SOZIALCHARTA
Europarat will Grundrechte durchsetzen
Europas Arbeitsmarkt soll sozialer werden. Das zumindest hat sich Walter Riester (SPD), Berichterstatter des Ausschusses für Sozialordnung, Gesundheit und Familie des Europarats auf die Fahne geschrieben. Die Mitgliedsländer sollen künftig bei großen Reformen wie etwa Änderungen der Renten- oder Gesundheitssysteme europäische Standards berücksichtigen. Riester nahm dabei Bezug auf die Europäische Sozialcharta von 1961, deren revidierte Fassung von 1996 alle 47 Mitglieder des Europarates unterzeichnet hätten.
Zurzeit wird die Charta erneut überarbeitet. Aus diesem Anlass trafen sich die Mitglieder des Sozialausschusses am 22. März in Berlin - zum ersten Mal, wie Riester hervorhob. Der Ausschuss erstellt einen Bericht, in dem die Chancen der Sozialcharta untersucht werden. Zudem müsse geprüft werden, an welchen Stellen sie überarbeitet werden müsse und wie die Mitgliedsländer sie ihren Bürgern näher bringen können. Kritisiert wird dabei vor allem, dass keine Mindeststandards für Arbeitsmarktbedingungen festgelegt worden sein. Reiner Hoffmann, stellvertretender Generalsekretär des Europäischen Gewerkschaftsbundes (EGB), unterstützt die Initiative nachdrücklich: "Europa wird den Bürgern nur näher zu bringen sein, wenn es mehr ist als Wirtschaft." Werte wie eine geographische und kulturelle Einheit müssten daher stärker propagiert werden. Die Sozialcharta könne wichtiges dazu beitragen. Die Europäische Union sei immer noch ein Referenzmodell für andere Staaten, wenn es um Reformen von Sozialsystemen gehe.
Auch Wolfgang Heller, Direktor der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), hob diesen Aspekt hervor. "Es wird erwartet, dass die Europäische Union ihr Sozialmodell anderen zur Verfügung stellt." Das bedeute, die EU solle nicht den Kampf um niedrige Löhne führen, sondern Länder wie zum Beispiel China davon überzeugen, dass gewisse soziale Standards sinnvoll seien. Auf diese Weise erhalte die Union ihre Werte und bleibe gleichzeitig wettbewerbsfähig.Mit starkem Widerstand oder dem Vorwurf, man würde sich in die Angelegenheiten der Länder einmischen, rechne er nicht, sagte Riester. Schließlich hätten alle Mitglieder die Sozialcharta unterzeichnet. Er denke jedoch, dass jedes Land die Charta unterschiedlich schnell realisiere. "Ich akzeptiere, wenn einige sagen, wir haben momentan noch nicht die Kraft, alles umzusetzen."
Der Rat könne aber eine gewisse Kontrolle ausüben. Jedes Jahr erhalte er Berichte, wie weit die Vereinbarungen umgesetzt seien. Die Sozialcharta legt bisher bestimmte Grundrechte für Arbeitnehmer fest. Dazu gehört auch das Recht, Gewerkschaften zu bilden und zu streiken. Die Charta fordert außerdem den Schutz vor sexueller und psychischer Belastung. Zwar sollen die Unterzeichner auch für einen gerechten Arbeitslohn sorgen, präzisere Formulierungen fehlen in der Vereinbarung bislang allerdings.