Elke Ferner liebt die Farbe Rot: politisch und persönlich. Modische rot-schwarze Brille, orangene Strähnchen im rötlichen Kurzhaarschopf, rotschwarze Muster im Blusenblazer: im Gespräch mit "Das Parlament" in ihrem bescheiden eingerichteten Büro in der Saarbrücker Talstraße vermitteln auch ihre modischen Signale, dass hier jemand klare Positionen nicht scheut. Das Gesicht der Sozialdemokratin dürfte vielen in den vergangenen Wochen vertrauter geworden sein. Sie ist zur Zeit fast täglich bei den Medien gefragt. Das hängt mit ihrer neuen Rolle als stellvertretende Partei- und Fraktionsvorsitzende zusammen. Sie ist zuständig für Gesundheit und Soziales, also für das Feld, in dem jetzt die Reformschritte intensiv beraten werden.
Da gerät ein Termin schon fast in Vergessenheit: der 18. November 2005. Elke Ferner nahm im Paul-Löbe-Haus neben dem SPD-Parteivorsitzenden Matthias Platzeck Platz, um den 191-seitigen Koalitionsvertrag mit zu unterzeichnen - sie war die Frau im knallroten Blazer. Das tat sie unter anderem als neue stellvertretende Parteivorsitzende - mit einem sehr guten Ergebnis - mehr als 80 Prozent - im November 2005 in Karlsruhe gewählt. Die 47-jährige Ferner ist stellvertretende Sprecherin der Parlamentarischen Linken in ihrer Partei. Dass sie auch deshalb nominiert wurde, weil sie Frau und Repräsentantin des linken Flügels ist, schmälert ihren Karrieresprung nicht. Und als Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen (AsF) nutzt sie eine weitere politische Bühne, um ihr Engagement für das frauenpolitische Profil der Partei zu schärfen. Denn Frauenpolitik macht Elke Ferner seit fast 25 Jahren. Wenn sie sich jetzt auch viel intensiver mit Gesundheit und Soziales befasst, verliert sie die Frauenpolitik nicht aus den Augen. So ist es nachvollziehbar, dass es für sie auch nicht ganz schmerzfrei sein kann, wenn nun das Frauenressort in der Großen Koalition in UnionsHänden liegt.
Die burschikose Frau, EDV-Kauffrau und Programmiererin, verheiratet, keine Kinder, saß von 1990 bis 1998 im Deutschen Bundestag und dann wieder ab 2002. Die Wahl 2005 hatte es jedoch in sich: Sie schlug Oskar Lafontaine, holte das Saarbrücker Direktmandat mit 33,5 Prozent der Erststimmen vor der Kandidatin der CDU mit 29,8 Stimmen und dem Kandidaten der Partei "Die Linke" mit 26,2 Stimmen. Allerdings musste sie im Vergleich zur Bundestagswahl 2002 einen Verlust von 18,4 Prozentpunkten hinnehmen. Karrieren in der Politik sind wenig planbar. Darum weiß Elke Ferner, auch wenn sie in ihre eigene Geschichte zurückblickt. 1998 gehörte sie als Staatssekretärin im Bundesverkehrsministerium für zwei Jahre der Regierung an, bis Reinhard Klimmt ging und Kurt Bodewig kam und eine eigene Führungsmannschaft einsetzte. 2002 zog sie wieder in den Bundestag ein.
In der 16. Legislaturperiode gehört sie nun als stellvertretendes Mitglied den Bundestagsausschüssen für Arbeit und Soziales sowie Gesundheit an. Eine solche Funktion ist parlamentarische Tradition für Fraktionsvize. Und wie empfindet sie nun das Arbeiten in der Großen Koalition, nachdem mehr als die berühmten 100 Tage vorüber sind? "Ich habe da zwar nicht die direkte Vergleichsmöglichkeit. Mein Eindruck ist aber, dass es an manchen Stellen etwas schwieriger ist. Mit den Grünen gab es in vielen Politikfeldern ein gewisses gemeinsames Grundverständnis. Wir haben als Grundlage den Koalitionsvertrag, wo die wichtigsten Punkte sehr detailliert beschrieben sind. Daran muss man sich halten, auch wenn es einem an der einen oder anderen Stelle nicht so gefällt", fährt sie fort. Das gehe aber der anderen Seite auch nicht anders. Als Beispiel nennt sie die steuerliche Absetzbarkeit erwerbsbedingter Betreuungskosten. Diese stehe im Koalitionsvertrag eigentlich klar drin. Teile der Union, insbesondere der CSU meinten dann, es müssten die so genannten Einverdienerfamilien irgendwo ihre besondere Berücksichtigung finden. "Es gibt also ein anderes Familienbild in manchen Köpfen." Noch sieht Ferner die Großkoalitionäre in der Übungsphase. Aber es laufe bereits besser miteinander und das Vertrauen sei gewachsen.
Obwohl die Parlamentarierin schon vor langer Zeit beruflich EDV- gegen Parteiprogramme getauscht hat, profitiere sie immer noch davon, sagt sie, dass sie als Programmiererin gelernt habe, eine Sache von vorn bis hinten durchzudenken und dabei auch noch alle Verästelungen im Blick zu haben. Bei den anstehenden Reformprojekten Rente und Gesundheitssystem sicher ein Vorteil, wenn es endlich der große Wurf und nicht Stückwerk werden soll. Sie schreibt sich zu, gut zuhören und andere Meinungen auf sich wirken lassen zu können, um so zu einer umfassenden eigenen Meinung zu kommen. Und sie wäre nicht da, wo sie ist, ohne Stehvermögen. Wie sonst hätte sie fast 25 Jahre Frauenpolitik machen können, immer noch ein eigenständiges Politikfeld, eigentlich ein Querschnittspolitikfeld, findet Ferner. Alle stürzten sich zur Zeit auf die Familienpolitik. Doch sie ist überzeugt: "Wenn man eine gute und fortschrittliche Gleichstellungspolitik macht, dann hat man auch automatisch eine gute Familienpolitik." Das zeigten die europäischen Nachbarländer. Und nach Frankreich schaut sie natürlich sehr oft, zumal die grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Wahlkreis selbstverständlich ist. Die SPD-Politikerin versteht das kurzfristige Denken der Unternehmer in der Bundesrepublik Deutschland nicht. Diese müssten begreifen, dass sie ihre Zukunft verspielten, wenn sie heute immer noch die bestausgebildete Frauengeneration aus den Betrieben draußen halten oder es auch zulassen, dass durch lange Erziehungszeiten eine Dequalifizierung einsetze, die eigentlich nicht im betrieblichen Interesse ist.
Politisch und auch sonst über den Tellerrand zu schauen, fällt der heutigen Saarländerin, die im rheinland-pfälzischen Idar-Oberstein geboren ist, nicht schwer. Die Mitgliedschaft in der deutsch-französischen Parlamentariergruppe ist für eine Abgeordnete im Saarland ein Muss. In drei Minuten ist sie mit dem Auto in Frankreich. "Das Hin und Her der Deutschen und Franzosen ist schön. Ich würde sagen, wir sind hier nicht typisch deutsch", findet Ferner. Das und vieles mehr wie die Übersichtlichkeit und die kurzen, unbürokratischen Wege in der Kommunikation mag sie am Saarland und an Saarbrücken. In ihrem Wahlkreis sieht sie sich in der Rolle der Partnerin. Trotz aller Aufgaben sagt die Abgeordnete: "Wir wissen, das Leben zu genießen. Sie können hier im Prinzip in jede Kneipe gehen und bekommen etwas Gutes zu essen." Diesen Verführungen hat sie im vergangenen Jahr mit mehr Disziplin getrotzt und fast 30 Kilo abgespeckt. Einer Gesundheitspolitikerin steht es gut an, Vorbild zu sein.
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