John Pike ist einer der wichtigsten Militärfachleute der Vereinigten Staaten. Er betont: "Spektakuläre Anschläge in den Vereinigten Staaten hat es seit dem 11. September nicht mehr gegeben. Ein Grund für diesen Erfolg ist ganz gewiss, dass man die Geldströme des Terrors heute besser kontrolliert." Pike kennt die offiziellen und vertraulichen Abwehrmaßnahmen der amerikanischen Regierung gegen den Terror. Trotz der vielen Maßnahmen ist er vorsichtig mit Prognosen: "Ob das alles nur temporär hilft oder uns dauerhaft schützen kann, bleibt abzuwarten."
Als die New York Times im Juni 2006 über ein geheimes Programm amerikanischer Nachrichtendienste berichtete, mit dem weltweit Geldströme überwacht werden, waren Datenschützer besorgt. Das amerikanische Finanzministerium hatte eingestanden, dass sich die Ermittler seit langem schon Zugang zu Daten der "Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication" (Swift) verschafft hatten. Der Datenknotenpunkt Swift "wickelt in fast allen Staaten der Welt den Finanzverkehr von rund 8.000 Banken ab. Die Swift-Zentrale liegt im Brüsseler Vorort La Hulpe. Nach amerikanischen Angaben sollen vor allem die Kontodaten von Terrorverdächtigen überprüft worden sein. Das Programm habe dabei geholfen, gesuchte Terroristen zu fassen, behaupten amerikanische Dienste. Swift hatte die Zusammenarbeit mit dem Finanzministerium und die Übermittlung der Daten bestätigt.
Fünf Jahre nach den Anschlägen des 11. September 2001 können Terroristen somit sicher sein, dass jeder verdächtigen Überweisung umgehend diskrete Ermittlungen folgen. Auch beim deutschen Bundesnachrichtendienst (BND) ist die Bekämpfung der Terrorfinanzierung längst zu einer vorrangigen Aufgabe geworden. Bei näherer Betrachtung jedoch wird deutlich: Terroristen meiden weitgehend die westlichen Finanzsysteme. Die Sicherheitsmaßnahmen treffen somit viele - nur nicht mutmaßliche Terroristen.
Denn Terroristen benötigen von Jahr zu Jahr weniger Geld für Anschläge. Eine der wichtigsten Erkenntnisse der vergangenen Jahre lautet: Terroristen brauchen für Attentate keine Reichtümer. Die Auffassung, wonach sie dafür Millionen, ja gar Milliarden um die Welt transferieren, ist ein Mythos. Die Kosten für Vorbereitung und Ausführung von Attentaten nehmen seit Jahren ab. "Wenn ich sehe, wie billig es heute ist, einen Anschlag zu planen und durchzuführen, dann sehe ich keine Chance, das schnell einzudämmen", sagt der Terrorexperte Rolf Tophoven. Kosteten die Anschläge auf das World Trade Center 2001 noch bis zu einer halben Million Dollar, so waren für die nachfolgenden Anschläge von Bali, Istanbul und Madrid weitaus geringere Summen nötig: Die Attentate von Madrid (mehr als 200 Tote) haben nachweislich weniger als 10.000 Euro gekostet. Für den Anschlag in London vom 7. Juli 2005, der mehr als 50 Menschen tötete, sollen sogar nur wenige hundert Euro nötig gewesen sein; Geld, das die Attentäter in Großbritannien mit Rauschgifthandel verdient hatten.
Nur die Ausbildung von Terroristen in geheimen Trainingslagern und die Verbreitung der dahinter stehenden unheilvollen Ideologie bleiben teuer. Auf diesem Gebiet werden nach wie vor hohe Summen benötigt und verschoben. Zwar gibt es Maßnahmen gegen Geldwäsche. Doch diese greifen nicht, wenn die Terroristen die herkömmlichen Finanztransaktionswege schlicht ignorieren. So ist etwa das Hawala-Banking nicht reguliert. Eine Hawala-Überweisung erfolgt mit minimalem Papieraufwand und wird garantiert nirgendwo elektronisch gespeichert. In diesem System werden Geldströme per Handschlag über private Treuhänder nur mit einem Codewort um die Welt geleitet. Wer aus Dortmund schnell und ohne Spuren Geld nach Bagdad transferieren will, der hat die Auswahl unter mehr als zehn einschlägig bekannten Hawala-Stuben - die offiziell Imbissstände oder Lebensmittelgeschäfte sind. Man gibt das Geld ab, es verschwindet in einem Tresor, der Kunde erhält nur einen Zettel mit einer Buchstaben- oder Ziffernfolge. Diese wird per Fax oder Telefon an einen Hawala-Partner in Bagdad übermittelt. Wer dort die betreffenden kryptischen Zeichen kennt, erhält ohne viel Aufheben das Geld. Auch Al-Qaida verwendet diese Art der diskreten Geldüberweisung - oder benutzt persönliche Kuriere, die das Geld von Land zu Land verschieben und keine elektronischen Spuren hinterlassen.
Wer aber finanziert den Terrorismus? In einem amerikanischen "Bericht über Geldwäsche-Typologien und Typologien der Finanzierung des Terrorismus" heißt es, dass insbesondere gemeinnützige Organisationen im Verdacht stünden, den Terror finanziell zu unterstützen: "Sie genießen das Vertrauen der Öffentlichkeit, haben Zugang zu beträchtlichen Mitteln und sind oftmals cash-intensiv." Neben dem offiziellen Sammeln von Geldern beunruhigen international tätige Fachleute vor allem "informelle Geldsammelaktionen in vielen ethnischen oder religiösen Gruppen". Das Missbrauchspotential, so heißt es in dem Bericht, sei offensichtlich: "Durch tatsächliche oder vorgebliche Sammelaktionen können Einnahmen aus kriminellen Aktivitäten, die von Terrorgruppen durchgeführt wurden, leichter ins legale Finanzsystem integriert werden. Diese Mittel werden dann als legitime mildtätige Sammlungen für eine gemeinnützige Organisation ausgegeben, und daher stellt dieser Vorgang eine Art der Geldwäsche für terroristische Zwecke dar."
Islamische Wohltätigkeitsorganisationen und Zentren, die ebenfalls eifrig Spenden sammeln, werden von Ermittlern schon lange misstrauisch beäugt. Alle Wohltätigkeitsorganisationen geben vor, das Geld für Waisenhäuser, Schulen und gewaltfreie Mission zu sammeln. Viele halten sich auch daran - doch nicht alle. Und wer will als Außenstehender erkennen, ob Spenden seriösen Zwecken oder dem Terror dienen? Nur selten werden deshalb von den Sicherheitsbehörden Vereine in Deutschland verboten, so etwa der Aachener Verein Al Aksa e.V. Er hatte Gelder für die palästinensische Hamas beschafft.
Manchmal sind unverdächtige Geschäftsleute die Helfershelfer der Terroristen - etwa Verkäufer von nebenan: Autohändler aus ganz Europa, die insgeheim mit den Hintermännern des Terrors sympathisieren, ebnen Imamen extremistischer Koranschulen aus dem Nahen Osten den Weg. Sie verschicken Einladungsschreiben, in denen sie Geschäftsbeziehungen zwischen den Islamisten und dem eigenen Autohaus bescheinigen. So kommen die Extremisten an ein Visum für einen Deutschlandbesuch. Nach der Einreise holen die Terror-Botschafter bei den vermeintlichen islamischen Wohltätigkeitsorganisationen das gesammelte Geld ab. Sie kaufen damit Autos, die sie in ihre Heimat exportieren - und dort wieder verkaufen. Das für "gute Zwecke" gespendete Geld fließt so in die Taschen der Terroristen, ohne dass sich dabei auch nur einer der Beteiligten strafbar macht. Die Behörden stehen dem Treiben ohnmächtig gegenüber: Sollen sie etwa die Ausfuhr von Gebrauchtfahrzeugen untersagen?
Ein weiteres Betätigungsfeld der Terror-Finanzierer ist der Telefonkartenbetrug. Den Angaben zufolge macht ein vor allem in Westeuropa tätiges Netzwerk von Call-Shop-Betreibern mit gestohlenen Sprechzeiten über Billig-Telefonläden jährlich Reingewinne von mehreren hundert Millionen Euro. Die Betrugsmethoden reichen vom Insolvenzbetrug über das Anzapfen ungeschützter Telefonanlagen bei Großunternehmen bis hin zu illegalen Anrufweiterschaltungen in Call-Shops. Auch die Telefonanlage der Deutschen Bundesbank wurde im Sommer 2002 von Telefonkartenbetrügern angezapft. Allein in diesem Fall entstand ein Schaden von 100.000 Euro. Mehr als hundert deutsche Unternehmen sollen mittlerweile von den Telefonkartenbetrügern geschädigt worden sein.
Neben Spenden und Zuwendungen finanziert sich Terror auch aus klassischer Kriminalität: Rauschgifthandel, Schutzgelderpressung, Schleusungskriminalität und Dokumentenfälschung. Deshalb ist es wichtig, der Schnittstelle zwischen Organisierter Kriminalität und Terrorfinanzierung größere Aufmerksamkeit zu widmen. Das aber ist eine Schwachstelle bei der Terrorbekämpfung. Organisierte Kriminalität und Terrorfinanzierung werden in fast allen westlichen Staaten noch immer als zwei getrennte Phänomene betrachtet. Doch wirksam bekämpfen kann man sie nur, wenn man ihr Zusammenspiel kennt.