Warum wenden sich junge Muslime, die scheinbar gut in Europa integriert sind, islamistischen Bestrebungen zu? Warum folgen Kinder der zweiten und dritten Einwanderungsgeneration den Parolen radikaler Prediger zu? Diese Fragen stellen sich die drei Journalisten Souad Mekhennet, Claudia Sautter und Michael Hanfeld in ihrem Buch "Die Kinder des Dschihad". Sie bezeichnen es als "Reportagebuch". Und in der Tat enthält es die kommentierten Protokolle zu zahlreichen Gesprächen, die in Deutschland und anderen Ländern mit Aktivisten und Sympathisanten der Dschihad-Variante des Islamismus geführt wurden.
Zunächst geht es allerdings um einen Rückblick auf den Streit um die Karikaturen einer dänischen Zeitung und die "Reislamisierung" durch Konflikte in Bosnien, Tschetschenien und im Irak. Danach schildern die Autoren Beobachtungen und Eindrücke von Besuchen und Gesprächen bei den "Kinder des Dschihad". Die Stationen reichen von einer Ulmer Gruppe und dem Umfeld der Londoner Attentäter von 2005 über die Koranschulen der Taliban und das Umfeld der Täter von Casablanca bis zum Irak als Rekrutierungsfeld einer neuen Mudschaheddin-Generation. Abgeschlossen wird das Buch durch Ausführungen über die Internet-Nutzung von Islamisten und deren geistige Väter in Gestalt von Sayyid Qutb, Osama Bin Laden und Abu Al-Zarqawi.
Gerade die Beschreibungen von einzelnen Szenen machen die Dimension der islamistischen Gefahr deutlich. So schildern die Autoren gleich einleitend ein Gespräch, das ein deutscher Polizist mit einem Fünfjährigen führte. Auf die Frage "Was willst Du später einmal werden?" antwortet er: "Ein Mudschahed, der Ungläubige tötet." Auch die anderen Berichte von Gesprächen und Interviews beeindrucken durch ihre Authentizität, tauchen die Leser doch so in die geistige Welt der Islamisten ein.
Gleiches gilt für die Berichte über Internet-Propaganda, zeigen diese doch in Verbindung mit einigen Abbildungen wie schon Kinder und Jugendliche agitiert werden. Bei all dem bleiben die Autoren aber leider stehen. Die eigentliche Fragestellung ihrer Veröffentlichung bildet keinen Gegenstand ausführlicherer Analysen und Reflexionen, beschränkte man sich doch auf knappe Anmerkungen und Kommentare. Ein starker Beginn mit interessantem Ansatz führt leider nur zu einem schwächeren Ende mit reiner Beschreibung.
Souad Mekhennet, Claudia Sautter und Michael Hanfeld: Die Kinder des Dschihad. Die neue Generation des islamistischen Terrors in Europa. Piper Verlag, München 2006; 233 S., 14 Euro.