Das Saarland hat sein Thema für das Sommertheater gefunden: Der Streit um die von der CDU-Regierung geplante Verwaltungsreform und besonders um die Abschaffung des Stadtverbands Saarbrücken bringt die Gemüter gehörig in Wallung. "Die haben nicht mehr alle Tassen im Schrank", wettert SPD-Oppositionsführer Heiko Maas, der den "Dilettantismus in der CDU" geißelt. Der FDP-Vorsitzende Christoph Hartmann wirft Ministerpräsident Peter Müller einen "Zickzackkurs ohnegleichen" vor. Grünen-Chef Hubert Ulrich meint, angesichts des Widerstands an der eigenen Parteibasis habe der Regierungschef inzwischen wohl doch kalte Füße bekommen. Der FDP-Abgeordnete Manfred Baldauf hegt den Verdacht, das Vorgehen der CDU gegen den Stadtverband Saarbrücken sei "parteipolitisch motiviert" - weil in diesem von der Hauptstadt und mehreren Umlandgemeinden getragenen Gebilde die Union nie habe Führungspositionen besetzen können. SPD-Fraktionsvize Cornelia Hoffmann-Bethscheider ortet Müllers "Demokratieverständnis auf dem Nullpunkt".
Die geballte Ladung oppositioneller Kritik dürfte indes nur das Vorspiel sein für die anrollenden Konflikte, wenn es jetzt richtig ernst wird. Anfang dieser Woche will die Spitze der Saar-CDU das Konzept für den Neuzuschnitt der Zuständigkeiten von Gemeinden, Kreisen und Landesbehörden beschließen, dann wird Innenministerin Annegret Kramp-Karrenbauer einen Gesetzentwurf erarbeiten, der im Parlament beraten werden soll. Verwaltungsreformen interessieren das gemeine Volk eher mäßig, fungieren aber umso mehr als Aufreger im Politikbetrieb - schließlich stehen Macht, Einfluss und Posten auf dem Spiel.
Das Saarland mit einem Schuldenberg von mehr als acht Milliarden Euro muss massiv sparen. Hinter Schlagworten wie Modernisierung, Effizienzsteigerung, Verschlankung, Veränderungsbedarf oder Bürokratieabbau verbirgt sich stets das Streben nach Kostenreduzierung. Der Berliner Staatswissenschaftler Joachim Jens Hesse, der im Herbst 2004 mit einem Gutachten über Verwaltungsstrukturen an der Saar die Debatte anstieß, sieht ein Sparpotenzial von jährlich rund 70 Millionen Euro. Hesse schlägt vor, aus den fünf Landkreisen und dem Stadtverband zwei Landkreise und einen Stadtkreis Saarbrücken zu machen.
Nun, so wird es wohl nicht kommen. Ob aus der Entlastung von 70 Millionen Euro etwas wird, steht ebenfalls dahin. Kramp-Karrenbauer will vorerst keine Prognosen über Spareffekte abgeben. Das Konzept der CDU läuft im Kern darauf hinaus, die Landkreise zu entmachten: Deren Zuständigkeiten sollen zum Teil auf Landesbehörden oder auf Kommunen übertragen werden. Welche Kompetenzen verlagert werden, ist noch nicht entschieden. Im Gespräch ist etwa, das Veterinär- und Wasserwesen, die Lebensmittelüberwachung oder die Kommunal- und Standesamtsaufsicht dem Land zuzuordnen. Die Gewerbeaufsicht wiederum könnte auf Gemeinden übergehen. Andere Aufgaben wie beispielsweise Wirtschaftsförderung sollen die Rathäuser selbst managen oder in die Obhut der Kreise geben können. Die fünf Landkreise dürften wohl bestehen bleiben, der Stadtverband Saarbrücken indes soll neu geordnet werden - und dessen Zukunft ist es, die für Wirbel sorgt.
Dieser Zoff verwundert nicht: Der 1974 gegründete und seither von SPD-Politikern regierte Stadtverband, in dessen Einzugsbereich ein Drittel aller Saarländer lebt, ist ein Machtfaktor. Ministerpräsident, Saarbrücker Rathauschef, Stadtverbandspräsident: Diese drei Schaltstellen gelten in dieser Abfolge als die wichtigsten Positionen an der Saar. Für Saarbrücken und das Umland erledigt der Stadtverband, dessen Politik von einem direkt gewählten Parlament und einem ebenfalls per Volkswahl bestimmten Präsidenten verantwortet wird, zahlreiche Aufgaben, etwa im Bereich Jugend und Soziales, als Schulträger, beim Bau, bei der Betreuung von Hartz-IV-Langzeitarbeitslosen oder bei Gesundheitsdiensten.
Ministerpräsident Müller gibt dieser Organisation keine Zukunft mehr. Zwischen diesem Gebilde und der Stadt Saarbrücken werde viel Arbeit doppelt erledigt, da lasse sich Geld einsparen. CDU-Fraktionsvize Klaus Meiser sieht "Reformbedürftigkeit". Dass die Opposition hinter solchen Argumenten andere Motive wittert, ist freilich nicht aus der Luft gegriffen. Müller läutete nämlich das Totenglöcklein für den Stadtverband, als kurz zuvor im Frühjahr dessen SPD-Präsident Michael Burkert mit 54 Prozent im Amt bestätigt worden war. Der Regierungschef argumentiert, die mit nur 21 Prozent extrem niedrige Beteiligung bei diesem Urnengang habe gezeigt, dass das Modell Stadtverband "bei den Bürgern nicht angekommen ist".
Burkert kontert: "Erst lässt man für 1 Million Euro wählen, dann ist das Ergebnis nicht genehm." Der SPD-Politiker hält Müller vor, den Stadtverband vor dem Urnengang als bundesweites Vorzeige-Modell gepriesen zu haben und betreibe nun dessen Ende. Burkert insistiert, dass sich der Stadtverband bewährt habe und wie die anderen Kreise "effizient und bürgernah" arbeite. Bei nur einem Prozent der Verwaltungstätigkeit, etwa bei der Bauaufsicht, könne man von Parallelbeschäftigung zwischen Stadtverband und Mitgliedskommunen sprechen.
Wie die Verwaltungsreform an der Saar einmal aussehen wird, ist offen. Zur Freude der FDP, die wie die SPD den Stadtverband verteidigt und in dessen Parlament der CDU den Bruch der Koalition angedroht hat, ist die Union von ihrer Absicht wieder abgerückt, einen Zweckverband mit einem nicht direkt gewählten Vorsteher und einer Bürgermeisterversammlung als Träger zu schaffen: Neuerdings plädieren die CDU-Kreisverbände Saarbrücken-Stadt und -Land für einen "Regionalverband" mit einer gewählten Volksvertretung, aber anders zugeschnittenen Aufgabenfeldern und mit mehr Einfluss der Rathauschefs.
Momentan kursiert ein Potpourri an Vorschlägen. Die Grünen wollen die fünf Landkreise auf zwei reduzieren, aus dem Stadtverband soll eine "dezentrale" Großstadt Saarbrücken werden. Die FDP plädiert für insgesamt drei Landkreise. SPD-Mann Burkert und seine Partei setzen vor allem auf mehr Effizienz innerhalb des gegenwärtigen Rahmens. Allerdings kann Saarbrückens Rathauschefin Charlotte Britz der von Müller angestoßenen Debatte auch Positives abgewinnen: Die SPD-Politikerin erhofft sich von einer "Umstrukturierung des Stadtverbands" mehr Kompetenzen für Saarbrücken - was auch mehr Macht für die Oberbürgermeisterin mit sich brächte.