Manche Bücher erhalten durch spektakuläre Ereignisse eine unvorhersehbare Aktualität. So dieses Buch, in dem Clemens Verenkotte die jüngste Entwicklung im Nahen Osten analysiert. Die Aktualität bezieht der Band zum einen durch die Entführung von Susanne Osthoff, die Geheimflüge der CIA über deutschem Luftraum und die umstrittenen Aktivitäten des Bundesnachrichtendienstes im Irak. Ereignisse, die eindringlich zeigen, dass Deutschland, ob es will oder nicht, in die Vorgänge im Irak unmittelbar einbezogen wird.
Verenkotte, der in Bonn, Berlin und in Washington als Korrespondent tätig war, erweist sich als hervorragender Kenner der amerikanischen Politik im Nahostkonflikt. Zwar spielt der Irak-Krieg bei ihm eine wichtige Rolle. In den Vordergrund rückt er aber den Iran, und es ist bezeichnend, dass das erste Kapitel "Der nächste Krieg" heißt. Der Iran bleibe der vorrangige "Sponsor des Terrors", hatte US-Präsident George W. Bush nach der Wiederwahl in seiner Rede zu Lage der Nation gesagt. Auch später sollte Bush immer wieder den Zusammenhang herstellen zwischen Massenvernichtungswaffen und Diktatur, zwischen Gefahren für Amerika und dem Vorwurf des staatlich unterstützten Terrors. Bushs martialisches Vokabular sollte darüber hinwegtäuschen, dass die USA es versäumt hatten, eine schlüssige Iran-Politik zu definieren.
Der Iran bleibt im Fadenkreuz der Hardliner in Washington, obwohl, wie Verenkotte darlegt, jeder militärische Angríff auf den Iran größte strategische Risiken in sich bergen würde. Dazu gehöre die Möglichkeit des Irans, die antiamerikanische Gewalt im Irak noch stärker anzufachen. Außerdem wäre der Iran als zweitgrößter Produzent der OPEC jederzeit in der Lage, die Ölpreise in die Höhe zu treiben und der Weltwirtschaft schweren Schaden zuzufügen. Schließlich seien die Erkenntnisse der Geheimdienste so lückenhaft, dass auch bei mehrtägigen Militärschlägen nicht garantiert werden könnte, dass vermutete iranische Atomwaffenpotenzial auch wirklich auszuschalten.
Ausführlich beschäftigt sich der Autor mit den widerstrebenden Interessen der USA und der Euro-päer hinsichtlich des iranischem Atomprogramms. Während das "alte Europa" den Iran zu einem Beispiel für den Erfolg "eines außenpolitischen Gegenkonzepts zur Bush-Doktrin" mache und iranische Sicherheitsinteressen garantieren wolle, hielten die USA an massiven Drohungen und - als letztem Mittel - an der militärischen Option fest.
Das zweite Kapitel hat den Titel "Das Ende der Illusionen" und zielt auf die deutsche Haltung während des Irak-Krieges. Es sei das eine, so die Quintessenz des Autors, als Bündnispartner die Fehler der USA im Irak offen beim Namen zu nennen. Das andere sei die nüchterne Erkenntnis, das sich Deutschland aus wohlverstandenem Eigeninteresse den Erfolg der Weltmacht im Irak wünschen muss. Die scheinbar sichere Distanz zur Entwicklung im Irak, so Verenkotte, habe sich als Selbsttäuschung erwiesen. Daher müsse Verantwortung übernommen werden, "damit wir uns nicht auf Dauer mit dem Ende der friedlichen Gesellschaft abfinden müssen".
Clemens Verenkotte
Das Ende der friedlichen Gesellschaft.
Deutschlands Illusionen im globalen Krieg.
Droemer Verlag, München 2005; 336 S., 19,90 Euro