Nicht alles, was im Heft steht, ist auch problematisch. Es gibt Beiträge zum Klettern wie zum Freizeitspaß, an anderer Stelle geht es um patriotische Gefühle während der WM-Party. Doch dann werden die Blattmacher deutlicher: Ein Text beschäftigt sich mit ausländischen, jugendlichen Gewalttätern und vermittelt, dass die ausländischen Jugendlichen Täter und die deutschen ausschließlich Opfer seien. Weitere Themen sind ein geplanter Moscheebau in Köln, im Heft auch "Islamisierungsprojekt" genannt, der neben einer Anzeige mit dem Titel "Deutsch ist geil!" steht. Unmissverständlich ist die "Szene aus dem Großstadtleben" mit der Überschrift "Jessika und Ali", in der Jessika denkt: "Vielleicht hat Mutter ja doch Recht, wenn sie sagt, dass viele Moslems ihren sexuellen Kohldampf auf unseren Straßen vor sich herschieben."
Herausgeber der Schülerzeitung ist Martin Schöppe, selbst Schüler und Bezirksvertreter der Kölner Bürgerbewegung "Pro Köln", die vom Verfassungsschutz wegen des Verdachts auf rechtsextremistische Bestrebungen beobachtet wird. Von "Objektiv" - nach eigenen Angaben wird es in einer Auflage von 3.000 Stück verteilt - soll es vor Weihnachten bereits ein zweites Heft geben. Schützenhilfe durch Werbung im Netz bekommt "Objektiv" von befreundeten Schülermagazinen aus anderen Bundesländern, beispielsweise der "blauen Narzisse" oder von "heretic", einem Online- und Printmagazin aus München, das ebenfalls kostenlos an Schulen ausgegeben wird.
Besorgniserregend sind diese Aktionen deshalb, weil entgegen den Behauptungen von "Objektiv" und anderen Magazinen dieser Art nicht die Ausländerkriminalität sondern der Rechtsextremismus auf dem Vormarsch ist.
Das bestätigt der Bundesverfassungsschutzbericht für 2005: Im Vergleich zum Vorjahr registrierten die Verfassungsschützer mehr Neonazis. Die Zahl der gewaltbereiten Rechtsextremisten ist gestiegen. Zudem wurden deutschlandweit über 15.300 Fälle rechtsextremistisch motivierter Straftaten registriert, das sind rund 28 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Ein großer Teil der Gewalttaten fällt auf die ostdeutschen Länder. In Sachsen-Anhalt stieg die Quote rechter Delikte sogar um fast 50 Prozent.
Überraschend in diesem Zusammenhang sind die Ergebnisse einer neuen Studie, die im Auftrag der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung durchgeführt wurde. In der repräsentativen Umfrage mit dem Titel "Vom Rand zur Mitte. Rechtsextreme Einstellungen und ihre Einflussfaktoren in Deutschland" fanden Professor Elmar Brähler und Oliver Decker von der Universität Leipzig heraus, dass rechtsextremes Gedankengut keineswegs allein ein Problem Jugendlicher und speziell Jugendlicher in Ostdeutschland sei. Vielmehr, so Decker "gibt es rechtsextreme Einstellungen überall, aber bei jungen Menschen am wenigsten und bei den über 60-Jährigen am meisten". Das verblüfft, denn in der Öffentlichkeit treten meist Jugendliche als Rechtsextremisten auf. Doch ist es die Generation der Großeltern, bei denen sich ein geschlossenes rechtsextremes Weltbild am häufigsten wiederfindet.
Bei der Umfrage wurden die Interviewten mit Aussagen wie "Auch heute noch ist der Einfluss der Juden zu groß" oder "Die Ausländer kommen nur hier her, um unseren Sozialstaat auszunutzen" konfrontiert. Die Wissenschaftler ermittelten Zustimmungswerte zu sechs Dimensionen, die sie zuvor einem rechtsextremen Weltbild zuordneten: Befürwortung einer rechtsautoritären Diktatur, Chauvinismus, Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus, Sozialdarwinismus und Verharmlosung des Nationalsozialismus.
Vergleicht man die Angaben der unter 18-Jährigen mit dem Rest der Bevölkerung, so kommt man bei den Jugendlichen beispielsweise im Bezug auf die Ausländerfeindlichkeit, die die Forscher auch als "Einstiegsdroge" in den Rechtsextremismus bezeichnen, auf einen Wert von 21 Prozent - bei allen anderen liegt der Wert mit 27 Prozent höher. Betrachtet man die Zahlen zur Verharmlosung des Nationalsozialismus, liegen die jungen Menschen bei einem, der Rest der Bevölkerung bei vier Prozent. Überall sind die Übereinstimmungen mit den Aussagen bei den über 60-Jährigen jedoch am größten. Decker erklärt das mit einer Art "Langzeiteffekt: Durch die Sozialisation während des Nationalsozialismus habe sich das Gedankengut im Kopf der älteren Generation verfestigt. Doch das bedeutet nicht, dass Jugendliche für die braune Propaganda nicht empfänglich seien. Danach sind besonders diejenigen, die sich wirtschaftlich benachteiligt fühlen, ein geringes Selbstwertgefühl besitzen oder ihre Eltern als autoritär und lieblos empfinden für rechtes Gedankengut zugänglich.
Einen immer größeren Einfluss versuchen die verschiedenen rechten Gruppierungen mit Musik auf die Jugendlichen auszuüben. Rock als Beschleuniger von rechtsextremen Inhalten spielt dabei eine wichtige Rolle. 2004 versuchte die rechte Szene, durch die bundesweite Verteilung der so genannten "Schulhof-CDs" Nachwuchs zu gewinnen. Obwohl ein Großteil beschlagnahmt wurde, hat die NPD im Zuge der Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern im September eine Neuauflage an Schulen verteilt. Noch einfacher ist es aber, rechte Songs im Internet zum Download anzubieten. Doch das Feld wird weder im Netz noch auf dem Schulhof allein den Rechten überlassen. Unabhängige wie offizielle Seiten im Internet bieten Aufklärung und unterstützen so die Arbeit von Lehrern, Pädagogen und allen anderen, die sich argumentativ mit rechten Inhalten auseinander setzen wollen. Eine davon ist "turnitdown", die Seite des Antifaschistischen Pressearchivs und Bildungszentrums Berlin, die im Rahmen des Aktionsprogramms "Jugend für Toleranz und Demokratie - gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus" vom Bund gefördert wird. Haarklein werden dort in der "Argumentationshilfe" die Inhalte zum Beispiel der NPD-CD auseinander genommen, die Botschaft hinter den Texten entschlüsselt und die Kapitalismuskritik der Band Faustrecht so als Antisemitismus dekodiert. Außerdem informiert die Homepage über rechte Bands, Labels, Symbole und Szenen. Ähnlich funktioniert Jugendschutz.net - eine Aktion der Jugendminis-terien aller Länder, die mit Hintergrundinformationen und didaktischen Handreichungen eine Hilfestellung im Schulalltag bieten will.
Aufklärungsarbeit kommt auch von zahlreichen großen und kleinen zivilgesellschaftlichen Programmen, von denen viele ebenfalls durch den Bund gefördert werden. Auch die Aktion "Schule gegen Rassismus - Schule mit Courage", die gegen jede Form der Diskriminierung aktivieren will, wurde bisher in diesem Rahmen finanziert.
Doch ob dies auch künftig so bleibt, ist derzeit unklar. Das Projekt, dem inzwischen 311 Schulen deutschlandweit angehören, könnte durch das Förder-Raster fallen, befürchtet Eberhard Seidel, Journalist und Geschäftsführer der Aktion. Denn "Schule gegen Rassismus" hat sich inzwischen so etabliert, dass es nicht länger als Modellprojekt angesehen werden kann. Als so genanntes "Strukturprojekt" könnte es deshalb bei der Verteilung der vom Bundestag kürzlich bewilligten 19 Millionen Euro für Initiativen und Projekte gegen den Rechtsextremismus leer ausgehen, was das Aus bedeuten würde.
Trotz ungewisser Zukunftsaussichten hält Seidel an dem Projekt fest. "Überall, wo es eine Schule gegen Rassismus gibt, konnten wir Jugendliche mobilisieren, eine demokratische Alltagskultur aufbauen und der rechten Propaganda etwas entgegensetzen."