Die Naturwissenschaften wie Physik, Chemie, Technik und Biologie sah der Journalist in deutschen Schulen im Vergleich zu Geisteswissenschaften eher im Abseits und hatte beschlossen, gegen diesen "Bildungsnotstand" etwas zu tun: mit einem Wettbewerb für junge Forscher. Schon wenige Monate später, im April 1966, wurden die ersten Sieger gekürt.
Als Vorbild für "Jugend forscht" dienten Nannen dabei "Science Fairs", Messen für junge Wissenschaftler, die bereits in den 60er-Jahren in den USA - staatlich gefördert und von den Schulen getragen - angeboten wurden. Neu allerdings war Nannens Idee, Wirtschaftsunternehmen als Sponsoren und Ausrichter des Wettbewerbs mit ins Boot zu holen. Für "Jugend-forscht"-Geschäftsführerin Uta Krautkrämer-Wagner eine brillante Idee: "Das Zusammenwirken von Unternehmen und Schulen hat es vorher so in Deutschland nicht gegeben und macht bis heute den Erfolg des Wettbewerbs aus."
In der Tat, "Jugend forscht" ist eine Erfolgsgeschichte. Der Wettbewerb gilt mittlerweile als der bekannteste und größte für naturwissenschaftliche Nachwuchsforscher. Was ihn so beliebt unter den 15 bis 21-jährigen Teilnehmern macht, ist neben der Anerkennung für ihre Arbeit auch das große Netzwerk, das sich über die Jahre zwischen Unternehmen, Schulen und den ehemaligen Teilnehmern entwickelt hat. Hier entstehen Kontakte, auf die sie auch dann noch zurückgreifen können, wenn sie längst aus dem "Jugend-forscht"-Alter heraus sind. Eine Datenbank mit den Namen aller ehemaligen Teilnehmer, die für jeden zugänglich auf der "Jugend-forscht"-Internetseite zu finden ist, jährliche Einladungen und im Jubiläumsjahr sogar ein großes Alumni-Treffen halten diese Kontakte lebendig.
Doch nicht nur der Wettbewerb ist eine Erfolgsgeschichte. Zahlreiche ehemalige Preisträger können schon in jungen Jahren auf eine bemerkenswerte Vita verweisen. 90 Prozent der Teilnehmer an Bundeswettbewerben, den "Jugend-forscht"-Finalen, beginnen etwa ein Studium der Natur- oder Ingenieurwissenschaften, etwa ein Viertel promoviert sogar. Unternehmen ebenso wie Hochschulen nehmen die "Jufos", wie die Teilnehmer des Wettbewerbs sich nennen, mit Handkuss. Der Grund: "Die Jugendlichen haben bewiesen, dass sie ein Thema eigenständig entwickeln und dann auch noch originell und anspruchsvoll vor einer Jury präsentieren können", sagt Uta Krautkrämer-Wagner. "Das können die Firmen gut gebrauchen." Und nicht nur sie: Auch der jüngst mit dem Nobelpreis ausgezeichnete Physiker Theodor Hänsch habe gerade einen ehemaligen "Jufo" als Doktoranden angenommen, erzählt sie, denn der habe, so Hänsch wörtlich, "Forscherdrang und Initiative" bewiesen.
Das gilt auch für Stephen Schulz. Der 20-Jährige gewann im Mai 2005 den Bundeswettbewerb im Fach Chemie. Seine Erfindung: eine Art Labor im Westentaschenformat, das "lab-on-a-chip", wie Stephen es nennt. In jahrelanger, autodidaktischer Forschungsarbeit war es dem Gelsenkirchner Gymnasiasten gelungen, die Platinentechnik so weiterzuentwickeln, dass damit in Zukunft medizinische Tests wie etwa die Ermittlung von Blutwerten kostengünstig und auf kleins-ten Raum gemacht werden könnten. Kein Wunder, dass sich inzwischen schon eine Firma für Stephens Erfindung interessiert. Zwar studiert "Einstein Junior", wie ihn die Bild-Zeitung einmal nannte, mittlerweile in Münster Chemie, doch für sein "Jugend-forscht"-Projekt nimmt er sich trotz vollem Stundenplan Zeit. Stephen ist froh, dass seine Tüftelei bald eine Anwendung finden wird. Sein "Jugend-forscht"-Sieg hat ihm gezeigt, dass seine Forschungen nicht nur ihm Spaß gemacht haben, sondern in Zukunft auch tatsächlich anderen von Nutzen sein können.
Auch Isabel Wagner, Bundessiegerin von 2003, steht heute in Verhandlungen mit Unternehmen, die ihre "Jugend-forscht"-Erfindung auf den Markt bringen wollen. Die 22-Jährige hat nicht nur verschiedene Kleber aus Naturprodukten entwickelt, wie etwa einen Bastelkleber aus Milchreis und Gelatine oder ein Klebeband aus Chicorée und Roter Bete. Die Hamburgerin hat sich auch das Patent für diese natürlichen, gänzlich lösungsmittelfreien und somit sogar essbaren Klebstoffe gesichert. Das Ziel ihrer Forschungen: Isabel wollte eine Alternative zu den herkömmlichen, oft gesundheitsschädlichen Klebstoffen finden. Die Gesundheit hat sie heute immer noch im Blick: Isabel studiert Medizin in Lübeck.
Daniel Gurdian hingegen ist wohl das, was man einen leidenschaftlichen Tüftler nennt: Schon als Kind baute der heute 23-Jährige sein Spielzeug auseinander, um herauszufinden, wie es funktioniert. Als 14-Jähriger verlor er dann beim Experimentieren mit Chemikalien einen Finger. Doch das hielt ihn nicht davon ab, weiterzuforschen, im Gegenteil. Die Triebfeder war nun seine Unzufriedenheit mit der eigenen Prothese. Der künstliche Finger ließ sich nicht einknicken. Daniel erfand daraufhin eine handschuhähnliche und von einem Motor betriebene Fingerprothese. Die Jury von "Jugend-forscht" war begeistert, 1999 bekam er im Bereich Arbeitswelt den ersten Preis beim Bundeswettbewerb. Doch das reichte dem Oberbayern nicht - er trat wieder und wieder mit neuen Projekten zum Wettbewerb an. Insgesamt sieben Mal. "Für mich war ,Jugend-forscht' eine Sucht", sagt Daniel heute. Sein vierter Platz 2003, ein Ufo, das mit Hilfe eines Handschuhs gelenkt werden kann, brachte ihm schließlich die Aufmerksamkeit eines Spielzeugherstellers ein. Das Ufo ging in Serie - und steht heute in den Regalen der Spielzeuggeschäfte. Inzwischen studiert Daniel in München Elektrotechnik und arbeitet nebenbei an einer Art Himmelskompass, der die Lage von einzelnen Sternen oder Sternbildern anzeigen kann. Einen interessierten Produzenten hat er übrigens schon gefunden.
Auch Marc Brunke kann sich nicht über zu wenig Anfragen beschweren: Bis heute beschäftigt sich der 32-Jährige mit der Erfindung, die ihm 1992 bei "Jugend-forscht" den Sieg bescherte. Als Musiker hatte er sich schon in der Schulzeit über die Kupferkabel der Lautsprecheranlagen geärgert, die stets brummende oder rauschende Nebengeräusche produzierten. "Das muss doch anders gehen", dachte sich der damals 18-Jährige: "Die Profis arbeiten doch auch mit einer anderen Technik!" Ein Irrtum, wie Marc Brunke später bemerkte: Auch die hatten damals keine besseren Kabel zur Verfügung. Bis der Münchner Schüler ein System erfand, das die Töne zunächst "zerhackt", über einen Lichtleiter durch ein Glasfaserkabel schickt und erst dann wieder in Töne umwandelt - störungsfrei. Diese Bühnentechnik hat der Münchner weltweit patentieren lassen und sich schließlich damit selbständig gemacht. Heute gehören nicht nur Musiker wie Rod Steward, die Rolling Stones oder Robbie Williams zu den Kunden seiner Firma "Optocore", auch die Veranstalter der Olympischen Spiele 2004 vertrauten Marc Brunkes Technik: Für die Beschallung der Eröffnungsfeier bekam "Optocore" den Zuschlag.
War "Jugend-forscht" für ihn der zukunftsentscheidende Erfolgsfaktor? "Vielleicht", sagt Marc Brunke. "Der Wettbewerb war für mich jedenfalls der notwendige Anreiz und Druck, eine Idee endlich zu verwirklichen. Das scheint nicht nur Marc Brunke so zu sehen: Die Anmeldezahlen für "Jugend-forscht" steigen noch immer von Jahr zu Jahr: War es 1966 noch die bescheidene Zahl von 244 Jungen und Mädchen, meldeten sich 2005 insgesamt 8.945 Jugendliche mit einem Projekt an. Ein Rekord - und vielleicht wird der im Jubiläumsjahr erneut gebrochen.
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