Niedersachsen will mit einer tief greifenden Änderung in der Strafprozessordnung Absprachen in Strafprozessen regeln. Urteilsabsprachen könnten danach zu jedem Zeitpunkt nach der Eröffnung des Hauptverfahrens in der Hauptverhandlung getroffen werden. Außerhalb der Hauptverhandlung können auf Antrag des Angeklagten, des Verteidigers und der Staatsanwaltschaft sowie auf Anregung des Vorsitzenden Richters Möglichkeiten einer solchen Absprache gemeinsam erörtert werden, sofern die Anklageschrift bereits zugestellt ist. Inhalt und Ergebnis dieser Erörterung sollen durch den Vorsitzenden aktenkundig gemacht werden und sind in der Hauptverhandlung mitzuteilen.
Im Alltag der Strafgerichte, so erläuterte die Niedersächsische Justizministerin Elisabeth Heister-Neumann (CDU), bestimmten das Geschehen in besonderen Fällen Urteile, bei denen Absprachen zwischen den Beteiligten über die Höhe des Strafmaßes vorangegangen waren. Dies gelte insbesondere bei Wirtschaftsstrafverfahren, bei Strafverfahren mit Bezügen zur organisierten Kriminalität sowie bei schweren Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung. Diese Praxis könne man einerseits zu Recht kritisch hinterfragen. Fest stehe jedoch, dass diese Absprachen angesichts immer umfangreicher und komplexer werdenden Strafverfahren ein nicht mehr wegzudenkendes Instrument für die Rechtspraxis bilden. Daher gelte es Regelungen zu finden, mit denen Gerichte auf einem vereinfachten und beschleunigten, aber gleichwohl rechtsstaatlich einwandfreien Weg Urteile fällen zu können. Der niedersächsische Antrag sehe daher unter anderen vor, Absprachen nur nach einem qualifizierten und überprüfbaren Geständnis des Angeklagten zuzulassen. Des Weiteren dürfe lediglich über das Strafmaß, nicht jedoch über einen eventuellen Schuldspruch gesprochen werden. Eine Urteilsabsprache könne schließlich auch nur zustande kommen, wenn das Gericht, die Staatsanwaltschaft, der Angeklagte und auch sein Verteidiger zustimmen.
Ein besonderes Anliegen, so Heister-Neumann, sei es, dass die Rechte der Verletzten auch im Rahmen einer Absprache gewahrt bleiben. Ihnen müsse Geltung und wirkungsvoll Gehör verschafft werden. Eine Urteilsabsprache, die den Belangen der Geschädigten keine ausreichende Beachtung schenke, komme nicht in Betracht. Schließlich könne nur dann von einem Urteil eine befriedigende Wirkung ausgehen, wenn die Opferrechte ernst genommen würden. Die Justizministerin äußerte sich überzeugt davon, mit dem Entwurf eine ausgewogene und an den Bedürfnissen der Praxis orientierte Regelung für Absprachen geschaffen zu haben. Er trage dazu bei, das Funktionieren der Strafrechtspflege auf Dauer sicherzustellen, auch indem er personelle und finanzielle Ressourcen der Justiz schone. Er diene insgesamt der Herbeiführung des Rechtsfriedens.