Quartierplanung
Neue Konzepte für neue Ansprüche
Städte mit anspruchsvoll sanierten historischen Kernen sind nicht nur für Touristen attraktiv. In der Bewahrung des kulturellen Erbes kommt auch der Wunsch nach einer unverwechselbaren Identität des Wohn- und Lebensumfeldes zum Ausdruck. Allerdings haben sich die Lebensgewohnheiten der Stadtbewohner unverkennbar im Laufe der Zeit verändert.
Um dem Rechnung zu tragen und alte Städte für neue Nutzungen zu erschließen, sind integrierte Stadtentwicklungskonzepte notwendig. Dabei stehen nicht mehr einzelne Schlüsselprojekte im Vordergrund, die ein Quartier punktuell durch herausragende Denkmale oder Altbauten aufwerten. Um schließlich auch der "reduzierten Nachfrage nach Stadt" gerecht zu werden, gilt es Leitbilder für die umfassende Entwicklung urbaner Räume zu entwerfen, in der sich die spezifischen Werte einer Stadt im Zusammenspiel zwischen alter und neuer Bebauung ausdrücken.
Das Leitbild "Fontanestadt Neuruppin 2015" aus dem Jahr 2003 beispielsweise fasst im Titel "Stadt, Kultur, Wasser" detailliert die spezifischen Werte der Gesamtstadt zusammen. Es geht im Planungs- und Entwicklungsanspruch wesentlich über konkrete bauliche Projekte hinaus zu übergeordneten städtischen Entwicklungsebenen. Neuruppin soll ein "Standort für Bildung, Verwaltung, Wirtschaft" und "Erlebnisstadt am Wasser", "1A-Wohnstandort bei Berlin" und "Soziale Stadt" werden. Die Stadt öffnet sich vorausschauend für Aspekte von Ökologie, Umweltschutz und technische Weiterentwicklung. Die Herausforderungen von heute und morgen werden so mit dem Erbe der Vergangenheit verknüpft; die Innenstadt bleibt nicht museale Erinnerung an eine geschichtliche Epoche, sondern wird historischer Teil der modernen Entwicklung.
Im größer gewordenen Europa muss sich jede Stadt in einem Standortwettbewerb behaupten - nicht nur um Firmenansiedlungen, Investitionen und Arbeitsplätze, sondern zunehmend auch um dynamische, ini-tiativ handelnde Einwohner, die sich mit ihr identifizieren und Interesse und Leidenschaft dafür entwickeln, in ihr zu leben.
Da sich die europäische Stadt aus ihrem zumeist alten Kern, der Innenstadt, heraus definiert, muss jede Stadtplanung daran interessiert sein, dieses Zentrum mit Leben zu erfüllen. Die Entwicklung der vergangenen Jahre lief allzu oft in die entgegengesetzte Richtung. Warum sind so viele Menschen in die Außenbezirke abgewandert, was hält sie davon ab, in der Innenstadt zu wohnen? Erst wenn diese Frage genau analysiert ist, können die Stadtentwicklungsplaner zielorientiert handeln und das Interesse etwa potenzieller Einfamilienhausbauer auf die Bestandsobjekte der Innenstädte lenken.
Das kann durch Bestandsuntersuchungen, Vorschläge zu Nutzungsoptionen oder Vorabschätzungen zum Sanierungsaufwand von Altbauten und entsprechenden Finanzierungskonzepten erfolgen, so dass - vergleichbar mit Fertighausprojekten - für den potenziellen Bauherrn eine größere Planungssicherheit besteht.
Luckau, eine der historischen Hauptstädte der Niederlausitz, hat damit bereits gute Erfahrungen gemacht. Die Stadt ließ 21 Grundstücke und Objekte im Hinblick auf Nutzungsoptionen und Förderfähigkeit untersuchen. Darauf aufbauend wurden Umbauvarianten und unterschiedliche Nutzungsvorschläge erarbeitet, die die Stadt potenziellen Mietern oder Käufern anbieten kann. Auf diese Weise konnten bereits einige für die Erhaltung der Stadtstruktur wichtige Objekte saniert werden.
Die Autorin ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Leibniz-Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung, Erkner.