Diese Drohung bezeichnete der Europaabgeordnete Elmar Brok (CDU) als "Ankündigung eines Kalten Krieges mit neuen Methoden". Dabei ist das Thema alles andere als neu: Bereits während des iranisch-irakisches Krieges hatte der frühere Bundeskanzler Helmut Schmidt die Befürchtung geäußert, dass eines Tages Kriege um Rohstoffe möglich wären, erinnert sich Erich Follath, Mitherausgeber des Buches "Der neue Kalte Krieg".
Tatsächlich rüsten sich die Nationalstaaten längst für eine solche Auseinandersetzung: Die boomenden Volkswirtschaften Indiens und Chinas verlangen nach immer mehr Energie, die die westlichen Industrienationen und Japan bislang wie selbstverständlich für sich reklamierten. Im Kampf um die knapper werdenden Ressourcen habe nur das Reich der Mitte "noch weniger Skrupel als der Westen", schreibt Follath. Der chinesische Drache erinnere an einen "Nimmersatt", der nie genug Öl, Gas, Kohle, Stahl und andere Metalle bekommen könne.
19 Redakteure und Autoren des Hamburger Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" beschäftigen sich eingehend mit dem weltweiten Kampf um Rohstoffe. Bewusst verzichten die Journalisten auf eine unverständliche Fachsprache und machen den Sammelband so einem breiten Publikum zugänglich. Dabei erliegen sie nicht der Gefahr einer Simplifizierung der Sachverhalte. Vielmehr erläutern sie die Hintergründe der neuen "Rohstoff-Konflikte", berichten über die vorhandenen Bestände und den Ressourcen-Verbrauch ebenso wie über künftige Energiequellen.
Überzeugend wird die chinesische Politik dargestellt, die weltweit neue Standards bei der Eroberung der Rohstoffmärkte setzt. Zugleich erfährt der Leser vom Selbstbewusstsein Russlands, dessen Einfluss wegen seiner Energiereserven kontinuierlich wächst. So bleiben die wahren Handlungsmotive der Regierenden in der globalen Welt nicht länger im Dunkeln, wenn sie sich für bislang wenig bekannte, aber rohstoffreiche Regionen in Afrika, Lateinamerika und Asien interessieren.
Ohne falsche Rücksichtnahme erwähnen die Autoren korrupte Staats- und Regierungschefs oder Diktatoren, die zu "Freunden" erklärt werden, weil sie über den Verkauf begehrter Ressourcen wie Öl, Gas, Uran oder Kupfer zu entscheiden haben. Selbst im ansonsten so hoch moralischen Washington sei die politische Klasse nicht länger kleinlich, wenn es um die Zusammenarbeit mit korrupten Herrschern wie Aserbaidschans Präsident Ilcham Alijew oder den turk- menischen Staatschef Sapurmurat Nijasow gehe, schreiben die Autoren. So wurde Alijew im Weißen Haus als "Freund" empfangen, obwohl er sein Amt von seinem Vater "erbte", in der Fälschung von Wahlen erfahren ist und friedliche Demonstrationen brutal niederschlagen lässt. Da Deutschland vor allem von russischen Gaslieferungen abhängig ist, legt jede Bundesregierung großen Wert auf stabile Beziehungen zum Kreml. Ob das Land dabei demokratische Fortschritte erzielt, ist längst nicht mehr so wichtig. Ein ähnliches Verhalten lasse sich über die Politik der USA und der Europäischen Union gegenüber Saudi-Arabien beobachten.
Umgekehrt stuft Moskau seine wichtigen Rohstoffe seit einem Jahr als "strategisch" bedeutsam ein. Deshalb dürfen sie nicht mehr ohne staatliche Kontrolle gefördert werden. Dass diese Politik auf heftige Kritik aus den USA und der EU stößt, stört den Kreml nicht weiter. Schließlich verhinderte Washington unter Berufung auf seine "nationalen strategischen Interessen" den Verkauf der Öl-Firma Unocal an einen staatlichen chinesischen Öl-Konzern. Dies alles seien Anzeichen dafür, dass die Welt in einem neuen "Zeitalter der Versorgungsangst" und der "Wiedergeburt eines Rohstoff-Nationalismus" lebe, meint der Öl-Experte Daniel Yergin. Tatsächlich gehört die Energieversorgung zu den wichtigsten sicherheitspolitischen Aufgaben eines Staates. Laut US-Wissenschaftler Michael T. Klare, Autor des Buches "Ressource Wars", sind die amerikanischen Streitkräfte bereits eine "globale Öl-Schutztruppe". Auch der frühere CIA-Stratege Kenneth Pollack nennt als wahres Motiv für den Irak-Krieg gegen Saddam Hussein: "It's the oil, stupid!". Washington habe ein "vitales Interesse" daran, den Energie-Nachschub zu garantieren und eine mögliche Erpressung aus dem Persischen Golf zu verhindern.
Zu den Pluspunkten des Sammelbandes gehören neben den hervorragenden Recherchen vor allem die Gespräche mit Experten wie dem Rohstoff-Guru Jim Rogers oder dem "Öl-Papst" Daniel Yergin. Sein Rezept für eine langfristig sichere Energieversorgung lautet: Diversifizierung der Versorgung und der Quellen sowie Investitionen in neue Technologien. Dabei verschweigt er nicht, dass Energiesicherheit eine der wichtigsten Herausforderungen der Außenpolitik heute und mehr noch in Zukunft darstellt: "Öl und Gas waren immer schon politische Rohstoffe. Aber heute sind sie politischer als in den vergangenen Jahren", versichert Yergin.
Wermutstropfen ist, dass neben den hervorragenden Aufsätzen über die US-Politik, Russland, Iran und China Deutschland und Europa zu kurz kommen. Auch wäre es für den Leser sicherlich hilfreich, wenn geografische Karten mit den Pipeline-Routen im Buch abgedruckt worden wären. Es bleibt jedoch insgesamt festzuhalten, dass die Spiegel-Journalisten die Zunft der "Experten" in die Schranken weisen: Denn in diesem Sammelband können sich alle Interessierten ausführlich über die aktuellen Herausforderungen der internationalen Politik informieren und das in einer allgemein verständlichen Sprache. Dass "Spiegel"-Leser mehr wissen, gilt mit Sicherheit für alle, die den Sammelband "Der neue Kalte Krieg" gelesen haben.
Erich Follath/Alexander Jung (Hg.): Der neue Kalte Krieg. Kampf um die Rohstoffe. Deutsche Verlags-Anstalt. München 2006; 320 S., 19,90 Euro.