Deutsche Stiftung Denkmalschutz
An mehreren Orten gleichzeitig sein? Für Gottfried Kiesow ist das kein Problem.
Der Professor der Kunstgeschichte, der in diesem Sommer 76 Jahre alt wird, scheint immer gerade dort zu sein, wo es ein Baudenkmal zu retten gilt. Als Mitbegründer und Chef der Deutschen Stiftung Denkmalschutz (DSD) tut er dies quasi "amtlich", letztlich aber doch angetrieben von seiner seit Jahrzehnten ungebrochenen Leidenschaft für den Erhalt historischer Bauwerke. Zu seinem außergewöhnlichen Engagement sagt er einfach: "Denkmalschutz ist für mich eine der reizvollsten Aufgaben, denen man sich stellen kann."
Und so sind die Tage für und mit Gottfried Kiesow lang. Wenn er, wie mehrfach im Jahr, eine Gruppe meist älterer Damen und Herren auf einer den von der Stiftung organisierten Reisen begleitet, absolviert er ein strammes Programm. Schon vor neun Uhr bricht die Gruppe in der Regel zu Besichtigungen auf. Keine interessante Stadtkirche, kein sehenswertes Schloss oder Gestüt wird ausgelassen. Und während die meisten Gruppenmitglieder schon einigermaßen erschöpft das Abendessen genießen, lädt Gottfried Kiesow schon zum nächsten Programmpunkt, dem abendlichen Vortrag. Ausgerüstet mit Laptop und Beamer lässt der Professor den Tag noch einmal Revue passieren oder bereitet die nächste Exkursion vor. Als Gottfried Kiesow 1985 zusammen mit Spitzenmanagern die Deutsche Stiftung Denkmalschutz gründete, schien dies die logische Konsequenz seines bisherigen beruflichen Wirkens zu sein. Bereits seit knapp zwei Jahrzehnten wirkte er zu diesem Zeitpunkt als Präsident des Landesamtes für Denkmalpflege in Hessen.
Schon damals war ihm klar: "Denkmalpflege ist eigentlich nicht in erster Linie Aufgabe von Ämtern und Behörden. Denkmalpflege ist eine Aufgabe aller in unserer Gesellschaft. Denn es sind wir Bürger, die in unseren Städten leben und diese gestalten." Deutlich wurde dies etwa im Fall einer Marburger Apothekerwitwe, die vergeblich einen Käufer für zwei erhaltenswerte Fachwerkhäuser suchte. Ein halbes Jahr nach dem Abriss der Gebäude stellte sich heraus, dass ein privater Investor hätte helfen können, wenn er denn davon gewusst hätte.
So stand am Beginn der Stiftung, deren Vorbild der National Trust in Schottland war, auch die Idee, akut bedrohte Objekte zeitweise zu übernehmen, zu sanieren und wieder einem Nutzer zu übergeben. Heute besitzt die Stiftung selbst etliche denkmalgeschützte Gebäude. Gerade sind zwei historische Palais in Quedlinburg von der DSD saniert worden und im Hof dahinter entsteht zur Zeit ein Tagungszentrum. Für Gottfried Kiesow ist die fachgerechte Sanierung eines Gebäudes nur die eine Seite der Medaille, die andere ist immer die wirtschaftliche Nutzbarkeit eines Bauwerks. Im Falle der Quedlingburger Palais sollen beide Anforderungen befriedigt werden.
Das gelingt nicht immer, wie besonders in den fünf östlichen Bundesländern manche perfekt restaurierte Innenstadt zeigt, in der nur noch wenige wohnen wollen oder können. "Man muss die Menschen in die Städte bringen und das nicht nur als Tagestouristen. Ihre Verweildauer muss gesteigert werden, was zum Beispiel durch ein attraktives Tagungszentrum wie in Quedlinburg erreicht werden könnte. Zum Erhalt einer historischen Stadt ist die wirtschaftliche Basis immer wichtig", so Kiesow. Auch wenn ihm manches Sorgen bereitet, sind gerade die fünf neuen Bundesländer Paradebeispiele für die Leistungsfähigkeit der Stiftung. Mit über 150.000 privaten Förderern und Gelder aus der Glücksspirale konnte die DSD nach der Wende durch direkte Zuschüsse helfen. Gerade auch für die kleine Dorfkirche waren und sind Spender zu begeistern, ebenso wie für die Wiederherstellung der "Frauenkirche" der Stiftung, der Georgenkirche in Wismar. Um die 200.000 Besucher begeisterten sich bisher schon für das noch nicht vollständig restaurierte Juwel der Backsteingotik.
Heute bezeichnet sich die DSD als die größte Bürgerbewegung für den Denkmalschutz mit einem Fördervolumen von 24,9 Millionen Euro im Jahr 2005. 341 Objekte in ganz Deutschland von der Dorfkirche über den Bahnhof bis hin zum Stadttor erhielten Unterstützung zur Erhaltung und Sanierung der historischen Bausubstanz.
Lag der Förderschwerpunkt nach 1989 für etliche Jahre im Osten des Landes, wendet sich die Stiftung nun wieder vermehrt auch Projekten im Westen der Republik zu. Deutschlandweit engagieren sich rund 350 ehrenamtliche Mitarbeiter in den Ortskuratorien für das Anliegen der Stiftung. Lange schon bietet die DSD auch das Dach für inzwischen 170 Stiftungen, die sie treuhänderisch verwaltet. Hier unterstützt sie Bürgerengagement gerade auch da, wo immer weniger öffentliche Mittel zur Verfügung stehen. Eines der jüngsten Beispiele ist die Stiftung für das ehemalige Franziskanerkloster Seligenthal im Rheinland, das von der Stifterin Eva Becker mit 50.000 Euro bedacht worden ist.
Gottfried Kiesow ist der Motor der DSD. Lohn seiner Aktivitäten sind zahlreiche Ehrenbürgerwürden in Ost und West. Sie sind die Anerkennung eines ungewöhnlichen Engagements, das etwa zur Denkmalakademie in Romrod und zum Fortbildungszentrum für das Handwerk in Görlitz geführt hat. Beide Einrichtungen dienen der Qualifizierung und Weiterbildung aller mit der Denkmalsanierung befassten Menschen - vom Eigentümer über den amtlichen Denkmalpfleger bis hin zum Architekten und Handwerker.
Mit der Zeitschrift "Monumente" informiert die Stiftung mehrfach im Jahr über ihre Projekte, über Spenderreisen und Jugendprojekte. Regelmäßig meldet sich darin auch Gottfried Kiesow zur Wort. Zuletzt mit einem Artikel über Stuckmarmor, mit dem er für eines seiner Steckenpferde, den Erhalt alter Handwerktechniken, wirbt. Unter der Treuhandschaft der DSD hat Kiesow aus seinem Privatvermögen die "Gottfried Kiesow-Stiftung" begründet, die sich für die Pflege dieser alten Kulturtechniken und die Bewahrung des Wissens darum einsetzt.
Kiesow ist ein pragmatischer Denkmalschützer mit Visionen. "Mein größter Wunsch ist, dass die öffentliche Hand wieder mehr fördert gerade auch mit Blick auf die zahlreichen Stätten der UNESCO-Welterbe-Liste in Deutschland", merkt der Professor hinsichtlich der momentanen Situation in der deutschen Denkmalpflege an. Die Auszeichnung als Welterbestätte verpflichte auch zum Engagement.
Bedauerlich findet er die Entmündigung zahlreicher Landesdenkmalämter, deren Fachkompetenz sich über die Jahrzehnte bewährt habe. "Die Landesdenkmalpfleger brauchen wieder größere Freiheit. Es ist keine gute Entwicklung, dass sich heute in etlichen Bundesländern Untere Denkmalbehörden über das fachliche Urteil der Landesämter hinwegsetzen können", stellt Kiesow dazu fest.
Gottfried Kiesow formuliert seine Meinung klar und deutlich - und er findet damit Gehör. So wird er weiter mit der Deutschen Stiftung Denkmalschutz für "seine" Denkmäler kämpfen. Seinen nicht unermüdlichen Enthusiasmus erklärt er mit einer konfuzianischen Weisheit: "Wenn Du liebst, was Du tust, wirst du nie arbeiten müssen."
Die Autorin ist Kunsthistorikerin in Bonn.