Der Jugendliche aus Deutschland fragte, ob es gut für die EU sei, wenn immer neue Länder, etwa Rumänien, dazukämen. Ján Figel, Kommissar für allgemeine und berufliche Bildung, Kultur und Mehrsprachigkeit, wandte sich an die über hundert Jugendlichen im Saal: Wer ist aus Rumänien? Fünf junge, sympathische Rumänen und Rumäninnen meldeten sich ganz selbstbewusst. Dann fragte Figel zurück: Willst du diese jungen Leute in der Union? Ein bisschen suggestiv und didaktisch war das, aber es wirkte. Der Besorgte antwortete natürlich mit einem kleinlauten Ja. Alle waren erleichtert, und die gute Laune hielt fünf Tage an. Ab da galt als inoffizielles Motto: Mehrere Kulturen sind keine Gefahr.
Die Begegnung mit einem realen EU-Politiker war einer der besonderen Programmpunkte beim Europäischen Zukunftskongress "Fokus Europa", der vom 16. bis 21. November in Berlin stattfand. Ein Freizeitzentrum in Berlin, sonst beliebt für Puppentheater, Kino und Kinderspaß, wurde am vorletzten Wochenende zum Labor für europäische Zukunftsvisionen. In der waldigen Wuhlheide im Südosten der Hauptstadt wurde der ehemalige "Pionierpalast" von einer engagierten Truppe belebt: 120 Jugendliche aus neun europäischen Ländern. Die 16- bis 22-Jährigen aus Bulgarien, Deutschland, Italien, Kroatien, Lettland, Polen, Rumänien Tschechien und Ungarn hatten sich für den Kongress unter der Schirmherrschaft von Außenminister Frank-Walter Steinmeier in einem Kreativ-Wettbewerb qualifiziert. Aus 14 Ländern erhielten die Berliner Veranstalter Songs, Audio- und Bilder-Reportagen.
Ihre Kreativität war abermals gefragt. In Workshop produzierten sie Radiospots, Raps und Filme, die ihre Vorstellungen von der Zukunft Europas ausdrücken. Dabei gab es sechs Fokus-Themen. Die Gruppe "Europabilder" suchte nach gemeinsamen Bildern, verbindender Poesie und Musik. Ein Vorschlag: es könnten junge Fassungen der Europahymne entstehen. Mit dabei die rumänischen Jugendlichen. Während mehrere Nationen am DJ-Pult ihre Verse schmiedeten, saßen Andreea und ihre Freunde aus Bukarest vor der Tür und texteten an einem eigenen Song. Sie sprechen nahezu fehlerfrei deutsch und sind ziemlich ernüchtert: "Keiner versteht uns, in der Gruppe sprechen sie viele Sprachen, vor allem Englisch, aber keiner Deutsch". Sie bedauern, dass es nicht eine einzige Sprache für alle Europäer gibt. Trotz allem ist Europa für Andreea Ausdruck für den Wunsch der Menschen, eine gemeinsame Zukunft zu haben und freiwillig zusammen- zuleben. Für den 16-jährigen Jonas aus Neustrelitz ist die EU hingegen eine Gemeinschaft, die anderen bessere Chancen ermöglicht und eine gewisse politische und ökonomische Macht darstellt.
Andere Fokus-Gruppen suchten nach Antworten auf die Frage: Was ist "europäisch" und wie kann Demokratie in ganz Europa funktionieren? Sie diskutierten aktuelle Probleme der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung, der Umwelt und der Globalisierung. Für die drei Mädchen aus Lettland ist klar, ein demokratisches Europa gibt es nur, wenn überall die gleichen Rechte gelten und die gleichen Löhne gezahlt werden.
Alle Theorien und Ideen wurden dann in den verschiedenen Werkstätten für Ton, Musik, Theater und Grafik umgesetzt. Eine der schönsten Ideen war die Reportage aus der "Wohngemeinschaft Europa". Ein Haus für uns alle, mit viel Platz für die vielen Eigenheiten, aber auch für schöne Partys. Und so ist die junge Europahymne ein wunderbarer mehrsprachiger Rap: "We want to be friends."
Mehr Informationen unter: www.focus-europa.eu