ETHIKRAT
Das Gremium bekommt eine gesetzliche Grundlage. Und bleibt parlamentarierfreie Zone.
Der Nationale Ethikrat ist tot - es lebe der Deutsche Ethikrat. Am 26. April verabschiedeten die Abgeordneten des Bundestags das Gesetz zur Einrichtung des Deutschen Ethikrats ( 16/2856 ) in geänderter Fassung mit den Stimmen der Koalition und der FDP sowie einen Antrag von CDU/CSU und SPD ( 16/5128 ) über einen Parlamentarischen Beirat. Das neue Gremium soll am 1. Juli 2007 seine Arbeit aufnehmen.
Damit ist der fast zwölfmonatige Streit da-rüber, in welcher Form der Bundestag sich über ethische Fragen wie Präimplantationsdiagnostik oder Patientenverfügung beraten lassen soll, beendet - mit dem Ergebnis, dass Abgeordnete auch weiter nicht im Ethikrat mitreden dürfen. Allerdings soll es künftig einen neunköpfigen Beirat aus Parlamentariern aller Fraktionen geben, der die Arbeit des Ethikrates begleitet.
Bislang gibt es einen Nationalen Ehtikrat, der 2001 vom damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) einberufen wurde. Schröder meinte ein zusätzliches Beratergremium zu brauchen, das allein aus Experten verschiedenster Fachrichtungen bestehen sollte. Vor allem von Seiten der Enquete-Komission des Bundestages "Ethik und Recht der modernen Medizin", die bis Sommer 2005 existierte, hagelte dafür es Kritik. Die Kommission, bestehend zur einen Hälfte aus Sachverständigen und zur anderen aus Abgeordneten, reiche aus, um diese Aufgabe zu erfüllen. Der von Schröder eingesetzte Rat diene nur dazu, seinen Willen zu bestätigen. Er könne gar nicht unabhängig sein, weil alle Mitglieder nur vom Kanzler ernannt würden.
Diesen "Geburtsfehler" wollte Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU) lösen. Im Oktober 2006 präsentierte sie ihren Gesetzentwurf zum Ethikrat - und musste dafür viel Kritik einstecken, denn auch Schavans Entwurf sah ein reines Expertengremium vor.
Am 25. März dieses Jahres einigte sie sich mit den Koalitionsfraktionen auf den nun verabschiedeten Kompromiss. Der neue Ethikrat soll eine stärke Anbindung an das Parlament erhalten als der alte. Seine 26 Mitglieder werden künftig je zur Hälfte von Bundestag und Regierung ausgewählt.
Die Koalitionsfraktionen sowie die FDP zeigten sich zufrieden mit dem nun verabschiedeten Gesetz. "Eine wesentliche Verbesserung" gegenüber dem Nationalen Ethikrat werde der Deutsche Ethikrat sein, sagte Ilse Aigner, Vorsitzende der Arbeitsgruppe Bildung und Forschung der CDU/CSU unserer Zeitung. Sie hält es für richtig, dass das Gremium ausschließlich aus Sachverständigen bestehen wird und Politiker nur im Beirat vertreten sind. "Die Frage ist ja, ob ich mich selber beraten kann", so Aigner.
In der geplanten Form erarbeiteten Experten eine Empfehlung, während Politiker über sie entscheiden. Auch Jörg Tauss, forschungspolitischer Sprecher der SPD, sprach von einem "sehr guten Kompromiss". Cornelia Pieper, forschungspolitische Sprecherin der FDP, sah es als wichtig an, Sachverständige und Politiker zu trennen. "Ich denke, bei solchen wichtigen ethischen und biomedizinischen Fragen ist es richtig, wenn man erstmal keine Einflussnahme hat", sagte Pieper. Wie das Parlament die Empfehlungen umsetze, müsse es dann selbst entscheiden. Die Koalition habe viele der Forderungen übernommen, die die FDP in einem eigenen Antrag ( 16/3289 ) erhoben hatte. Dieser Antrag wurde im Bundestag abgelehnt.
Scharfe Kritik kam dagegen von Bündnis 90/Die Grünen. Als "völlig inakzeptabel" bezeichnete Reinhard Loske, Leiter der Grünen-Arbeitsgruppe Biotechnologie, das Gesetz. Mit dem politikerfreien Ethikrat würden "die Rechte des Parlamentes beschnitten". Das Gremium diskutiere über biomedizinische Fachfragen und gesellschaftliche Probleme. "Da ist es völlig falsch, das Parlament rauszudrängen", meinte Loske.
Er sprach sich für ein Ethik-Komitee aus, das halb aus Abgeordneten, halb aus Sachverständigen zusammengesetzt, zusätzlich zum Ethikrat tagen solle. Der entsprechende Antrag der Grünen ( 16/3199 ) wurde gegen die Stimmen der Grünen und der Linken im Plenum abgelehnt. Loske bemängelte zudem, dass sich CDU/CSU und SPD unter sich auf den Beirat geeinigt hätten und die Opposition von dem Beschluss erst aus der Presse erfahren habe. Im Dezember hätten sich Vertreter aller Fraktionen mit Bundestagspräsident Norbert Lammert getroffen. Damals habe es so ausgesehen, als ob ein interfraktioneller Kompromiss möglich wäre. Letztendlich habe die Koalition doch allein gehandelt, sagte Loske.
"Der Beirat ist kein zahnloser Tiger, er ist sogar nur ein ausgestopfter Tiger", unterstützte Petra Sitte, forschungs- und technologiepolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke, Loskes Kritik an der zusätzlichen Einrichtung. Auch Die Linke hatte einen Antrag für ein Ethik-Komitee ( 16/3277 ) eingebracht, der abgelehnt wurde. Eine geschlossene Meinung zum geänderten Gesetz habe die Fraktion nicht. Das Gesetz verbessere die Lage des Rates zwar schon, weil es die fehlende gesetzliche Grundlage biete. Die Mehrheit der Fraktion bemängele aber, dass Abgeordnete nicht verbindlich an den Sitzungen teilnehmen dürften.
Nur der Nationale Ethikrat, dessen Tage nun gezählt sind, zeigt sich von den Diskussionen zunächst unbeeindruckt. Die Vorsitzende des Gremiums, Kristiane Weber-Hassemer, sagte nach der Verabschiedung des Gesetzes für den neuen Rat: "Wir arbeiten vorerst völlig normal weiter."