Die meisten Experten sind sich einig, dass es in Europa zu viele Banken gibt, die nicht wirtschaftlich genug arbeiten. Im Vergleich zur global operierenden Konkurrenz haben die europäischen Kreditinstitute zu kleine Heimatmärkte, denn ein großer Teil der Finanzgeschäfte wird nach wie vor in den nationalen Grenzen abgewickelt. Erst in den letzten Jahren versuchen die Bankiers, große europäische Kreditinstitute zu schaffen. In manchen Mitgliedstaaten hat das nationale Abwehrreflexe wach gerufen. Der Umgang mit Geld und Kredit wird von vielen Politikern als "strategisches Instrument" einer nationalen Wirtschaftspolitik betrachtet, das sie ungern der Kontrolle anderer überlassen. Besonders empfindlich reagierte im vergangenen Jahr die polnische Regierung als die italienische Großbank Unicredito nach der Führung auf dem polnischen Bankenmarkt griff. Dem gleichen Reflex erlag zuvor der italienische Notenbankchef Antonio Fazio. Monatelang blockierte er die Übernahme der italienischen Banca Antonveneta durch die holländische ABN Amro. ABN ist ein global operierender Finanzkonzern. Trotzdem verweigerte Fazio, der auch für die Bankenaufsicht zuständig war, die Genehmigung der Fusion mit dem Hinweis, dass die "umsichtige und solide Führung" der Banca Antonveneta nach der Übernahme durch die Holländer gefährdet sei. Nach der Bankenrichtlinie ist das der einzige Grund, den ein Mitgliedstaat geltend machen kann, um die Übernahme einer Bank zu blockieren. Im vorliegenden Fall war der Missbrauch dieser Klausel so offensichtlich, dass Fazio seinen Hut nehmen musste. Danach machten die Manager der ABN Amro und der Banca Antonveneta ihre Fusion perfekt. Für die EU-Kommission ist das Problem damit aber nicht gelöst. Der weite Ermessenspielraum der nationalen Bankenaufsichtsbehörden, sagt Binnenkommissar Charly McCreevy, schrecke die Manager der Banken von grenzüberschreitenden Übernahmeangeboten ab. Alleine die Möglichkeit, allerlei Einwendungen zu machen und Fusionsprojekte zu verzögern (was in manchen Fällen reicht, um sie zu vereiteln), verhindere, dass europäisch operierende und international wettbewerbsfähige Kreditinstitute entstünden, sagt der streitbare Ire. "Wir brauchen klare und berechenbare Kriterien, nach denen die Bankenaufsicht Fusionen beurteilen kann. Damit stellen wir einen einheitlichen und in sich schlüssigen Umgang mit solchen Fusionen in der EU sicher - und mehr Kalkulierbarkeit für alle Beteiligten." Die Kommission hat deswegen vorgeschlagen, dass die Bankenaufseher (der zum Erwerb anstehenden Bank) bei einer Fusion in Zukunft nur noch fünf Gesichtspunkte prüfen dürfen: erstens den Ruf des potentiellen Erwerbers, zweitens den Ruf und die Erfahrung der Manager, drittens die finanzielle Solidität des Erwerbers, viertens absehbare Probleme, gesetzliche Auflagen zu erfüllen und fünftens das Risiko, dass in der fusionierten Bank Geld gewaschen oder Konten von Terroristen geführt werden. Außerdem soll das Genehmigungsverfahren gestrafft werden. Bislang haben die Bankenaufseher drei Monate Zeit, um eine Fusion zu genehmigen. Das ist aber nur die Theorie, denn in der Praxis kann diese Frist mehrfach unterbrochen werden, wenn die Kontrolleure zusätzliche Informationen von den betroffenen Banken anfordern. In Zukunft soll die Bankenaufsicht eine Fusion nach maximal 42 Tagen genehmigen oder ablehnen. Vorher muss sie die Stellungnahme ihrer Kollegen in dem Herkunftsland der Erwerberbank einholen. Lehnen die Aufseher der Bank, die erworben werden soll, ab, müssen sie ihre Entscheidung begründen. Die betroffenen Kreditinstitute können diese Entscheidung vor den nationalen Gerichten anfechten und gleichzeitig Beschwerde bei der EU-Kommission einlegen. Letzteres könne den Verfahrensweg erheblich verkürzen, heißt es in Brüssel. Umstritten ist die unmittelbare Kontrolle durch die EU-Kommission vor allem deswegen, weil den Behörden im Fusionsverfahren streng vertrauliche Angaben gemacht werden. Sie müssten dann an die Kommission weitergeleitet werden. McCreevy rechnet zwar mit Kritik im EU-Ministerrat. Er ist aber zuversichtlich, die notwendige Mehrheit im Ministerrat und im Europäischen Parlament zusammen zu bekommen. Schließlich hätten die Finanzminister die Richtlinie gewissermaßen bestellt. Auch ihnen war aufgefallen, dass es kaum grenzüberschreitende Bankenfusionen in Europa gibt. Vor zwei Jahren beauftragten sie die Kommission deswegen damit, bestehende Fusionshindernisse zu beseitigen. Bundesfinanzminister Steinbrück stehe deswegen "grundsätzlich hinter dem Vorschlag der Kommission", sagt seine Sprecherin Ulrike Abratis. Sie macht allerdings einige Einschränkungen: "Wir wollen eine inhaltliche Debatte über die Sache, aber nicht über die Institutionen." Eine europäische Bankenaufsicht lehnt Steinbrück ab. In Berlin hält man auch die Fristen, in denen die Aufsichtsbehörden Fusionsvorhaben künftig prüfen müssen, für zu knapp bemessen. Grundsätzliche Einwände gegen den Vorschlag der Kommission hat dagegen die Bundesbank. Er laufe auf eine Schwächung der Bankenaufsicht hinaus, sagt Direktoriumsmitglied Edgar Meister: "Wenn man die europäische Integration im Auge hat, darf man nicht verhindern, dass die Bankenaufsicht ihre Aufgabe ordentlich erfüllt." Die von der Kommission vorgesehene Prüfungsfrist sei dafür aber zu kurz. Die fest vorgegebenen Kriterien engten den Ermessensspielraum der Aufsichtsbehörden, so Meister, zu sehr ein. "Wenn sich eine Frage ergibt, die über den Kriterienkatalog hinausgeht, dürfte man sie nicht überprüfen." Aus dem gleichen Grund haben sich auch die Bankenaufseher der EU-Staaten gegen feste Kriterien ausgesprochen. Die Prüfung könne nicht unter allen Umständen auf diese Kriterien beschränkt werden, sagt das Komitee der Europäischen Bankenaufseher (CEBS) in London. Denn nicht alle denkbaren Fälle fänden sich in einem festen Kriterienkatalog wieder.