Thembishe Joseph Buthelezi kann ganz schön sauer werden, wenn jemand ihm seine genmanipulierte Baumwolle auszureden versucht. "Wir würden das Saatgut kaufen, und wenn es vom Teufel höchstpersönlich käme." Der Chef des Baumwollbauernverbands in der südafrikanischen Provinz KwaZulu-Natal hält gar nichts von dem Einwand, er und seine Kollegen brächten sich leichtfertig in die Abhängigkeit des Saatgutriesen Monsanto, des Herstellers der insektenresistenten Baumwolle Marke "Bollgard". Und wenn schon: Buthelezi hat damit kein Problem, solange die Genbaumwolle höhere Erträge und damit auch mehr Einnahmen bringt als andere Sorten.
Die meisten der südafrikanischen Baumwollbauern sind in den vergangenen Jahren auf die genmanipulierten Pflanzen umgestiegen - freiwillig und aus Überzeugung, sagen sie. Andrew Bennett von Monsanto Südafrika in Johannesburg ärgert sich deshalb über die Behauptung von Gentechnik-Kritikern, sein Unternehmen habe den Kleinbauern in KwaZulu-Natal das Saatgut aufgedrängt. "Das ist ein ganz normaler geschäftlicher Vorgang: Wir bieten unsere Produkte an, und die Bauern entscheiden."
Auch in anderen Ländern wechseln immer mehr Landwirte von konventionellen zu gentechnisch veränderten Pflanzen. Seit Mitte der 90er-Jahre ist die Anbaufläche mit genmanipulierten Sorten nach Industrieangaben weltweit von knapp fünf auf mehr als 80 Millionen Hektar angewachsen. Davon entfallen allein auf die USA fast 50 Millionen Hektar, gefolgt von Argentinien mit 17 Millionen und Brasilien mit knapp zehn Millionen Hektar. Die am weitesten verbreiteten Sorten sind herbizidtolerante Sojabohnen, insektenresistenter Mais und insektenresistente Baumwolle.
Laut der gentechnikkritischen Organisation ETC Group aus Kanada haben genmanipulierte Sorten bereits einen Anteil von 25 Prozent am Weltmarkt für Saatgut - mit steigender Tendenz. Der Umsatz mit Genpflanzen hat sich seit 1996 versiebzehnfacht - von 280 Millionen auf 4,7 Milliarden US-Dollar. Nicht einmal ein halbes Dutzend Unternehmen teilt diesen Kuchen unter sich auf - und Weltmarktführer Mon-santo bekommt das mit Abstand größte Stück: Nach Angaben des US-Konzerns wachsen auf 88 Prozent der weltweiten Anbaufläche mit Genpflanzen Sorten aus dem eigenen Hause. Den Rest teilen sich die US-Firmen Dupont und Dow AgroSciences sowie Syngenta aus der Schweiz und die deutsche Bayer AG.
Bauern, die auf Bollgard-Baumwolle oder andere Sorten von Marktführer Monsanto umsteigen, verzichten freiwillig auf ein Privileg, das so alt ist wie die Landwirtschaft selbst: das Recht des Bauern, einen Teil der Ernte aufzubewahren und in der nächsten Anbausaison wieder auszusäen - so genannten Nachbau zu betreiben. Denn ein Landwirt, der Genpflanzen ernten will, muss einen Lizenzvertrag unterschreiben, in dem er sich dazu verpflichtet, die Pflanzen nicht nachzubauen. Das ist die Abhängigkeit des Bauern vom Saatguthersteller, vor der die Gentechnik-Kritiker warnen.
Doch der Einfluss der Saatgutindustrie auf die Landwirtschaft wächst nicht erst seit der Grünen Gentechnik. Die Geburtsstunde der modernen Pflanzenzüchtung liegt mehr als 100 Jahre zurück: 1879 kreuzte der Botaniker William James Beal in den USA erstmals gezielt zwei genetisch unterschiedliche Maislinien miteinander und schuf eine neue Sorte, die höhere Ernteerträge brachte - der Hybridmais war geboren, der die unterschiedlichen Merkmale zweier Elternsorten in sich vereint und dadurch bestimmte überlegene Eigenschaften aufweist.
Die neue Technik der Hybridzüchtung brachte im frühen 20. Jahrhundert eine Reihe von Saatgutfirmen hervor, die heute noch klingende Namen in der Branche haben, zum Beispiel DeKalb Genetics (1998 von Monsanto gekauft) oder Pioneer Hi-Bred (1999 von Dupont gekauft). Die Unternehmen wurden größer, die Pflanzenzüchtung löste sich mehr und mehr von der landwirtschaftlichen Praxis. Von jeher haben Bauern selbst neue Sorten entwickelt und an ihre Bedürfnisse angepasst. In den vergangenen 100 Jahren jedoch haben professionelle Züchter diese Aufgabe Schritt für Schritt übernommen.
Dafür gibt es zwei Gründe: Zum einen wurden die Techniken der Pflanzenzüchtung immer aufwändiger und komplizierter. Zum anderen wurden die Saatgutmärkte immer strenger reguliert und geistige Eigentumsrechte an Pflanzensorten geschaffen (Sortenschutz). Es gibt heute kaum ein Land mehr, in dem die Entwicklung und Vermarktung neuer Sorten nicht an strenge Regeln gebunden ist, die Qualität, Sicherheit und landwirtschaftlichen Nutzen sicherstellen sollen. In den meisten Industrieländern dürfen Bauern heute nur solches Saatgut anbauen, das staatliche Stellen geprüft und zugelassen haben. Auch in vielen Entwick-lungsländern geht der Trend in Richtung Regulierung, die verhindert, dass Bauern auf eigene Faust mit Sorten experimentieren.
Unter den Bauern gehen die Meinungen auseinander, wie diese Entwicklung zu bewerten ist. Für Jens Rademacher vom Deutschen Bauernverband sind die Saatguthersteller Partner der Landwirtschaft: "Professionelle Züchtung versorgt die Bauern mit sicheren und regional angepassten Sorten. Das dient auch dem Verbraucherschutz." Bei der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, einer Interessenvertretung kleiner und mittlerer Betriebe, sieht man das anders: "Ziel der Hersteller müsste sein, sich stärker an den Bedürfnissen der Bauern zu orientieren", findet Geschäftsführer Georg Janßen.
"Leider entwickelt sich die Züchtung in eine andere Richtung. Die Hersteller wollen Saatgut, das sich möglichst breit verkaufen lässt, die Bauern aber brauchen Vielfalt."
Für Deutschland trifft Janßens Einschätzung nach Ansicht des Bundesverbands Deutscher Pflanzenzüchter nicht zu. "Wir haben 130 Mitglieder, vor allem kleine und mittlere Unternehmen. Die sind regional verankert und arbeiten eng mit den Bauern zusammen", erklärt Verbandssprecherin Ulrike Jungmann. Die Situation in Deutschland sei nicht mit der in den USA zu vergleichen. Dort kam das Landwirtschaftsministerium in einer Studie zu dem Schluss, dass die zunehmende Konzentration des Saatgutmarktes auf eine sinkende Zahl von Unternehmen zu einem Rückgang der Forschungsausgaben und des Sortenangebots geführt hat.
Hier kommt für Janßen die Grüne Gentechnik wieder ins Spiel: "Das Verfahren ist derart teuer, dass nur wenige große Unternehmen es sich leisten können - und die bauen dadurch ihre Marktposition aus." Die Grüne Gentechnik, so Janßen, beschleunigt den Konzentrationsprozess auf dem internationalen Saatgutmarkt. Tatsächlich meldete Monsanto Ende des vergangenen Jahres Rekordgewinne - dank der steigenden Nachfrage nach Genpflanzen. Auf Monsanto folgen in der Liste der weltgrößten Saatguthersteller die beiden anderen Biotechnologieriesen Dupont und Syngenta. Diese drei Unternehmen allein haben nach Angaben der ETC Group einen Anteil von 31 Prozent am Weltsaatgutmarkt mit einem Volumen von 21 Milliarden US-Dollar.
Und dieser Markt ist noch lange nicht ausgeschöpft. Denn das von den Unternehmen verkaufte Saatgut entspricht nur etwa einem Fünftel von dem, was Bauern weltweit jedes Jahr aussäen. Vier Fünftel entfallen auf den Nachbau - also auf Saatgut, das Bauern aus vorherigen Ernten gewonnen und zurückgelegt haben. In Deutschland liegt der Nachbauanteil immerhin noch bei rund 50 Prozent. Viel zu viel, finden die Hersteller. Denn ihrer Ansicht nach verletzt der Nachbau von Saatgut, das auf einer geschützten Sorte basiert, geistige Eigentumsrechte der Züchter, wie sie zum Beispiel das Internationale Abkommen zum Schutz neuer Pflanzensorten (UPOV) garantiert. Wirksamer Sortenschutz aus Sicht der Hersteller heißt deshalb, am Nachbau zu verdienen oder aber ihn zu unterbinden.
Bei Hybridsorten, die in bestimmten Fruchtarten wie Mais und Zuckerrübe in den Industrieländern mittlerweile alle anderen Sorten verdrängt haben, stellt sich das Problem nicht, weil sie aus biologischen Gründen nicht nachgebaut werden können. Um die Züchterrechte auch mit Blick auf andere Fruchtarten zu stärken, beschlossen die UPOV-Mitgliedstaaten Anfang der 90er-Jahre eine Gebührenpflicht: Landwirte dürfen weiterhin nachbauen, müssen den Herstellern aber eine Lizenzgebühr zahlen. Um diese Nachbaugebühr gibt es heftigen Streit, seit sie 1997 in das deutsche Sortenschutzgesetz übernommen wurde. Denn um sie zu erheben, müssen die Hersteller jedes Jahr kontrollieren, was die Bauern aussäen. Und das geht vielen Landwirten zu weit.
Einen Ausweg aus Industriesicht verspricht einmal mehr die Gentechnik: Pflanzen lassen sich so manipulieren, dass die von ihnen hervorgebrachten Samen nicht keimfähig sind und daher nicht nachgebaut werden können. Seit der US-Saatguthersteller Delta & Pine Land diese so genannte "Terminator-Technologie" 1998 zum Patent angemeldet hat, gibt es weltweit Proteste dagegen - nicht nur bei eingefleischten Gentechnik-Kritikern. Für Jens Rademacher vom Bauernverband markiert sie eine Grenze, die nicht überschritten werden darf. Bettina Sánchez Bergmann, Gentechnik-Referentin beim Verband der Pflanzenzüchter, nennt das Verfahren "problematisch".
Die Mitglieder der UN-Konvention über biologische Vielfalt haben im Jahr 2000 ein Moratorium über die Terminator-Technologie verhängt - die Risiken seien nicht absehbar, hieß es damals zur Begründung. Doch Australien, Kanada und Neuseeland dringen auf eine Zulassung; bei der bevorstehenden Vertragsstaatenkonferenz im März in Brasilien könnte das Moratorium kippen, befürchten Gentechnik-Kritiker. Für sie steht fest: Mit der Terminator-Technologie zielen die Konzerne auf die totale Kontrolle des Saatgutes ab - und liefern damit endgültig den Beweis, dass die Ankündigung von Bauernfunktionär T. J. Buthelezi, er würde seine Genbaumwolle sogar vom Teufel kaufen, längst Wirklichkeit ist.
Tillmann Elliesen ist Redakteur bei der Zeitschrift "E+Z Entwicklung und Zusammenarbeit".