Das Gremium soll untersuchen, ob Ministerpräsident Roland Koch, Kultusministerin Karin Wolff, Innenminister Volker Bouffier und andere Mitglieder der Landesregierung gegenüber den Freien Wählern die Gewährung staatlicher Mittel für Kommunalwahlen von einer Bedingung abhängig gemacht haben: dem Verzicht der Wählergruppierung auf eine Teilnahme an den Landtagswahlen 2008.
Während Koch die Vorwürfe als infam und unverschämt zurück weist, handelt es sich für SPD-Fraktionschef Jürgen Walter um mehr als um einen normalen Parteienstreit: "Es geht um die Einhaltung der grundlegenden demokratischen Spielregeln", betont Walter. Stein des Anstoßes ist ein Gespräch, das die Spitzen von Freien Wählern und hessischer CDU, unter ihnen der Regierungschef, am dritten April dieses Jahres geführt haben. Es fand kurz nach der hessischen Kommunalwahl statt. Dort hatten die Freien Wähler immerhin 5,2 Prozent der Stimmen geholt. Wie bei allen Gesprächen der Vergangenheit stand die Finanzierung von freien Wählergruppen ganz oben auf der Tagesordnung.
Das Thema ist ein Dauerbrenner seit 1992. Seinerzeit entschied das Bundesverfassungsgericht, dass freie Wählergruppen, die in der Regel nicht in den Genuss von Wahlkampfkostenrückerstattungen nach Landtags- und Bundestagswahlen kommen, nicht länger finanziell benachteiligt werden dürfen. Ein Auftrag, dem bislang in keinem Bundesland Rechnung getragen wurde. Seit 1992 insistieren auch Hessens Freie Wähler auf einer Umsetzung des Richterspruchs. So viel ist unstrittig. Über den Tenor des Gesprächs vom 3. April jedoch scheiden sich die Geister. Die Christdemokraten sollen nach Darstellung des Landesvorsitzenden der hessischen Freien Wähler, Thomas Braun, ihren Gästen ein "unmoralisches Angebot" unterbreitet haben. Innenminister Bouffier soll auf einen Gesetzentwurf "in der Schublade" verwiesen haben, der den Freien Wählern bereits rückwirkend für 2006 rund 300.000 Euro für die Kommunalwahl zugesichert hätte. Die Einbringung des Gesetzes in den Landtag hätten Bouffier und seine Mitstreiter allerdings "ultimativ" an den Verzicht auf eine Beteiligung an der Landtagswahl am 27. Januar 2008 geknüpft.
Dies bedeute faktisch, so der Vorsitzende der Grünen-Fraktion, Tarek Al Wazir, dass die CDU-Alleinregierung gesetzgeberisches Handeln im Gegenzug zu Wohlverhalten bei Wahlen angeboten habe. Der Speyerer Parteienrechtler Hans-Herbert von Arnim wertet die Vorwürfe noch deutlicher: Sollte die Darstellung der Freien Wähler zutreffen, so von Arnim, müsse geprüft werden, ob Nötigung vorliege. "Hier geht es um die Sicherung der absoluten Mehrheit mit Steuermitteln." Beide Parteien schöpften aus dem gleichen Wählerpotenzial. Aus diesem Grund könnten die Freien Wähler der CDU bei den Landtagswahlen durchaus gefährlich werden. Die Affäre kommt zur Unzeit für Roland Koch, der sich Ende November auf dem CDU-Bundesparteitag in Dresden zum stellvertretenden Parteivorsitzenden wählen lassen möchte. Demonstrativ übt sich der Regierungschef seit Monaten in Kooperationsbereitschaft mit Angela Merkel. Auch landespolitisch herrschte Ruhe in letzter Zeit. Ausgerechnet jetzt werden alte Erinnerungen an Doppelpasskampagne und Spendenaffäre wach und das mühsam wieder aufgebaute Image des glaubwürdigen Politikers erhält neue Kratzer.
Deshalb geht der Regierungschef in die Offensive und bezeichnet das Verhalten der Freien Wähler seinerseits als "ehrenrührige Kampagne". Für ihn stellt sich die Situation als "exakt umgekehrt" da. Über politische Inhalte, so Koch mit Blick auf Gespräche in den Jahren 2002, 2005 und 2006, habe man mit den Freien Wählern kaum noch sprechen können. "Es ging immer nur ums Geld." Bereits im Januar 2005 habe er ihnen die Voraussetzungen für ein mögliches Gesetz aufgezeigt: Zum einen müsse es mit einer breiten Mehrheit aus der Mitte des Landtags verabschiedet werden. Zum anderen käme eine Doppelfinanzierung, die den Freien Wählern Kommunalwahl- und Landtagswahlgelder gewähre, nicht in Frage, um die etablierten Parteien nicht zu benachteiligen.
Für SPD und Grüne steht nun Aussage gegen Aussage. "Die objektiven Umstände", erklärt Jürgen Walter aber bereits jetzt, "sprechen für die Freien Wähler". Die Freien Wähler begrüßen den Untersuchungsausschuss und sind, wie ihre stellvertretende Vorsitzende Christa von Beust erneut bekräftigt, bereit, ihre "glasklaren Aussagen unter Eid zu bestätigen". Die ersten Zeugen sollen spätestens im Februar nächsten Jahres vernommen werde.