkte (jeweils unter dem Ministerpräsidenten Manfred Stolpe). Die CDU büßte 1998 in Sachsen-Anhalt 12,4 Punkte ein, erhöhte ihren Anteil vier Jahre später aber um 15,3 Punkte (bei einem Minus von 15,9 Punkten für die SPD). Nun traf es die Sächsische Union mit einem Verlust von 15,8 Punkten herb. Damit ist selbst das Vorzeigeland des Ostens mit gepriesener politischer Stabilität davon betroffen. Situative Faktoren sorgen für ein fluides Meinungsklima. Personen spielen als Wahl beeinflussender Faktor bei einer ungefestigten Parteienbindung eine große Rolle. Häufig prägt die bundespolitische Konstellation das Wahlverhalten in den neuen Bundesländern. So gingen die schlechten Wahlergebnisse für die SPD bei den drei Landtagswahlen 1999 auf den bundespolitischen Gegenwind nach Bildung der rot-grünen Bundesregierung zurück. Die Einbrüche der CDU in ihrem Stammland Sachsen und das deprimierend niedrige Ergebnis für die SPD im Jahr 2004 erklären sich wesentlich - wie erwähnt - mit den Protesten gegen die Arbeitsmarktreform Hartz IV. Wäre in Sachsen drei Monate vorher und in Thüringen drei Monate später gewählt worden, so hätte die CDU Sachsens ihre absolute Mehrheit vermutlich behauptet, die CDU Thüringens die ihrige dagegen nicht.
Die Parteien haben die Verpflichtung, im Osten und im Westen des Landes keinen "geteilten Wahlkampf" zu praktizieren. Diese Strategie liegt angesichts partiell unterschiedlicher Interessenlagen nahe, fördert aber nicht ihre Glaubwürdigkeit. So haben die Länder Brandenburg und Sachsen im Bundesrat gegen die Hartz IV-Gesetze votiert. In den neuen Bundesländern, mehr als in den alten, mehren sich die Symptome für ein Anwachsen der Parteienverdrossenheit (Rückgang der Zahl der Parteimitglieder; sinkende Wahlbeteiligung; Verluste für die Volksparteien; Anwachsen radikaler Kräfte; Gewinne für kleinere Gruppen außerhalb des etablierten Politikbetriebes). Vor allem schlägt die Unzufriedenheit mit der größten Regierungspartei mitunter nicht positiv bei der größten demokratischen Oppositionspartei des Landes zu Buche. Vereinfacht ausgedrückt: Es profitiert nicht mehr die "Opposition im System", sondern die "Opposition zum System".
Das Parteiensystem in den alten Bundesländern ist zum Teil anders strukturiert als das Dreiparteiensystem der neuen Länder. Den beiden großen Parteien stehen zwei kleine gegenüber, die in der Regel in die Parlamente gelangen. Die Grünen gehören jedem westlichen Landesparlament an, die FDP nicht dem von Bayern und Hamburg. Extremistische Parteien spielen seit Jahren keine Rolle. Die PDS fasst nicht Fuß. Was ihr im Osten nützt, schadet ihr im Westen: das Image als "Partei des Ostens". Die Parteiidentifikation ist in den alten Bundesländern weiterhin größer, auch wenn sie angesichts des Schrumpfens der Stammwählerschaft (starkes Nachlassen der gewerkschaftlichen und der konfessionellen Bindung, also wichtiger wahldeterminierender Faktoren) beträchtlich bröckelt. Vielleicht nehmen die neuen Bundesländer die Entwicklung im Westen vorweg.
Wir haben seit 1990 nicht nur Einparteienregierungen der CDU und der SPD gehabt, sondern auch eine große Koalitionsvielfalt: schwarz-rote, schwarz-gelbe, rot-grüne, rot-rote Koalitionen, ferner eine "Ampel"-Koalition sowie Minderheitsregierungen. Gleichwohl brach bis auf den Sonderfall Brandenburg 1994 keine Regierung vorzeitig auseinander. Ministerpräsident Stolpe hatte im März 1994 die Zusammenarbeit mit dem "BürgerBündnis" aufgekündigt, da dessen Fraktionsvorsitzender Günter Nooke Stolpes Rücktritt wegen der Verwicklung in die Machenschaften der Staatssicherheit gefordert hatte. Selbst in Brandenburg ließ sich eine Neuwahl vermeiden, da die Minderheitsregierung bis zum Ende der Legislaturperiode durchhielt.
Die CDU regierte in Sachsen von 1990 bis 2004 unangefochten, ehe sie nun eine Koalition mit der SPD eingehen musste - ausgerechnet mit einer Partei, die hier mit 9,8 Prozent der Stimmen ihr schlechtestes Ergebnis in einem Bundesland nach 1945 "eingefahren" hatte. Aber es gab keine angemessene Alternative zu dieser "Koalition der Verlierer". Der Wechsel von Kurt Biedenkopf zu Georg Milbradt im Jahre 2002 verlief alles andere als reibungslos, und die damit verbundenen Verwerfungen dürften neben dem lavierenden Kurs des Ministerpräsidenten Milbradt in puncto Hartz IV das für die CDU enttäuschende Ergebnis mit erklären. In Sachsen zogen diesmal gleich sechs Parteien in das Landesparlament ein. Auch in Thüringen steht die CDU gut da: Von 1990 bis 1994 koalierte sie mit der FDP, von 1994 bis 1999 mit der SPD; seither stellt sie allein die Regierung, zuerst unter Bernhard Vogel, später unter Dieter Althaus. Brandenburg ist das SPD-Pendant zu den beiden Freistaaten. Zunächst amtierte SPD-Ministerpräsident Stolpe in einer "Ampel"-Koalition mit der FDP und dem Bündnis 90, danach (1994) in einer aus SPD und FDP bestehenden Minderheitsregierung, später in einer Alleinregierung (1994-1999); seither gibt es ein Bündnis mit dem Juniorpartner CDU, das von 1999-2004 eine große Koalition war, jetzt jedoch nicht mehr diesen Namen verdient, da die PDS über 8,6 Punkte mehr verfügt als die dortige CDU. Komplizierter und wechselhafter sind die Koalitionskonstellationen in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern.
Sachsen-Anhalt hatte zwischen 1990 und 1994 eine schwarz-gelbe Koalition unter drei Ministerpräsidenten der CDU. Neben Gerd Gies waren dies Werner Münch und Christoph Bergner. 1994 bildete Reinhard Höppner mit den Grünen eine Minderheitsregierung, toleriert von der PDS ("Magdeburger Modell"). Vier Jahre später tolerierte die PDS erneut die Regierung, eine Minderheitsregierung der SPD. Kritiker bemängelten ein solches Tolerierungsmodell, während die Anhänger eine von einer anderen Partei tolerierte Minderheitsregierung zu den legitimen Spielregeln der Demokratien rechneten. Im Jahre 2002 löste eine schwarz-gelbe Koalition unter Ministerpräsident Wolfgang Böhmer die SPD von der Regierung ab. Auch Teile der SPD waren von dem "Magdeburger Modell" nicht sonderlich angetan.
In Mecklenburg-Vorpommern ging die CDU in der ersten Legislaturperiode eine Koalition mit der FDP ein (zunächst unter Alfred Gomolka, später unter Berndt Seite). Berndt Seite war auch der Ministerpräsident der großen Koalition mit der SPD zwischen 1994 und 1998. 1998 bildete die SPD unter Harald Ringstorff mit der PDS eine rot-rote Koalition. Deren Anhänger sprachen vom "Schweriner Modell". Sie erfuhr im Jahre 2002 eine Fortsetzung und funktioniert leidlich.
Heute kennen wir drei der ersten fünf Ministerpräsidenten kaum noch. Die CDU-Politiker, die aus dem Osten stammten, mussten teils wegen Überforderung, teils wegen Affären vorzeitig zurücktreten: Gerd Gies in Sachsen-Anhalt 1991, Alfred Gomolka in Mecklenburg-Vorpommern 1992 und Josef Duchac im gleichen Jahr in Thüringen. Mit Matthias Platzeck und Dieter Althaus haben sich zwei Ministerpräsidenten als "Eigengewächse" ihres Landes gut profiliert und sich unter schwierigen Bedingungen bei den Landtagswahlen behauptet. Die Emanzipation von ihren "Ziehvätern" Stolpe und Vogel ist ihnen gelungen. Die Zeit für westdeutsche Importe dürfte vorbei sein. Das ist ein Zeichen der Normalisierung - und erfreulich. Dass im sächsischen Freistaat, eine der Hochburgen der friedlichen Revolution vor 15 Jahren, keiner der Protagonisten der damaligen Zeit mehr dem Kabinett angehört, ist weniger erfreulich.