Ein Schriftsteller hält inne, blickt zurück in die frühen Kindheitstage, auf das eigene literarische Werk, macht sich zum Fürsprecher seiner Berufskollegen und setzt sich mit manchen Fehlentwick-lungen in der heutigen Verlags- und Medienszene auseinander. Der 65-jährige Kölner Autor Wolfgang Bittner hat einen Band mit Essays und Vorträgen vorgelegt, der Autobiografisches mit Gesellschafts- und Kulturkritik verbindet.
Der gebürtige Oberschlesier hat sich in den vergangenen Jahren mehrfach zum deutsch-polnischen Verhältnis geäußert, und auch in diesem Band nehmen eigene Erlebnisse einen breiten Raum ein. Besonders erschütternd ist die Schilderung der Flucht mit der Mutter im Alter von vier Jahren von Gleiwitz ins Aufnahmelager nach Ostfriesland. Prägend auch die Ablehnung, die den Ankömmlingen von Seiten der alteingesessenen Bevölkerung entgegenschlug. Bittner studierte Jura und wurde Rechtsanwalt, entschied sich aber bald für die Schriftstellerei. Besonders als Autor von Abenteuerromanen für Jugendliche hat er sich einen Namen gemacht.
Wie viele seiner Altersgenossen verschlang er in jungen Jahren die Bücher von Jack London und Robert Louis Stevenson, von Jules Verne und Friedrich Gerstäcker. Mit ihren Abenteuergeschichten ist er groß geworden. Für die heutige Jugend empfiehlt der Autor daher eine "Lese-Kultur gegen Gewalt", wie es in einem Essay heißt. In den Medien, vor allem im Fernsehen, sieht er "negative Vorbilder", Sex und Crime, Kitsch und Schund dominierten die Programme. Computerspiele und Videos statt Abenteuerspielplatz, darin sieht er eine Ursache der zunehmenden Gewalt unter Kindern und Jugendlichen. Bittner empfiehlt Leseförderung und ein Netz von Bibliotheken und Jugendzentren. Ihn selbst hat die Abenteuerlust nie verlassen. Als Erwachsener verbrachte er längere Zeit in Kanada. Sieben seiner etwa 50 Bücher spielen in dem Land. In den Essays "Meine Abenteuer in Kanada" und "Das Abenteuer in der Literatur" offenbart der Autor seine Vorlieben.
Bittner sagt aber auch, was ihn an den heutigen Lektoren und Redakteuren stört, denen er die Produkte seines schriftstellerischen Schaffens anbietet. In der Bestandsaufnahme "Deutsche Kinder- und Jugendliteratur" beklagt er etwa, dass der Deutsche Jugendliteraturpreis überwiegend an ausländische Autoren vergeben wird: "Man ignoriert oder boykottiert hiesige Autorinnen und Autoren, macht ihnen das Leben schwer und verleidet ihnen das Schreiben." Viele Autoren klagten über eine zunehmende Inkompetenz der Verlagsmitarbeiter "nicht nur in den Lektoraten, sondern auch in Werbung, Öffentlichkeitsarbeit und im Vertrieb". Verlagsleiter und Cheflektoren der großen Verlage seien für Autoren, die nicht auf der Bestsellerliste stehen, gar nicht mehr erreichbar.
Bittners Überlegungen sind lesens- und bedenkenswert. Sie sind nicht nur für die Insider im Literaturbetrieb geschrieben, sondern bieten auch viele Anregungen für Eltern, die nach geeigneter Literatur für ihre heranwachsenden Kinder Ausschau halten.
Wolfgang Bittner: Schreiben, Lesen, Reisen. Essays und Vorträge. Athena-Verlag, Oberhausen 2006; 116 S., 12,90 Euro.