In Pakistan, in Dschibuti, am Suezkanal und in Singapur wird China durch riesige Investitionen zum Teilhaber an Hafenanlagen. Libyen, Syrien und Iran zählen zu den Hauptabnehmern chinesischer Waffenlieferungen. Im UN-Sicherheitsrat bremst Peking immer mal wieder, wenn es um die Verhängung von Sanktionen etwa gegen Iran oder den Sudan geht. Die chinesische Marine wird modernisiert. In jüngerer Zeit präsentiert sich Peking als Förderer erneuerbarer Energien und richtete sogar schon eine weltweite Konferenz zur Windkraft aus. Japan hat sich zum Marktführer bei Photovoltaik gemausert: Die Hälfte der global produzierten Solarzellen stammt aus Nippon. In Taiwan sind vier Prozent der Haushalte mit Sonnenkollektoren ausgestattet, mit dieser Quote rangiert das Land hinter Israel und Zypern auf Platz drei.
All diese Meldungen scheinen nicht viel miteinander zu tun zu haben. Indes beleuchten sie die enorme und brisante Dynamik eines hierzulande in seiner Tragweite noch kaum registrierten Phänomens: nämlich des wachsenden Energiehungers im ostasiatischen Raum samt des damit verbundenen weltweiten Konfliktpotenzials. Xuewu Gu und Kristin Kupfer haben jetzt einen Band vorgelegt, in dem mehrere Politik- und Wirtschaftswissenschafler die Energiepolitik Chinas, Japans, Taiwans sowie Süd- und Nordkoreas durchleuchten und die Wachstumsregion sezieren.
Es ist ein trockenes Sachbuch, flott zu lesen sind Analysen und Statistiken über Ölbedarf, Kohleeinsatz und Fünf-Jahres-Pläne in China, über die Gigawattleistung der 51 japanischen Atomkraftwerke, über den sektoral aufgeschlüsselten Energieverbrauch in Südkorea oder über Pipeline-Projekte zwischen Russland, China und Japan gewiss nicht. Gleichwohl offenbart sich zwischen all den Daten und Zahlen ein hohes Maß an Spannung: So fern Ostasien als Heimat eines Drittels aller Erdenbürger auch liegt, so zeitigt die dortige Energiepolitik doch auch Folgen für hiesige Hausbewohner und Autofahrer, die unter hohen Heiz- und Benzinpreisen leiden. "Mit seinem rapiden Wirtschaftswachstum gilt China als der Staat, welcher die globale Energiesicherheit in Zukunft am schwersten belasten könnte", bilanzieren Gu und Kupfer. Zwar konsumiert die Volksrepublik bislang nur knapp acht Prozent des weltweiten Ölverbrauchs, doch wird ein rasanter Zuwachs von jährlich zwölf Prozent erwartet, schon heute ist das Riesenreich nach den USA der zweitgrößte Ölimporteur. Es lässt sich wahrlich nicht behaupten, dass die europäische Politik dieser Dramatik bereits gebührend Rechnung trägt.
Das Buch kommt bei aller Nüchternheit wie eine faktenreich untermauerte Warnung daher. Peking wird zum mächtigen Konkurrenten bei der Ausbeutung der Energieressourcen. Bisher wenig beachtet, kaufen sich staatliche Firmen aus China vielerorts in Erdölfelder ein, Azerbaidschan, Venezuela, Iran, Nigeria, Angola, Sudan oder Ägypten sind einige Beispiele, selbst in Kanada mischen sie mit. "Ölpartnerschaft" heißt es, wenn Peking in diverse Länder Waffen exportiert. Und das Erstarken der chinesichen Marine hat auf längere Sicht auch etwas mit der Sicherung der Seewege bei Malaga oder den Spratly-Inseln für Öltanker zu tun.
Der Druck auf den Ölmarkt ist ohne Zweifel der zentrale Aspekt des wachsenden Energiehungers Ostasiens. Die Verfasser des Buchs legen den Finger aber auch in eine andere schwärende Wunde, nämlich die von dieser Region in erheblichem Maße mit verursachte Klimakatastrophe. Schon 2000 produzierten die fünf ostasiatischen Länder ein Fünftel der Treibhausgase auf dem Globus. Bis 2030 dürfte sich der Kohlendioxidausstoß allein in China mehr als verdoppeln: Ursache ist in erster Linie die zunehmende Verfeuerung der riesigen Kohlevorräte. Bei der Modernisierung alter und ineffizienter Kraftwerke eröffnen sich übrigens Chancen für Technik und Knowhow aus Europa, ein in dem Band nicht thematisierter Aspekt. Alles andere als erbaut dürften Atomkraftgegner sein von Maximilian Mayers und Frank Umbachs Plädoyer für den Einsatz der Nuklearenergie in China und Japan, wobei das Buch Probleme wie die Atommüllentsorgung oder lokale Widerstände gegen Kernkraftwerke nicht verschweigt.
Der ostasiatische Energiehunger markiert natürlich auch für die dortigen Staaten selbst eine gewaltige Herausforderung. Südkorea etwa ist besonders stark von Energieimporten abhängig, was die Krisenanfälligkeit erhöht. Kritisch merken Gu und Kupfer an, dass eine eigentlich gebotene Politik zur gemeinsamen Sicherung der Energieversorgung bislang wegen divergierender Interessen und Territorialstreitereien noch nicht weit gediehen ist. Ein Beispiel sind die Schwierigkeiten zwischen Moskau, Peking und Tokio beim Bau von Öl- und Gas-Pipelines. Die Notwendigkeit einer Drosselung des Energiekonsums durch mehr Sparen und Technikeffizienz wird zwar beschworen, deren Realisierung steckt aber noch in den Anfängen. Und in Südkorea, Japan und China hat sich beim Ausbau erneuerbarer Energien zwar manches getan, doch liegt deren Anteil in allen drei Ländern erst zwischen ein und zwei Prozent.
Die angesichts der Datenfülle zuweilen etwas mühselige Lektüre trägt auch dazu bei, die Maßstäbe der Auseinandersetzungen hierzulande etwas zurechtzurücken. Ob 200 oder 300 Euro Förderung für den Rußfilter, ob einige Cent Subvention mehr oder weniger für Windstrom, ob der Benzinpreis um fünf Cent steigt oder fällt: Die Texte des Bands lassen erahnen, dass es mit der Brisanz dieser Fragen angesichts des Konfliktpotenzials der ostasiatischen Energiepolitik vielleicht doch nicht so weit her ist.
Xuewu Gu / Kristin Kupfer: Die Energiepolitik Ostasiens. Campus Verlag, Frankfurt/Main 2006; 216 S., 29,90 Euro.