In Sachsen-Anhalt haben die Gespräche zur Bildung einer Koalition begonnen. Schon zwei Tage nach der Wahl vom 26. März trafen sich in Magdeburg der bisherige und künftige Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) und sein SPD-Herausforderer Jens Bullerjahn. In sehr sachlicher und guter Atmosphäre sei das Gespräch verlaufen, sagte Bullerjahn später. CDU-Landeschef Thomas Webel: "Ich gehe davon aus, dass die neue Regierung bis Ostern steht".
Das Wahlergebnis dieses ersten Stimmungstests nach der Bundestagswahl war erwartet worden. Die Christdemokraten blieben mit 36,2 Prozent (2002: 37,3 Prozent) bei geringen Verlusten wiederum stärkste Kraft im Land. Allein 40 der 45 Wahlkreise wurden von CDU-Direktkandidaten gewonnen. Ministerpräsident Professor Wolfgang Böhmer (CDU) kann das Land weitere fünf Jahre mit dem klaren Votum seiner Wähler regieren.
Allerdings: Er muss sich einen neuen Regierungspartner suchen. Die bisherige schwarz-gelbe Koalition aus CDU und FDP wurde deutlich abgewählt. Die Liberalen erreichten lediglich 6,7 Prozent, kommen mit sieben Abgeordnete in den Landtag. Vor vier Jahren konnten sie beim Wahlvolk noch mit dem Slogan "Höppner geht, die Arbeit kommt" punkten und schafften 13,3 Prozent. Für diesen kühnen FDP-Spruch gab es jetzt die Quittung: Für eine Regierungskoalition reicht es nicht mehr.
"Wir sind in der Pflicht, für dieses Land mit seinen großen Problemen eine stabile Regierung zu bilden", sagte Böhmer am Wahlabend schon zu einem Zeitpunkt, als das Ende der bisherigen Regierungskoalition sichtbar wurde, und die FDP um jede Stimme bangte. Einer derart geschwächten Koalition stand Böhmer sehr kritisch gegenüber. Mit ihm käme eine "Wackelkutsche" nicht in Frage, sagte er. Deutliche Absage für die Koalition mit der FDP.
Den Rechten bleibt der Weg in den Landtag am Magdeburger Domplatz auch künftig versperrt. Die 2,1 Millionen Wähler im Land zwischen Harz und Havel gaben ihnen kein Votum. Nur drei Prozent der Wähler stimmten für die Deutsche Volksunion (DVU). Offensichtlich blieben die Eskapaden der DVU-Fraktion von 1998 bis 2002 im Gedächtnis, die außer lautstarken Sprüchen jede sachliche parlamentarische Arbeit vermissen ließ.
Unter den 97 Abgeordneten im Landtag (2002: 115 Abgeordnete) wird es auch keinen Vertreter von Bündnis 90/Die Grünen geben, sie scheiterten mit 3,6 Prozent erneut an der Fünf-Prozent-Hürde.
Ohne Negativ-Schlagzeilen scheint Sachsen-Anhalt dennoch nicht auszukommen: die Wahlbeteiligung ist mit 44,4 Prozent (2002: 56,5 Prozent) die niedrigste, die es je in einem Bundesland bei Landtagswahlen gab. Im Wahlkreis Staßfurt gingen sogar nur 37,1 Prozent der Wahlberechtigten an die Wahlurnen. Bestürzt zeigte sich darüber Sachsen-Anhalts erster Ministerpräsident von 1990 bis 1991, Gerd Gies (CDU): "Vor 16 Jahren sind die Leute für freie Wahlen auf die Straße gegangen. Jetzt haben wir sie, doch sehr viele wählen nicht."
Während die Sozialdemokraten bei dieser Wahl mit 21,4 Prozent weniger als erhofft zulegen konnten (2002: 20 Prozent) und 24 Sitze im Landtag haben, freuten sich die Anhänger der Partei Die Linke.PDS über kräftigen Zuwachs. Mit 24,1 Prozent (2002: 20,4 Prozent) wurden sie erneut zweitstärkste Kraft im Land, ziehen mit 26 Mandaten ins Parlament und holten damit ihr bestes Ergebnis bei Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt. Wenn auch die FDP ihren Wahlkampf mit der Losung bestritt: "Wer Schwarz-Rot wählt, wird mit Rot-Rot aufwachen", konnten sie damit weder die eigene Niederlage noch den starken Zuspruch der Linken abwenden.
Es war dann auch die Linke.PDS, die den Sozialdemokraten schon am Wahlabend eine Koalition anbot. Rein rechnerisch ein stabiles Votum von 45,5 Prozent und 50 Sitze. "Wir bieten der SPD Gespräche an, die Tür dafür bleibt offen", sagte Spitzenkandidat Wulf Gallert. Schon einmal gab es im sachsen-anhaltischen Landtag zwischen 1994 und 2002 unter dem Begriff "Magdeburger Modell" eine SPD-Minderheitsregierung, die sich von der PDS-Fraktion tolerieren ließ. Dazu wird es nicht wieder kommen.
"Ich habe vor der Wahl klar gesagt, dass es keine rot-rote-Koalition geben wird", hatte SPD-Spitzenkandidat Bullerjahn bereits im Wahlkampf in "Das Parlament" betont. "Daran halte ich mich."
Wird es keine Sternstunde für Rot-Rot, bleibt nur die von den Liberalen so verteufelte Option Schwarz-Rot. Für Ministerpräsident Böhmer ist die SPD zwar "kein Wunschpartner, bestenfalls der Partner für eine Vernunftehe, eine Koalition auf Zeit". Am Ruder wird es Kapitän Böhmer dennoch nicht leicht haben, das Regierungsschiff auf Kurs zu halten.
Der als künftiger Finanzminister gehandelte SPD-Spitzenkandidat Bullerjahn hatte im Wahlkampf immer wieder betont, dass es nicht sein Ziel sei, das Land nur weiter zu verwalten. Das richtete sich deutlich gegen die bisherige Koalition. Für ihn sei es "ein wichtiger Schritt, in der Regierung zu sein, um im Land mitgestalten zu können". Was nichts weiter heißt, neue Ziele anzugehen.
Und Knackpunkte gibt es: Die CDU/FDP hatte gerade eine Neugliederung des Landes in künftig elf Landkreise für 2007 angesteuert. Bullerjahn will künftig nur wenige Großkreise für das Land, das immer mehr Einwohner verliert. Er moniert, dass es der bisherigen Koalition nicht gelungen sei, die Zahl der Arbeitslosen zu verringern. "Wir hatten 2002 etwa 20 Prozent Arbeitslosigkeit und wir haben heute 20 Prozent. Das kann doch keine Erfolgsbilanz sein", warf Bullerjahn dem Regierungschef im Wahlkampf vor. "Sie wollten die Neuverschuldung in der jetzigen Legislaturperiode auf Null fahren. Ergebnis aber ist: So viel Neuverschuldung wie jetzt gab es noch nie", zog er vor der Wahl sein Fazit.
Kräftig dreht sich im Land bereits das Personalkarussel: Während anstelle des bisherigen FDP-Finanzministers Paque nun wohl Bullerjahn die Landeskasse verwalten könnte, ist in den einstigen FDP-Ressorts Wirtschaft und Soziales alles offen. Spekuliert wird, man könnte die bisherigen Ressorts Wirtschaft und Arbeit wieder mit denen des Baus und Verkehrs vereinen. Karl-Heinz Daehre (CDU), im Land als kommunikativer und volkstümlicher Stratege beliebt, könnte es leiten. Auch als Nachfolger für den 70-jährigen Medizinprofessor Böhmer ist Daehre im Gespräch. Für das Wirtschaftsressorts käme aber auch der bisherige Wirtschafts-Staatssekretär Reiner Haseloff (CDU) in Frage, der als anerkannter Arbeitsmarktexperte gilt.
Als neue Sozialministerin wird Gerlinde Kuppe (SPD) gehandelt, hatte sie dieses Amt doch schon unter Reinhard Höppner bis 2002 inne. Petra Wernicke (CDU) könnte weiter für Umwelt und Landwirtschaft verantwortlich zeichnen, hat sie doch den schwierigen Spagat geschafft, die oft unterschiedlichen Interessenlagen im gegenseitigen Einvernehmen miteinander abzuwägen.
Der künftige Innenminister könnte wie bisher Klaus Jeziorsky (CDU) oder neu Thomas Webel heißen. Der Landrat des Ohrekreises und CDU-Landesvorsitzende hat aber noch eine starke Konkurrenz: Die SPD hält ihren Landeschef Holger Hövelmann als Kandidaten für prädestiniert.