Es sei das "vielleicht wichtigste Ereignis der Nachkriegszeit", so urteilte Konrad Adenauer (CDU) über die Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und der Europäischen Atomgemeinschaft (Euratom). Doch kaum hatte der deutsche Bundeskanzler am 25. März 1957 in Rom zusammen mit den Außenministern der Benelux-Staaten, Frankreichs und Italiens die so genannten Römische Verträge unterzeichnet, meldete die Opposition daheim in Bonn schon heftige Kritik an. Die SPD bemängelte, die Verträge seien nur Minimallösungen und warnte vor möglichen Gefahren für Deutschland. Die FDP lehnte das Vertragswerk sogar rundweg ab, weil es die Wiedervereinigung gefährde. Und auch wirtschaftspolitisch sah die Partei schwarz: Die zollpolitischen Vereinbarungen seien problematisch, trieben die Preise in die Höhe und erschwerten den Export. Doch Adenauer blieb standhaft: Ein Fortschritt sei nicht ohne Risiko möglich. "Unsere Enkel werden eines Tages die Früchte ernten", so der Bundeskanzler in einer Pressekonferenz.
Tatsächlich, der "Alte" behielt Recht: Heute, 50 Jahre später, gilt die Gründung von EWG und Euratom, die Unterzeichnung der Römischen Verträge, als Meilenstein auf dem Weg zur heutigen Europäischen Union. Die sechs so genannten Montanunion-Staaten einigten sich damals schließlich nicht nur auf eine enge wirtschaftliche Verflechtung mit Zollunion, gemeinsamer Handelspolitik gegenüber Drittstaaten, einheitlicher Verkehrspolitik, landwirtschaftlicher Marktordnung sowie gemeinsamen Wettbewerbsregeln. Mit dem Euratom-Vertrag beschlossen die Unterzeichner-Länder auch eine gemeinsame Kontrolle und Koordinierung der Nuklearwirtschaft. Zudem definierten die Römischen Verträge in der Präambel noch ein weitreichenderes Ziel als die wirtschaftliche Integration: Mit der Gründung von EWG und Euratom sollte die "Grundlage für einen immer engeren Zusammenschluss der europäischen Völker" geschaffen werden.
Was aus heutiger Sicht wie ein selbstverständlicher, folgerichtiger Schritt hin zur Europäischen Union aussieht, war tatsächlich Produkt eines äußerst zähen Verhandlungsprozesses. Dass es überhaupt einen solchen Vorstoß in Richtung Integration geben würde, hätte drei Jahre vorher wohl kaum jemand in Deutschland oder Frankreich geglaubt. Schließlich war gerade der Plan, eine Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) zu gründen, 1954 am französischen Parlament gescheitert. Die europäische Integration hatte einen Rückschlag hinnehmen müssen.
Doch auch als die Außenminister der Benenelux-Staaten, Deutschlands, Frankreichs und Italiens 1955 auf einer Konferenz in Messina einen erneuten Schritt in Richtung Verwirklichung einer europäischen Gemeinschaft machten, zeichneten sich Probleme ab: Während Deutschland und die Benelux-Länder schnellstmöglichst einen gemeinsamen Markt mit Zollunion anstrebten, trat das protektionistisch eingestellte Frankreich auf die Bremse. Als viel wichtiger erachtete die französische Regierung dagegen die Integration der Atompolitik. Als der fertige Bericht einer Expertenkommission vorlag, der schließlich sowohl den Vorschlag zur Errichtung eines gemeinsamen Marktes als auch das Ziel der Schaffung einer Atomgemeinschaft enthielt, war fast ein Jahr zähen Ringens vergangen. Die Grundlage zur Ausarbeitung der späteren Römischen Verträge war geschaffen, der Teufel steckte jedoch im Detail, wobei besonders die Interessen Frankreichs und Deutschlands gegensätzlich blieben. Im Oktober 1956 gerieten Verhandlungen in eine ernste Krise, als Frankreich auf der Außenministerkonferenz in Paris die Angleichung von Sozialleistungen forderte. Jetzt ruderte die deutsche Seite zurück: Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard pochte darauf, dass Regelungen wie Grundlohn, Überstunden oder Soziallasten Sache der Sozialpartner, nicht des Staates seien. Auch stieß die französische Forderung, sich die militärische Nutzung der Kernenergie offenzuhalten, bei den übrigen Konferenzteilnehmern auf Kritik. Das Treffen endete schließlich ergebnislos - wie das Hornberger Schießen.
Erst ein außenpolitisches Ereignis, die Suezkrise, brachte Frankreich zum Umdenken: Das Ziel einer europäischen Gemeinschaft wurde für die französische Regierung nun wieder attraktiver. Gegenüber seinem Amtskollegen Adenauer zeigte sich Premierminister Guy Mollet im November 1956 dann auch kompromissbereit - und auch Adenauer machte Zugeständnisse. So steckte die Bundesregierung schließlich am 16. Januar 1956 im Kabinett die Richtlinien für EWS- und Euratom-Vertrag ab. Der Weg für die Unterzeichnung der Römischen Verträge zwei Monate später war damit frei.