FEHMARNBELT
Die Brücke zwischen Puttgarden und Rødby ist bei Verkehrsexperten weiter umstritten
Von Puttgarden aus ist Dänemark nur ein schmaler Streif am Horizont. Und das auch nur bei gutem Wetter. Sonst scheint das Wasser endlos zu sein, wenn man an der Nordost-Ecke der Insel Fehmarn den Fähren hinterher sieht. Bisher sind die dicken Pötte der Scandline hier die einzige Verbindung zwischen Deutschland und Dänemark. Sie verkehren im Halbstundentakt zwischen Puttgarden und Rødby auf der dänischen Insel Lolland. Erwachsene zahlen für die 45-minütige Überfahrt mindestens vier Euro - in Sommermonaten sieben. Wer mit dem Auto über den gut 20 Kilometer breiten Fehmarnbelt will, muss mindestens 56 Euro zahlen.
Jetzt scheint nach jahrelangen Diskussionen der Bau einer Brücke über den Belt immer wahrscheinlicher zu werden. Am 20. Februar einigten sich Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) und seine Amtskollegen aus Dänemark und Schleswig-Holstein, Fleming Hansen und Dietrich Austermann (CDU), auf ein mögliches Finanzierungskonzept. Die Mehrheit im Verkehrsausschuss des Bundestages steht dem Großprojekt ebenfalls positiv - oder wie die SPD - zumindest nicht abgeneigt gegenüber. Die Abgeordneten lehnten in der Ausschusssitzung am 28. Februar deshalb zwei Anträge von Linken und Grünen ab. Beide sind gegen eine feste Querung. Die Linke fordert in ihrem Antrag ( 16/3668 ) den Stopp aller Planungen und die Streichung der festen Fehrmarnbeltquerung aus der Liste der transeuropäischen Verkehrsnetze. Als "rückwärtsgewandte Verkehrspolitik" beizeichnen die Grünen eine feste Querung ( 16/3798 ). Sie fordern stattdessen die Aufrechterhaltung und einen Ausbau der Fährverbindungen und den weiteren Ausbau des Nord-Ostsee-Kanals.
Die geplante Brücke ist ein Projekt der Superlative - ähnlich wie der Tunnel unter dem Ärmelkanal und die geplante Brücke vom italienischen Festland nach Sizilien. Mit einer Länge von mindestens 20 Kilometern wäre sie gut drei Kilometer länger als die bisherige Rekord-Brücke Ponte Vasco da Gama in Lissabon. Nach den bisherigen Planungen sollen die Pylone, an denen Teile der Querung mit Schrägkabeln eingehängt würden, mehr als 280 Meter in den Himmel ragen und 45 Meter in die Tiefe reichen. Das Gewicht jedes dieser Riesen-Pfeiler wird auf etwa 20.000 Tonnen geschätzt. Bisher sind die Baukosten mit 5,5 Milliarden Euro für Brücke und Hinterlandanbindungen veranschlagt; wie bei Großprojekten üblich, könnte die Brücke aber auch deutlich teurer werden, fürchten Experten.
Ebenso üblich bei Projekten dieser Dimension sind heftige Diskussionen um Sinn und Machbarkeit. Halten die einen , wie der schleswig-holsteinische Wirtschaftsminister Dietrich Austermann, die Brücke für unverzichtbar, warnen andere vor finanziellen Risiken, Unrentabilität und irreparablen Umweltschäden. Unter den Verkehrsexperten im Bundestag betont die Union, eine feste Querung des Fehmarnbelts leiste einen "wichtigen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung der Region". Die Querung sei das letzte Glied in einer wirtschaftlichen Kette zwischen Nord- und Mitteleuropa. "Linke und Grüne verschließen sich der Zukunft", kritisiert Gero Storjohann (CDU). Etwas zurückhaltender ist die SPD: "Wir sind mitten in einer Prüfphase", sagt Hans-Joachim Hacker (SPD). Niemand könne bisher sagen, wie ein vernünftiges Finanzierungskonzept aussehen werde. Bisher gebe es kaum mehr als Spekulationen über das Projekt. Deshalb dürfe man keine voreiligen Schlüsse ziehen, warnt er.
Auf den "äußerst niedrig" prognostizierten Kosten-Nutzen-Wert der festen Querung über den Fehmarnbelt weisen die Liberalen hin. Es gebe in Deutschland viele große Infrastrukturprojekte mit einer deutlich höheren Kosten-Nutzen-Relation, die derzeit nicht finanziert werden könnten, betont Patrick Döring (FDP). Allerdings sei es ebenfalls ein falsches Signal, jetzt zu sagen, "wir wollen niemals die feste Querung". Dreh- und Angelpunkt für die Realisierung des Projekts sei es, eine private Betreibergesellschaft zu finden. Von den 5,5 Milliarden Euro Baukosten soll nach Aussage von Verkehrsminister Tiefensee Deutschland 840 Millionen Euro für seine Hinterland-Anbindung aufbringen. Die Dänen sollen für ihre Anbindung 650 Millionen Euro zahlen. Die vier Milliarden Euro teure Brücke soll mit 1,5 Milliarden Euro EU-Mitteln und einer privaten Betreibergesellschaft finanziert werden. Durch Maut und Schienennutzungsgebühren sollen sich diese Kosten innerhalb von mehr als 25 Jahren amortisieren. Dänemark soll zudem über Staatsgarantien den größten Teil des Finanzierungsrisikos tragen. Die Brücke über den Fehmarnbelt soll die Fahrzeit zwischen Kopenhagen und Hamburg von derzeit viereinhalb Stunden auf dreieinhalb Stunden verkürzen.