Lausitzer Braunkohlerevier
Früher Bergbau, heute Seenlandschaft
Ein kräftiges "Wasser marsch", dann öffnet Brandenburgs Umweltminister Dietmar Woidke (SPD) die sechs Schieber des 1,20 Meter dicken Flutungsrohres. Mit einem gewaltigen Dröhnen rauscht das Wasser in die sandige Kraterlandschaft der alten Braunkohlegrube Meuro im Süden Brandenburgs. Erst in zirka zehn Jahren soll aus der dreieinhalb Kilometer langen Leitung kein Wasser mehr sprudeln.
153 Millionen Kubikmeter Wasser aus Spree, Neiße und Schwarzer Elster dürften dann den 770 Hektar großen und bis zu 70 Meter tiefen Ilse-See Zentimeter für Zentimeter gefüllt haben. "Wir stehen hier", rief Minister Woidke Mitte März seinem Publikum zu, "auf der größten Landschaftsbaustelle Europas."
Das Lausitzer Braunkohlerevier zwischen Berlin und Dresden wird mit einem gewaltigen Kraftakt von einer tristen Mondlandschaft zur vielfältigen Tourismusregion mit Häfen, Hotels und Reiterhöfen umgestaltet. Eine Seenkette aus etwa 30 künstlichen Gewässern soll in den nächsten Jahren Gäste aus ganz Deutschland anlocken. Der Tagebau Meuro, der noch bis 1999 aktiv war und nun in den Ilse-See verwandelt wird, ist das vorerst letzte Flutungsprojekt. Wenn dort spätestens 2018 die volle Badehöhe erreicht ist, soll Europas größte künstliche Wasserlandschaft komplett sein.
Derzeit wird die letzte Phase der Braunkohlensanierung eingeleitet, nachdem unwirtschaftliche Betriebe stillgelegt sowie Kippen und Böschungen gesichert wurden. Die Lausitzer Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft (LMBV) entwickelt neben den Großprojekten im Leipziger Umland allein in der Lausitz rund 60.000 Hektar altes Braunkohleterrain. Die LMBV kann sich dabei auf ein Vorbild aus DDR-Zeiten berufen: Als erster bewusst gestalteter Bergbaufolgesee wurde bereits Mitte der 70er-Jahre der Senftenberger See geflutet. Was damals ein Einzelfall war, läuft heute im großen Stil - und im Marketing: Schon ist von den "blauen Augen" der "märkischen Riviera" die Rede.
Tatsächlich ist das Freizeit-Vergnügen auf einigen Wasserflächen des Lausitzer Seenlandes längst angelaufen. Auf dem Gräbendorfer See, der Anfang März als erstes Gewässer seine volle Füllhöhe erreicht hat, eröffnete bereits eine Tauchschule in einem schwimmenden Haus, das nur über einen Steg zu erreichen ist. Andernorts kreisen Surfer und Jet-Ski-Fahrer, auf dem Sedlitzer See landen Wasserflugzeuge und an einigen Sandstränden wurde bereits die Badesaison eröffnet. Für Radler und Skater gibt es gut ausgebaute Wirtschaftswege, Offroad-Fans gehen in der Geröll-Landschaft auf Jeep-Touren und Kunstfreunde genießen Konzerte in alten Bergwerken und auf Kohleförderbrücken.
Zu den Attraktionen gehören neben Europas ältester Brikettfabrik in Domsdorf und dem Bergbaumuseum in Knappenrode die einstige Abraumförderbrücke F60 in Lichterfeld. Der Gigant der Technik gilt mit 502 Metern Länge und 80 Metern Höhe als größte bewegliche technische Anlage der Welt. Mittlerweile zählt der "liegende Eiffelturm" jährlich rund 70.000 Besucher. Einen Überblick über die rasante Entwicklung der Lausitz verschafft das Besucherzentrum der Internationalen Bauausstellung (IBA) Fürst-Pückler-Land am Ufer des künftigen Ilse-Sees, von wo auch geführte Touren auf den Grund der einstigen Kohlegrube starten.
Die IBA begleitet mit 25 Projekten und mehreren EU-Vorhaben noch bis 2010 den Landschafts- und Strukturwandel, der der Region Hunderte neue Arbeitsplätze bringen soll. Zu ihren bekanntesten Projekten gehören die sanft auf dem Wasser schaukelnden Häuser, die zum Markenzeichen der Region werden sollen. "Die Häuser werden die Seenlandschaft prägen", sagt LMBV-Sprecher Uwe Steinhuber. "Die ersten Übernachtungsgäste waren von dem einmaligen Blick in den Sonnenuntergang der Lausitz schwer begeistert."