Ende April treffen sich in Berlin die Finanzausschussvorsitzenden der nationalen Parlamente in der EU. Welche Themen werden Sie zur Sprache bringen?
Die Konferenz in Berlin wird sich aus der Sicht der Finanz- und Steuerpolitiker mit den Herausforderungen des demografischen Wandels auseinandersetzen. Wie vor diesem Hintergrund die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen und die Stabilität der Finanzmärkte zukunftsfest zu gestalten sind, wird im Vordergrund stehen.
Wo sehen Sie den dringlichsten Handlungsbedarf bei der Harmonisierung der Steuern in der EU?
Harmonisierung bedeutet, den Blick für die gemeinsamen Interessen bei aller sogar wünschenswerter Unterschiedlichkeit zu schärfen. So bleibt die Bekämpfung des Mehrwertsteuerbetrugs in der EU eine Aufgabe, auf die sich die Mitgliedstaaten schnell einigen können. Schwieriger ist es bei Entscheidungen, die - wie bei den direkten Steuern - als ausschließlich in die Kompetenz der Mitgliedstaaten fallend gesehen werden. Hier ist zu fragen, ob eine Harmonisierung überhaupt in allen Bereichen sinnvoll und wünschenswert ist. Ein Steuerwettbewerb kann meines Erachtens zum Teil förderlich sein.
Länder wie Irland lo-cken Investoren mit Dumping-Steuersätzen. Was werden Sie Ihren Kollegen aus diesen Ländern sagen?
Die Arbeiten an einer gemeinsamen Bemessungsgrundlage für Körperschaftsteuern gehen weiter. Es bleibt das Ziel, Vereinfachungen und mehr Transparenz zu erreichen sowie die Verwaltungs- und Umsetzungskosten zu verringern, ohne dabei Steuereinnahmen zu gefährden. Alle Mitgliedstaaten werden durch niedrigere Befolgungskosten für europäische Unternehmen und erleichterte grenzüberschreitende Tätigkeit die Vorteile des Binnenmarktes für die Unternehmen vergrößern können und die Wettbewerbsfähigkeit der EU gegenüber Drittstaaten stärken.
Beim EU-Stabilitätspakt zählte Deutschland jahrelang zu den Sündern. Rechnen Sie mit einer neuen Debatte über die Kriterien?
Wichtig ist: Deutschland hält den Stabilitätspakt wieder ein, was auch für die kommende Zeit so bleiben muss. Bei der Anwendung des Paktes ist der präventive Bereich stärker in den Blick zu nehmen und erhöhtes Augenmerk auf die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen zu legen.
Zuletzt gab es Meinungsverschiedenheiten mit Frankreich über die Rolle der Europäischen Zentralbank. Ein grundsätzlicher Konflikt oder nur französischer Wahlkampf?
Dass man sich in den Mitgliedstaaten immer auch Gedanken über die Geldpolitik macht, halte ich für selbstverständlich. Ebenso selbstverständlich ist und bleibt die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank, die wir keinesfalls in Frage stellen.
Die Fragen stellte
Volker Müller