Das Gesetzgebungsverfahren zur Dienstleistungsrichtlinie geht in die nächste Runde. Vergangene Woche stellte die sozialdemokratische Berichterstatterin Evelyne Gebhardt elf Änderungsanträge zum Ratskompromiss vor, die sie als "Feinjustierung" bezeichnet. Am 23. Oktober soll im Binnenmarktausschuss darüber abgestimmt werden. Die Abgeordnete ist zuversichtlich, dass Mitte November im Plenum eine Mehrheit zustande kommt. Gegen keinen ihrer Vorschläge habe der Schattenberichterstatter von der konservativen Fraktion EVP Einwände erhoben. Auch der Rat zeige sich kompromissbereit. "Ich bin sicher, dass ein Vermittlungsverfahren nicht nötig wird, weil der Wille zur Einigung bei allen da ist", erklärte Gebhardt zuversichtlich. Weniger optimistisch äußert sich ihr konservativer Kollege Andreas Schwab. "Frau Gebhardt stellt ihre Änderungen als rein technische Verbesserungen hin. De facto sind es politische Vorschläge", sagte er dieser Zeitung. Von einer Mehrheit im Plenum sei seine SPD-Kollegin weit entfernt. "Konservative und Teile ihrer eigenen Fraktion lehnen die Änderungen ab." Er warnte Gebhardt, das neue Gesetz nicht durch "Änderungsanträge, die den Ausschluss der sozialen Dienste oder das Internationale Privatrecht betreffen", zu gefährden. Sie seien für die EVP nicht akzeptabel. Gebhardt möchte in den Text Formulierungen einbringen, die deutlicher als der Ratsentwurf herausstellen, dass nationales Arbeitsrecht und die Tarifautonomie der Sozialpartner durch die Richtlinie nicht angetastet werden. Auch will sie den schon jetzt von vielen Konservativen als Gummiparagrafen kritisierten Verbraucherschutz-Artikel weiter ausbauen. Kritiker warnen, dass damit protektionistischen Bestrebungen eines Mitgliedslandes Tor und Tür geöffnet würden. Unter dem Vorwand des Verbraucherschutzes könnten ausländische Anbieter auch künftig vom Markt ferngehalten werden. Auch beim Reizthema soziale Dienstleistungen will Gebhardt Änderungen. Der Rat hatte diejenigen Bereiche (sozialer Wohnungsbau, Kinderbetreuung und Unterstützung Bedürftiger) aufgelistet, die von der Richtlinie ausgenommen sein sollen. Die neue Formulierung "rechtliche Regelungen und ergänzende Systeme im Bereich des sozialen Schutzes, welche die Grundrisiken des Lebens abdecken", geht darüber weit hinaus. Ohnehin verspricht sich von dem seiner Substanz entkleideten und mit Ausnahmen überladenen Rechtstext inzwischen niemand mehr nennenswerte Impulse für den europäischen Dienstleistungsmarkt. Viele Abgeordnete fordern deshalb sektorale Richtlinien, die für einzelne Dienstleistungsbereiche festschreiben, wie viel Marktöffnung ein Land zulassen muss und auf welche nationalen Mindeststandards es sich dabei berufen kann.