Dass Diktatoren gern auf Doppelgänger zurückgreifen, ist nichts Neues: Mindestens drei Doubles soll das inzwischen inhaftierte ehemalige irakische Staatsoberhaupt Saddam Hussein in seinen Diensten gehabt haben - und auch dem noch immer flüchtigen Osama bin Laden wird nachgesagt, er verwirre seine Verfolger mit dem Einsatz von Doppelgängern. Eine gänzlich andere Strategie hat indessen der nordkoreanische Staatschef eingeschlagen: Kim Jong Il ist kurzerhand abgetaucht.
Noch am Dienstag vergangener Woche soll der Mann, der sich gern "geliebter Führer" nennen lässt, in seinem luxuriösen Sonderzug von Nordostchina in Richtung Peking unterwegs gewesen sein - am Mittwoch verlor sich jede Spur von ihm. "Wir wissen nicht, wo er geblieben ist", musste ein südkoreanischer Militärattaché einräumen. Die wildesten Spekulationen schossen ins Kraut: Gönnte sich Kim eine Auszeit, um sich seinem Computer zu widmen, auf den er so stolz ist, dass er ihn schon der früheren US-Außenministerin Madeleine Albright vorführte? Hat der Diktator seine Flugangst überwunden und sich daran erinnert, dass er eigentlich - wenigstens laut nordkoreanischer Propaganda - ausgebildeter Kampfpilot ist, und düste einfach in den Urlaub? Als realistischer stellten sich Vermutungen heraus, nicht Fernweh, sondern Geldprobleme hätten den Despoten zum Untertauchen bewegt: Seit die USA im September Strafmaßnahmen gegen die Banco Delta Asia in Macao verhängte und die Bank daraufhin alle Konten nordkoreanischer Kunden schloss, soll Kim reichlich klamm sein - und könnte seinen chinesischen Amtskollegen Hu Jintao darum bitten, die Gelder seiner Familie freizugeben. Zudem braucht Kim die Unterstützung seines Freundes in den verfahrenen Atomgesprächen mit den USA und anderen Staaten. Chinesische Diplomaten teilten denn auch am Donnerstag mit, Kim sei in Peking.
Die Geheimniskrämerei in Sachen Reisen ist unterdessen nichts Neues: Bereits 2003 verschwand Kim Jong Il für 44 Tage komplett von der Bildfläche und bemüht sich generell, Auslandsreisen geheim zu halten. Das ist in diesem Fall missglückt - und mit der Bekanntgabe seines Aufenthaltsortes dürfte sich auch die letzte Hoffnung vieler Nordkoreaner zerschlagen haben - der Diktator sei dahin verschwunden, wo der Pfeffer wächst.