Der Historiker Leopold von Ranke (1795 - 1886) ist heute nur noch dem Namen nach bekannt. Dabei galt er bis weit in das 20. Jahrhundert als der bedeutendste Historiker deutscher Sprache. Ranke war Professor in Berlin und sympathisierte als gemäßigter Konservativer mit dem preußischen Staat. Sein immenses, in 54 Bänden gesammeltes Werk ist heute in der Sache vielfach überholt, in Stil und Darstellung immer noch meisterhaft.
Jetzt wurde Rankes berühmtes und folgenreiches "Politisches Gespräch" von 1836 wieder veröffentlicht. Ranke lässt den jungen Offizier Carl und einen Stubengelehrten (Friedrich) über das Wesen des Staates diskutieren. Dabei entwickelt Friedrich die den Freund restlos überzeugende Idee, dass jede Nation wie eine Person sei und eine ganz eigene Individualität habe; jede Nation sei etwas ganz Eigenes, ja (Hegel war gerade gestorben) unmittelbar zu Gott. Ranke hat, überaus tolerant, diese europäischen "Personen" freundlich aneinandergereiht; in der Folgezeit, man weiß es, wurde daraus eine Vergötzung der Nationen mit all ihren entsetzlichen Folgen.
Leopold von Ranke: Politisches Gespräch. Mit einer Einführung von Friedrich Meinecke. Unveränderter Nachdruck der Ausgabe von 1924. Duncker & Humblot, Berlin 2005; 51 S., 19,80 Euro