Arbeit und Soziales. Sowohl die Anhebung des Beitragssatzes für die Rentenversicherung als auch die Senkung des Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung wird von Experten überwiegend positiv bewertet. Das wurde während einer öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Arbeit und Soziales am 20. November deutlich. Der von den Koalitionsfraktionen vorgelegte Gesetzentwurf ( 16/3268 ) sieht vor, den Beitragssatz der Rentenversicherung im Jahr 2007 von 19,5 auf 19,9 Prozent anzuheben. Zudem ist geplant, den Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung um 0,3 Prozent stärker abzusenken als zunächst vorgesehen. Dieser soll nun von 2007 an 4,2 Prozent statt wie bisher 6,5 Prozent betragen. Finanziert werden soll dies aus den Überschüssen der Bundesagentur für Arbeit (BA). Ebenfalls diskutiert wurde ein Antrag der FDP-Fraktion ( 16/3091 ), die stärkere Beitragssenkungen fordert.
Der Deutsche Rentenversicherungsbund unterstützt die Festlegung des Beitragssatzes auf 19,9 Prozent. Damit liege man um 0,2 Prozent über dem vom Schätzerkreis der gesetzlichen Rentenversicherung für 2007 als ausreichend bewerteten Satz von 19,7. Bei diesem Wert sei jedoch schon 2008 mit einem Anstieg auf mehr als 20 Prozent zu rechnen. Mit der jetzigen Regelung werde die Kontinuität auch über das Jahr 2007 hinaus gewahrt.
Auch Professor Eckart Bomsdorf von der Universität Köln sieht eine Beitragssatzerhöhung auf 19,9 Prozent im Jahr 2007 als die einzige Möglichkeit, mittelfristig unter einem Wert von 20 Prozent zu bleiben. Wie lange jedoch dieser Beitragssatz Bestand haben werde, könne er nicht sagen. Dies hänge an zu vielen unbekannten Annahmen. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) sprach sich ebenfalls für den vorgeschlagenen Rentenversicherungssatz aus, da dieser vor weiteren Steigerungen in den nächsten Jahren schütze.
Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) kritisierte die Erhöhung der Rentenversicherungsbeiträge auf 19,9 Prozent. Wenn seriöse Schätzungen einen Wert von 19,7 Prozent als ausreichend für 2007 auswiesen, dürfe man den Satz nicht höher ansetzen. Dies würde zu höheren Lohnzusatzkosten führen und wäre damit wirtschafts- und beschäftigungspolitisch kontraproduktiv, so der BDA.
Die Koalition rechnet aufgrund der geplanten Beitragssatzanhebung mit Mehreinnahmen für die Rentenkasse in Höhe von 3,4 Milliarden Euro. In der knappschaftlichen Rentenversicherung ergeben sich dem Gesetzentwurf zufolge durch die Erhöhung des Beitragssatzes von gegenwärtig 25,9 Prozent auf 26,4 Prozent Mehreinnahmen von rund 40 Millionen Euro. Für die öffentliche Hand sei mit Mehrausgaben in Höhe von knapp 200 Millionen Euro zu rechnen, wobei 14 Millionen Euro auf den Bund und etwa 162 Millionen Euro auf Länder und Gemeinden entfielen. Ferner werde der Bund 2007 durch einen höheren allgemeinen Bundeszuschuss zur allgemeinen Rentenversicherung um 700 Millionen Euro und durch höhere Beiträge für Kindererziehung um 200 Millionen Euro belastet.
Mit dem Entwurf sollen auch die Einheitsbeiträge in der Alterssicherung der Landwirte von monatlich 199 auf 204 Euro im Westen und von monatlich 168 Euro auf 176 Euro im Osten angehoben werden. Durch die damit einhergehende Veränderung der Beitragszuschüsse ergeben sich den Angaben zufolge Mehrausgaben von rund 3 Millionen Euro.
Der DGB lehnte in der Anhörung die Absenkung des Beitrages zur Arbeitslosenversicherung über das geplante Maß hinaus ab. Damit würden die arbeitsmarktpolitischen Spielräume eingeengt. Zudem sei man in den nächsten Jahren konjunkturellen Risiken ausgeliefert. Aus beschäftigungspolitischen Überlegungen heraus, so der Einzelsachverständige Norbert Reuter aus Berlin, bestehe in Deutschland keinerlei Notwendigkeit zur Senkung von Löhnen sowie von Lohnnebenkosten. Statt also die Überschüsse der Bundesagentur für Arbeit (BA) zu weiteren Beitragssenkungen zu nutzen, sollten diese vielmehr zur Verstärkung arbeitsmarktpolitischer Aktivitäten sowie zur nachhaltigen Stabilisierung der Leistungsfähigkeit der Arbeitslosenversicherung verwendet werden. Aus Sicht der BA ist die Senkung der Beiträge von 6,5 auf 4,2 Prozent "solide finanziert" und im Finanzplan bis zum Jahr 2010 integriert. Allerdings könne auf die geplante Erstattung von einem Prozentpunkt aus der Erhöhung der Mehrwertsteuer nicht verzichtet werden, da der Haushalt der BA in diesem Falle unterfinanziert wäre. Die BDA begüßte die Absenkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung. Allerdings wäre eine Senkung auf weniger als 4,2 Prozent derzeit nicht solide finanziert.
Die Koalition rechnet mit einer Entlastung der Beitragszahler um zirka 17 Milliarden Euro. Zudem würden die Lohnnebenkosten der Arbeitgeber auf weniger als 20 Prozent gedrückt.