Nicht nur aufgrund seines sonnigen Klimas, der attraktiven Landschaft und seiner exotischen Flora und Fauna ist der ferne Inselkontinent ein beliebtes Reiseziel westlicher Fernreisender. Auch die multikulturelle Lebensart der Aussies, die weltoffene und ungezwungene Haltung gegenüber Fremden, ist zu einem Tourismus fördernden Markenzeichen des australischen Way of Life geworden. Wie wirklichkeitsnah ist jedoch das touristische Bild der fröhlichen Multikulti-Gesellschaft Downunder? Seit 2001 ist das Image Australiens als sympathische und weltoffene Nation durch Berichte von Human Rights Watch und anderen Menschenrechtsorganisationen über die menschenunwürdige Zwangsunterbringung von irregulären Migranten, das heißt Migranten ohne gültiges Visum, in mit Stacheldraht umzäunten Lagern im heißen und unwirtlichen Outback vielfach in Frage gestellt worden. Fotos von abgemagerten Asylbewerbern, die mit Hungerstreikaktionen auf ihre Not aufmerksam machten, irritierten die Vorstellung von der toleranten Einwanderergesellschaft ebenso wie Aufnahmen von in Seenot geratenen Bootsflüchtlingen, denen die Aufnahme verweigert wird oder denen gar - wie im Wahlkampf 2001 geschehen - von Regierungsvertretern wider besseres Wissen vorgehalten wird, ihre Kinder absichtlich ins Meer zu werfen, um das Mitleid der australischen Bevölkerung zu wecken.
Der unmenschliche Umgang mit unerwünschten Migranten scheint auf den ersten Blick angesichts der langen Einwanderungsgeschichte des Landes unverständlich. Australien ist seit der Gründung der ersten Strafkolonie im Jahr 1788 durch die Briten in New South Wales immer ein Einwanderungsland gewesen. Von den gegenwärtig rund 20,3 Millionen Einwohnern des Kontinents sind nur mehr 1,6 Prozent den einheimischen Völkern zuzuordnen, die den Kontinent vor circa 40.000 Jahren besiedelten. Die große Mehrheit der Zuwanderer kam bis Mitte des vergangenen Jahrhunderts aus Großbritannien und Irland. Dies änderte sich erst, als der Zweite Weltkrieg die geographische Randlage und militärische Verwundbarkeit des riesigen - flächenmäßig ist Australien ungefähr so groß wie die USA -, aber bevölkerungsarmen Kontinents allgemein bewusst werden ließ.
Nach der Devise "Populate or Perish" wurden ab 1945 einwanderungspolitische Programme entwi-ckelt, die verstärkt auch Siedlern aus anderen europäischen Ländern die Niederlassung ermöglichten. Erst 1966 wurde die bis dahin geltende Auswahl von potenziellen Einwanderern nach der "White Australia Policy" - im Wesentlichen eine antiasiatische Ausschlusspolitik - zugunsten einer nicht mehr nach ethnischen Kriterien diskriminierenden Einwanderungspolitik aufgehoben.
Insbesondere in der rigiden Ausgrenzungspolitik gegenüber den so genannten "unauthorised migrants" - gemeint sind in der Regel Asylbewerber, die ohne Visum ins Land kommen und von australischem Boden aus einen Antrag auf Asyl stellen - zeigt sich, dass unter der Oberfläche des offiziellen Selbstverständnisses Australiens als multikultureller Nation das historisch ältere Nationsverständnis von Australien als White Nation - wenn auch gebrochen, so aber doch politisch und gesellschaftlich wirksam - weiterlebt.
Die Kehrseite der Öffnung für gewünschte Neueinwanderer bildet eine auf Abschreckung zielende Politik im Umgang mit unerwünschten Migranten. Sie werden in der australischen Presse häufig als "queue jumpers" (Vordrängler) bezeichnet, die sich nicht an die auch für Flüchtlinge geltenden Regeln der Bewerbung um ein Einreisevisum vom Ausland aus halten. Als Ende der 80er-Jahre die Zahl vietnamesischer, chinesischer und kambodschanischer Flüchtlinge ohne Einreisevisum anstieg, wurde im Parteienkonsens 1992 eine Zwangsunterbringung aller irregulären Migranten eingeführt. Diese war zunächst auf eine 273-Tage-Frist begrenzt; doch wurde die zeitliche Begrenzung schon zwei Jahre später aufgehoben. Aufgrund der langen Bearbeitungszeit von Asylverfahren warten inzwischen Migranten bis zu zehn Jahre hinter Stacheldraht auf entsprechende Gerichts- und Verwaltungsentscheide.
Der anhaltende Druck der nationalen und internationalen Öffentlichkeit stieß bei der australischen Regierung auf wenig Verständnis. Er blieb jedoch nicht folgenlos und hat wesentlich dazu beigetragen, dass eine weitere Verschärfung der Asylpolitik erfolgreich verhindert und besonders inhumane Härten der Zwangsunterbringung abgemildert wurden. So wurde inzwischen das Lager in Woomera, in dem die Unterbringungsbedingungen außerordentlich schlecht waren, geschlossen. Die oft skandalisierte Internierung von Kindern und Familien in den abgelegenen umzäunten Lagern ist seit Juli 2005 zugunsten einer Unterbringung in siedlungsnahen Wohnungen aufgegeben worden.
Im August dieses Jahres zog die Regierung zudem einen Gesetzentwurf zurück, der vorsah, alle irregulären Migranten nicht mehr auf dem australischen Festland, sondern auf Inseln außerhalb des australischen Hoheitsgebietes zu internieren, um so deren Rechtsansprüche auf ein ordentliches Asylverfahren aufzuheben und sie entsprechend leichter abschieben zu können. Diese "pazifische Lösung" des Problems der irregulären Migration hatte die Regierung 2001 eingeführt und von der australischen Marine aufgegriffene Bootsflüchtlinge nach Papua Neuguinea und auf die kleine Inselrepublik Nauru im Pazifik geflogen. Beide Länder gelten als sichere Drittstaaten und wurden für die Aufnahme der Flüchtlinge von der australischen Regierung finanziell entschädigt.
Um die Rechte potenzieller Asylbewerber einzuschränken, hat die australische Regierung darüber hinaus besondere "excised offshore places" eingerichtet. Zu diesen gehören seit 2001 einzelne vorgelagerte Inseln und Inselgruppen wie zum Beispiel die Weihnachtsinseln. Sie gehören zwar noch immer zum australischen Territorium und unterliegen der Verwaltungshoheit des Inselkontinents, doch schloss man die Gebiete einfach aus der Australian Migration Zone aus. Ob Personen, die an der Küste einer dieser Inseln landen oder von der australischen Marine aufgegriffen und dorthin transportiert werden, einen gültigen Asylantrag stellen können, liegt allein im Ermessen des Einwanderungsministeriums. Die Gesetze geben der Regierung das Recht, Migranten ohne gültiges Visum dort zu inhaftieren und in als sicher erklärte Drittländer zu deportieren.
Sigrid Baringhorst ist Professorin für Politikwissenschaft an der Universität Siegen. Jüngst hat sie zusammen mit anderen Autoren "Politische Steuerung von Integration - Intentionen und Wirkungen" im VS-Verlag herausgegeben.