Das Parlament War der Fall Jan Ullrich der endgültige Auslöser für Sie, zu sagen: Wir brauchen ein Antidopinggesetz?
Peter Danckert Wir haben in der Gesellschaft viele Suchtprobleme. Wir haben unter anderem Alkoholkranke und Raucher, die jedoch vor allem sich selbst und ihr engstes Umfeld schädigen. Der dopende Sportler schafft hingegen ein Ungleichgewicht, eine Verzerrung im Wettbewerb, die nicht mehr hinzunehmen ist. Hier muss der Staat eingreifen! Der Sport hat es über Jahrzehnte nicht geschafft, obwohl immer viel darüber geredet wurde und das Problem autonom geregelt werden sollte. Fakt ist: Da sind keine durchgreifenden Lösungen gefunden worden!
Das Parlament Was wäre die Konsequenz für Jan Ullrich, wenn es ein solches Gesetz jetzt schon geben würde?
Peter Danckert Der Fall Ullrich ist eine Sondersituation. Durch die Vertragssituation zwischen Ullrich und seinem Sponsor hat sich der Rennfahrer möglicherweise des Betruges gegenüber dem Sponsor strafbar gemacht und wird deshalb juristisch verfolgt. Das ist aber nicht der Normalfall. Normalerweise verschafft sich der dopende Sportler einen Wettbewerbsvorteil gegenüber seinen Kontrahenten, betrügt Zuschauer, Sponsoren und Medien. Diese Sachverhalte können wir mit den bisherigen Instrumentarien nicht sanktionieren.
Das Parlament Ähnlich begründete Bayerns Justizministerin Beate Merk vor dem Bundesrat ihre Gesetzesinitiative zum Antidopinggesetz. Dieser Initiative könnten Sie sich also anschließen?
Peter Danckert Die grobe Linie, die durch den bayerischen Entwurf vorgezeichnet ist, entspricht meinen Intentionen. Ich war gemeinsam mit dem Präsidenten des Deutschen Leichtathletik-Verbandes, Clemens Prokop, bei Frau Merk und habe meine Forderungen dargelegt. Vieles ist in den bayerischen Entwurf eingeflossen.
Das Parlament Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) ist anderer Meinung als Sie. Vor allem dessen Vorsitzender Dr. Thomas Bach besteht auf der Autonomie des Sports. Fürchtet man dort Macht-Verlust?
Peter Danckert Ich will mich nicht an Spekulationen beteiligen was die Haltung von Herrn Bach angeht. Alles was ausdrücklich genannt wird als Gegenargument, lässt sich in einer sachlichen Diskussion meines Erachtens entkräften. Wir wollen mit dem Gesetz weder die Sportgerichtsbarkeit abschaffen, noch diese in die Amtgerichte überführen. Derartige Behauptungen sind schlicht abwegig. Wir sind aber der Meinung, dass der Sport, der es angesichts immer weiter ausufernder Dopingnetzwerke ganz offensichtlich nicht geschafft hat, dem Dopingphänomen Herr zu werden, die Hilfe des Staates benötigt. Das ist die ganz schlichte Erkenntnis aus der Situation, die wir hier haben. Die Staatsanwaltschaft hat bessere Ermittlungsmöglichkeiten als die Sportgerichtsbarkeit. Das geht von Hausdurchsuchungen bis hin zu der Möglichkeit, auch gegen den Willen des Beschuldigten Blutproben zu nehmen.
Das Parlament Angenommen es gibt keine Annäherung mit dem DOSB: Ist es vorstellbar, dass die Politik Entscheidungen gegen den größten Sportverband trifft?
Peter Danckert Das halte ich durchaus für vertretbar! Es gibt aber zahlreiche Verbände in Deutschland, beispielsweise den Deutschen Leichtathletik-Verband, die das Gesetz vehement fordern. Dutzende Sportler sprechen sich öffentlich für eine Bestrafung von Dopingsündern aus. Wir wenden uns nicht gegen den Sport, aber wir haben als Staat eine Verantwortung, nicht zuletzt auch gegenüber jungen Menschen, die in Dopingsündern falsche Vorbilder finden könnten. Sollte der Sport trotz aller Aufklärung bei seinen Bedenken bleiben, muss der Gesetzgeber entscheiden. Sollte sich eine parlamentarische Mehrheit für das Gesetz finden, wäre ich sehr froh - lieber wäre es mir jedoch wenn wir uns mit dem Sport unterhacken könnten und es gemeinsam schaffen würden.
Das Parlament Sportförderung ist in Deutschland erfolgsabhängig. Dieser Erfolg muss auf internationaler Ebene im Zweifel gegen gedopte Athleten errungen werden. Eine Zwickmühle für deutsche Sportler?
Peter Danckert Diese Argumentation findet sich bei vielen Gegnern des Antidopinggesetzes. Es gäbe dann eine Wettbewerbsverzerrung, heißt es. Sollten das die eigentlichen Gründe für die Sportfunktionäre sein, das Gesetz abzulehnen, würde dies indirekt bedeuten, dass sie "Beihilfe zum Doping" leisten. Das fände ich besonders verwerflich.
Das Interview führte Götz Hausding