Auf Seiten der afghanischen Glaubenskrieger kämpften etwa 35.000 radikale Muslime aus 43 islamischen Ländern. Diese Kriegsfreiwilligen kamen aus Nord- und Ostafrika, dem Nahen und Mittleren Osten, Zentral- und Südostasien, aber auch aus Fernost und selbst aus Europa. Mehrheitlich waren es Araber, insbesondere aus Saudi-Arabien. Zu diesen zählte auch der Wahhabit Osama Bin Laden, der von 1986 an mit eigener "Arabi"-Gruppe einen Kleinkrieg (Guerilla) gegen die Rotarmisten führte.
Den Sieg dieses ersten "Krieges der Kulturen" proklamierten die "Soldaten Allahs" für sich. Auf ihrer Seite hinterließ der - heute legendäre - Dschihad ein berauschendes Gefühl der Macht und des Selbstvertrauens und dementsprechend eine - zunächst noch unsichere - Allianz von islamischen Organisationen, die entschlossen waren, den Islam gegen alle nichtmuslimischen Kräfte zu verteidigen. Zur Hinterlassenschaft des Afghanistankrieges gehörten ferner fachkundige und erfahrene Kämpfer (Dschihadisten), Ausbildungslager und logistische Einrichtungen, eine erhebliche Menge militärischen Geräts und hoch entwickelte transislamische Netzwerke persönlicher und organisatorischer Art. Dazu zählen auch die Gruppen Al-Qaida, die Bin Laden zusammen mit "arabischen Afghanen" (al-afghan al arabi) 1988 mit dem Ziel gegründet hat, "gottlose Regime zu stürzen und ein islamisches Regime einzusetzen".
Kampferfahren und als Dschihadist ideologisch der Idee der Errichtung eines islamischen Reiches (Kalifats) verpflichtet, brachten sich die Kriegsveteranen als "universal islamic soldiers" an anderen Schauplätzen des Dschihad ein: zum Beispiel in Kaschmir (von 1989/1990 an), Bosnien-Herzegowina (1992 - 1995), Jemen (1994) und in Tschetschenien (von 1995 an).
Darüber hinaus begründeten und berieten sie nach der Rückkehr in ihre Heimatländer militant-islamistische Gruppen: 1989 die Gruppe Abu Sayyaf auf den Philippinen und 1993 die Jemaah Islamiya in Malaysia und Indonesien; ebenfalls 1993 die Harkat-ul-Mudschaheddin in Kaschmir und 1998 die Islamische Bewegung Usbekistans in Afghanistan; 1990 im Jemen den Islamischen Dschihad; in Ostafrika 1990 die Al-Ittihad al-Islamiya in Somalia und in Nordafrika 1992 die Groupe Islamique Armé (GIA) in Algerien und 1993 die Groupe Islamique Combattant Marocain (GICM) in Marokko.
Fernziel der Dschihadisten blieb die Verwirklichung der unteilbaren islamischen Weltgemeinschaft (umma). Dort waren sie - zumindest für die mehr moderaten Muslime - zu al-Irhabiyyun (Terroristen) geworden. Ob der waffentechnologischen Überlegenheit der Streitkräfte der Staaten des "internationalen Unglaubens" (al-Kufr al-Alami) suchten die Dschihad-Terroris-ten als substaatliche Akteure weniger die symmetrische Konfrontation, sondern machten sich systematisch mehr mit der asymmetrischen Kriegführung vertraut.
Zur Asymmetrie gehören eine geänderte psychologische Kriegführung durch intensive Internet-Nutzung, die intensivierte Opferbereitschaft der Kämpfer durch "Märtyrereinsätze" (Selbstmordanschläge) und das bewusste Einbeziehen von Zivilisten - als Geiseln (Aufbau einer Entführungsindustrie) oder gar "menschliche Schutzschilde". Geprägt durch den siegreichen Partisanenkrieg gegen die Rote Armee in Afghanistan riet Al-Qaida-Gründer Osama Bin Laden schon 1996 den Glaubenskriegern wegen der "überwältigenden militärischen Überlegenheit des Feindes" die konventionelle Kriegführung zu meiden und sich statt dessen auf einen internationalen Guerillakrieg zu konzentrieren. Dieser Guerilla-Dschihad ist ein Abnutzungskrieg und zugleich eine Inszenierung für die Medien. Strukturell gibt es in dieser Konfliktform dementsprechend keine Trennung von Zivilbereich und Militär. Vielmehr operiert der islamistische Guerillo in der Regel im und aus dem zivilen Bereich. Dadurch nimmt er "Kollate-ralschäden" nicht nur billigend in Kauf, sondern provoziert selbige. "Ich empfehle Aktionen, bei denen viele Zivilisten zu Schaden kommen", riet Bin Ladens Stellvertreter Aiman Al-Zawahiri schon 2001, denn "das verbreitet unter den Völkern des Westens den größten Schrecken".
Die weltweite Vernetzung von Al-Qaida geht auf die organisatorische Weitsicht ihres Begründers Bin Laden zurück, der den Wert einer umfassenden "Datei mit radikalen Islamisten aus aller Herren Länder", ein Basisregister (Basis, arabisch Al-Qaida), erkannte und in der Spätphase des Dschihads am Hindukusch verwirklichte. Beginnend im sudanesischen Exil (1991 - 1996) entstand insbesondere im "sicheren Hafen" Afghanistan (1996 - 2001) eine islamische Militärorganisation, die sowohl organisatorisch-strukturell (pyramidaler Aufbau mit mehreren Kommando-Ebenen; strenge Ausrichtung nach dem Führerprinzip) als auch inhaltlich-ideologisch (Errichtung einer Staatsordnung auf der Basis von Scharia und Kalifat) maßgeblich von der 1928 in Ägypten gegründeten Muslimbruderschaft beeinflusst war.
Vor diesem Hintergrund wurde 1998 die "Weltislamische Front für Dschihad gegen Juden und Kreuzfahrer" gegründet. In einer Fatwa (islamisches Rechtsgutachten) erklärte diese, dass es die persönliche Glaubenspflicht jedes Muslims sei, "die Amerikaner und ihre Verbündeten, Zivilisten und Militärs zu töten", wo und wann immer dies möglich sei. Dieses Manifest hatten neben Bin Laden Vertreter von Dschihad-Gruppen aus Pakistan und Bangladesch unterzeichnet. Ägypten war durch eine militant gebliebene Fraktion des Al-Jihad vertreten. Deren Führer, Aiman Al-Zawahiri, erklärte acht Jahre später den Anschluss einer weiteren ägyptischen Gruppe, der Jamaar islamiyya.
Der bewaffnete Kampf war für Bin Laden nicht die einzige Form des "defensiven" Dschihads. Auch der Wirtschaftskrieg und der ideologische Kampf (wird heute insbesondere von der "Partei der islamischen Befreiung"/Hizb ut-Tahrir al-Islami wahrgenommen) gehörten dazu, vor allem für jene Muslime, die nicht in der Lage waren, am bewaffneten Kampf teilzunehmen. Bis zum Sturz der Taliban im Dezember 2001 bildete Al-Qaida in rund 50 paramilitärischen Camps mindestens 20.000, maximal 70.000 Muslime für den Dschihad aus. Darunter waren auch die Attentäter des 11. Septembers. Zwei Monate später sprach Bin Laden selber vom "Krieg der Religionen". Durch die internationale Anti-Terror-Allianz angeschlagen tauchte er mit Resten seiner Organisation ab, um in der Folge gestärkt im Cyberspace wieder aufzutauchen - als Bewegung.
Wie keiner anderen islamistischen Organisation zuvor ist Al-Qaida die bizarre Kombination von Elementen einer Stammesreligion des siebten Jahrhunderts mit der technischen Intelligenz des 21. Jahrhunderts gelungen. Nach dem Verlust des "sicheren Hafens" Afghanistan wurde aus der ursprünglich geografisch lokalisierbaren Militärorganisation mit Hilfe des World Wide Web eine globale Bewegung des Dschihad. Das Internet bot einerseits die Möglichkeit, sich als virtuelle Einheit darzustellen und brachte andererseits einzelne militante Islamisten zusammen, die sich sonst wohl nie kennengelernt hätten. Das Netz, wo das erstrebte panislamische Kalifat schon virtuelle Realität ist, hat im vergangenen halben Jahrzehnt wie kein anderes Medium den Dschihad globalisiert. Dem "Heiligen Krieg" dient es heute nicht mehr nur in der offenen und verdeckten Kommunikation und der Verbreitung zielgruppenspezifischer Botschaften, sondern wird darüber hinaus zur Informationssammlung, Radikalisierung, Rekrutierung, Bildung und Ausbildung von Kämpfern (mit Hilfestellung in Chatrooms), Öffentlichkeitsarbeit und Propaganda, Spendensammlung und operativen Planung, psychologischen Kriegführung und insbesondere Netzwerkarbeit genutzt.
Weit über 4.500 Websites mit Dschihad-Bezug gibt es heute. Zur Zeit des 11. Septembers waren es lediglich wenige Dutzend. "Manager des Dschihad" geben über das Netz ihr terroristisches Know-How an islamistische Nachfrager (so genannter Franchising-Terrorismus) und damit auch an die nächste Generation potenzieller Dschihadisten weiter. Der Dschihad ist mittlerweile internetgesteuert. Aus Al-Qaida ist @-Qaida geworden.
Der Autor ist freiberuflicher Fachpublizist und Politikberater in Berlin. Im Jahr 2005 erschien sein Buch "Al-Qaida. Netzwerk des Terrors" (Diederichs Verlag).