Klosterkammer Hannover
Mit pfiffigen Ideen werden alte Gebäude erhalten. Und inneren Frieden gibt's dazu.
Hammerschläge zerschneiden die Stille des Klostergartens. 15 Männer und Frauen arbeiten Seite an Seite entlang der maroden Klostermauer, hieven schwere Steine heraus und befreien sie von Moos, Flechten und altem Mörtel. Es sind Gäste, die hier im niedersächsischen Wülfinghausen innere Einkehr suchen. Sie alle sind einer Einladung der sieben evangelischen Schwestern gefolgt, die Kirche und Wohntrakte aus dem 13. Jahrhundert im Auftrag der Klosterkammer Hannover seit mehr als zehn Jahren mit spirituellem Leben füllen.
Gegen freie Kost und Logis heißt es eine Woche lang Steine schleppen für die Seele: im Rhythmus des klösterlichen Lebensprinzips "Ora et labora" - beten und arbeiten. Wülfinghausen zeigt, wie eng in allen 17 Klöstern und Damenstiften der Klosterkammer Nutzung und Denkmalpflege miteinander verknüpft sind - und das höchst ökonomisch. "Wir haben durch die Mauerbau-freizeiten einige Zehntausend Euro bei der Restaurierung sparen können,", erzählt eine der Schwestern. Den Wiederaufbau der Mauer mit den gereinigten Steinen hat allerdings eine Firma im Auftrag der Klosterkammer erledigt.
Bei der denkmalpflegerischen Planung für ihre rund 800 Gebäude mit mehr als 10.000 Kunstschätzen arbeitet die Klosterkammer Hannover aber meist mit eigenen Leuten. Volker Hemmerich, Leiter der Bauabteilung, vergleicht seine vier Baudezernate mit eigenen Restaurierungs- und Textilwerkstätten gerne mit den mittelalterlichen Bauhütten: "Bei uns wird genau so wie damals das Wissen von Generation zu Generation weitergegeben." Über das Flächenland Niedersachsen verteilt betreuen die zwölf Architekten der Klosterkammer meist ein gesamtes Arbeitsleben lang das klösterliche Erbe der Reformation. "Sie identifizieren sich mit ihren Objekten", erzählt Hemmerich, "und daraus ergibt sich eine Verantwortung des Einzelnen, die über das gewöhnliche Maß hinausgeht."
Das ist nicht immer konfliktfrei. Die landeseigene, aber unabhängig wirtschaftende Klosterkammer hat für den Besitz ihrer vier Stiftungen zwar seit zwei Jahren denkmalpflegerische Hoheit, vorrangig ist aber, das alte Erbe zu beleben. So wurde im Kloster Marienwerder bei Hannover trotz denkmalpflegerischer Bedenken ein gläserner Aufzug vor die alte Fassade gesetzt. Nur so ließen sich das Bibelzentrum und die Pflegeeinrichtung für alte Stiftsbewohnerinnen auch für Gehbehinderte zugänglich machen. Mehr als fünf Millionen Euro gibt die Klosterkammer im Jahr für den Erhalt ihrer Gebäude und Kunstschätze aus. Sie kommen hauptsächlich als Pachteinnahmen aus dem riesigen Landbesitz. Nur das Klostergut Wöltingerode am nördlichen Harzrand wird von einem Verwalter der Klosterkammer geführt. Aus der einstigen Krypta des mittelalterlichen Klosters tönt heute ein lautes "Prost", wenn ganze Busladungen von Besuchern die Liköre und Schnäpse der florierenden Klosterbrennerei kosten. Wo früher Mönche beteten, geht heute Hochprozentiges über den Verkaufstresen. Auch die Schwestern in Wülfinghausen haben wieder eine clevere Idee zur Pflege ihres Klosters: "Gartenexerzitien". Wer innere Einkehr sucht, darf nun in den Klostergärten Unkraut zupfen.
Die Autorin ist Journalistin in Hannover.