NATURSCHUTZ
Europäischer Richterspruch zwingt zu einer Verschärfung des deutschen Rechts
Deutschland will die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie der EU (FFH) künftig wieder einhalten. Dass das bisher nicht der Fall war, hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) schon am 10. Januar des vergangenen Jahres festgestellt. Jetzt sollen die Mängel durch das erste Gesetz zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes ( 16/5100 ) behoben werden, dessen Entwurf der Bundestag am 26. April in erster Lesung zur Beratung an den Umweltausschuss überwiesen hat.
Die FFH-Richtlinie aus dem Jahre 1992 hat zum Ziel, die natürlichen Lebensräume und die wild lebenden Tiere und Pflanzen zu erhalten. Fünf Rügen gegen die Bundesregierung wegen Verstößen gegen die Richtlinie haben die Luxemburger Richter ausgesprochen, vier betreffen das Bundesnaturschutzgesetz, eine das Pflanzenschutzgesetz.
So war für bestimmte Projekte außerhalb von besonderen Schutzgebieten (Natura-2000-Gebieten) keine Verträglichkeitsprüfung verpflichtend vorgeschrieben, und zwar unabhängig davon, ob die Projekte dem Schutzgebiet tatsächlich schaden. Nun will die Regierung den Projekt-Begriff, wie er in der Richtlinie gefasst ist, ins deutsche Recht übernehmen. Künftig soll nicht mehr zwischen Projekten innerhalb und außerhalb besonderer Schutzgebiete unterschieden werden. Eine Verträglichkeitsprüfung soll künftig auch dann möglich sein, wenn bislang keine Anzeige eines Projekts oder eine Entscheidung darüber erforderlich war.
Zweitens hatte der EuGH moniert, dass nach deutschem Recht Emissionen in ein besonderes Schutzgebiet unabhängig davon zulässig sind, ob das Schutzgebiet dadurch beeinträchtigt wird oder nicht. Diese Vorschrift will die Regierung streichen. Die Verträglichkeitsprüfung für Anlagen, die immissionsschutzrechtlich geprüft werden müssen, soll nicht mehr von vornherein auf den Bereich begrenzt werden, auf den sich die Immissionen auswirken. Solche Anlagen werden damit den anderen Projekten gleichgestellt.
Beanstandet hatte der EuGH ferner, dass unbeabsichtigte Beeinträchtigungen von geschützten Tieren aus dem Geltungsbereich der Artenschutzbestimmungen ausgenommen worden seien. Nun soll jede Beschädigung oder Vernichtung von Fortpflanzungs- und Schlafstätten geschützter Tierarten verboten werden.
Spielräume der Richtlinie bei der Auslegung von Artenschutzvorschriften will die Bundesregierung nun rechtlich absichern. Damit sollen Land- und Forstwirte künftig prüfen können, ob die örtliche Population einer Tierart erhalten wird und ob die Fortpflanzungs- und Ruhestätten der Tiere nicht nur bestehen bleiben, sondern nach wie vor ihrer Funktion dienen. Schließlich ist geplant, die Ausnahmen von Verboten nun vollständig und einheitlich im Bundesnaturschutzgesetz zu regeln.
Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf 17 Änderungswünsche formuliert, denen die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung nur in sechs Fällen zugestimmt hat. Besonders beim Vogelschutz hätten sich die Länder gewisse "Entschärfungen" gewünscht. So sollte das Störverbot für europäische Vögel nur in der Brut- und Aufzuchtzeit, nicht aber in der Mauser, in Überwinterungs- und in Wanderungszeiten gelten. Auch sollten nur solche Lebensstätten ganzjährig geschützt werden müssen, die von ihren Bewohnern oder deren Artgenossen über mehrere Jahre genutzt werden. Beide Anliegen lehnte die Regierung ab.
Die Grünen hatten im Bundestag einen Antrag ( 16/1670 ) eingebracht, die Verstöße gegen die FFH-Richtlinie abzustellen. Bei Enthaltung der Linken gab es dafür im Plenum auf Anraten des Umweltausschusses ( 16/4276 ) keine Mehrheit. Die FDP verwies darauf, dass die Verstöße aus der Zeit der rot-grünen Regierungskoalition stammten.
Ebenfalls ohne Mehrheit blieb ein weiterer Antrag der Grünen ( 16/1497 ), die Regierung solle eine "nationale Biodiversitätsstrategie" vorlegen. Das Plenum folgte dabei ebenfalls einer Empfehlung des Umweltausschusses ( 16/4277 ). Die Linke votierte mit den Grünen für den Antrag, die FDP enthielt sich. Die Regierung war darin aufgefordert worden darzulegen, wie weit das im Bundesnaturschutzgesetz festgelegte Biotopverbundsystem auf mindestens zehn Prozent der Landesfläche verwirklicht ist. Sie sollte sagen, was noch zu tun ist, um Naturschutzflächen des Bundes in eine Bundesstiftung einzubringen oder den Ländern zu übertragen.