AMU-DARJA
Die Grenze zwischen Usbeskistan und Tadschikistan zu Afghanistan wird streng kontrolliert. Jetzt soll sie für den Handel durchlässiger werden. Drogen haben längst ihre Routen.
Hinter dem ersten Stacheldrahtzaun zieht sich ein Sandweg entlang, auf dem jeder Fußabdruck zu sehen ist. Dann folgt die nächste Zaunreihe, dahinter ein etwa 300 Meter langer Auenstreifen zum Fluss, der hier breit und ruhig durch die Ebene fließt. Wachtürme stehen in Sichtweite. Das ist die Grenze zwischen Usbekistan und Afghanistan entlang des Flusses Amu-Darja, deren auf 137 Kilometer kontrollierte Monotonie nur der Grenzübergang über die von der Sowjetunion erbaute Brücke der Freundschaft unterbricht.
Am Oberlauf allerdings, wo der Fluss durch das Pamir-Gebirge den Namen Pjandsch trägt, ist die Szenerie eine andere: Neben der mancherorts von Gebirgsbächen weggespülten Straße fällt ein kurzer, steiler Abhang zum schnellen Strom. Auf der afghanischen Seite, in Steinwurfentfernung, schlängelt sich ein in die Felswand abenteuerlich eingekerbter Eselspfad. Hin und wieder patrouilliert am Straßenrand ein kleiner Trupp jugendlicher, offensichtlich schlecht ausgerüsteter Grenzsoldaten.
Im September 2005 übernahm Tadschikistan von einer russisch geführten GUS-Mission offiziell die alleinige Verantwortung für den Grenzschutz. Seither kontrollieren schätzungsweise 4.000 Soldaten die mehr als 1.300 Kilometer lange tadschikisch-afghanische Grenze, unterstützt von noch etwa 250 russischen Militärberatern. Selbst bei größerer Truppenstärke und besserer Ausrüstung wäre diese Grenze aufgrund der schwierigen Topografie und ihrer Länge kaum kontrollierbar.
Eine weitere Verschlechterung der Sicherheitslage in Afghanistan könnte sich negativ auf die Stabilität der Nachbarländer auswirken. Und so prägen weiterhin Sicherheitsbedenken das Stereotyp der Afghanen als zivilisatorisch weit zurückgebliebener, ewig kriegerischer Menschenschlag mit außerordentlichen Handelsfähigkeiten, wobei Afghane oft mit Paschtune gleichgesetzt wird.
Ängste und Vorbehalte in den nördlichen Nachbarstaaten Afghanistans gegen eine stärkere Öffnung der Grenze für den Waren- und Personenverkehr gehen vor allem auf den straff organisierten Drogenhandel zurück. Vermutlich laufen etwa 20 Prozent des afghanischen Drogenexports über die Nordgrenze Afghanistans, überwiegend durch die afghanische und tadschikische Hochgebirgsregion Badachschan. Eine alternative Route scheint in jüngerer Zeit über Turkmenistan zu führen. In die Gegenrichtung wächst der Schmuggel von Chemikalien zur Herstellung von Heroin in afghanischen Laboratorien.
Da die Region aber fernab von Seehäfen und großen Märkten liegt, ist neben Sicherheit auch die Förderung von Austausch und Kooperation essenziell. Der Spannung zwischen diesen beiden Zielen tragen auch internationale Initiativen wie das EU-Programm Border Management in Central Asia (BOMCA) Rechnung. Noch liegt der Schwerpunkt der meisten Projekte eindeutig auf abgrenzender Sicherheit. Die Einsicht in Nutzen und Notwendigkeit von Kooperation mit Afghanistan ist aber auch unter den zentralasiatischen Entscheidungsträgern gewachsen. Afghanistan hat Beobachterstatus in relevanten regionalen Organisationen wie der Schanghai Organisation. Die tadschikische Drogenkontrollagentur ist seit einem Jahr mit Verbindungsoffizieren in Afghanistan vertreten. Zeitungen berichten von ersten Drogenfunden durch gemeinsame tadschikisch-afghanische Operationen.
Initiativen des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP), der Weltbank, der Asiatischen Entwicklungsbank sowie bilateraler Geber und Investoren (vor allem die USA, Japan, Iran und China sind hierbei sehr aktiv) zielen auf den Aufbau regionaler Transitkorridore. Am deutlichsten zeigt sich dies derzeit am Brückenbau zwischen Nischnij Pjandsch (Tadschikistan) und Schir Khan Bandar (Afghanistan). Die Brücke soll von September 2007 an nicht nur den gegenwärtigen Fährverkehr ersetzen, sondern mit einem grenznahen Handelsplatz und modernen Zollabfertigungsanlagen auch den regionalen Handel beleben.
Drei kleinere Brücken mit angeschlossenen Grenzmärkten, teilweise finanziert durch die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit, entstanden bereits zwischen 2004 und 2006 in der Hochgebirgsregion Badachschan auf Initiative der Aga Khan Stiftung. Die hier durch die Grenzmärkte entstandene grenzüberschreitende Dynamik erlaubt bereits Planungen über gemeinsame kommunale Projekte. Externe Initiativen können in Badachschan kulturelle Gemeinsamkeiten aufgreifen, da beidseits des Flusses überwiegend tadschikische Ismailiten leben. Zudem macht die Unzugänglichkeit vor allem der afghanischen Seite die Bevölkerung vom Warenaustausch abhängig.
Noch behindern jedoch an der Nordgrenze Afghanistans nichttarifäre Hemmnisse und intransparente tarifäre Regelungen den Handel. Da regelkonformer Warentransport langwierig und kostspielig ist, verdienen Zöllner an kreativen Lösungen vor Ort. Dennoch wächst auch der legale Handel. Afghanistan hat mit Usbekistan und Tadschikistan langfristige Verträge zur Energieversorgung des Nordens abgeschlossen.
Vom Bauboom im Norden Afghanistans profitiert der Handel mit Öl, Zement, Holz, Altmetallen und Baumaschinen aus Zentralasien und Russland. Darauf gründet auch die rasante Entwicklung einiger afghanischer Unternehmen, wie etwa Kamgar, Barakat oder Azizi Hottak, deren führende Köpfe aus dem zumeist usbekischen Exil heraus den Aufbau ihrer Geschäfte begannen.
In der Taliban-Zeit waren sie noch Lieferanten für die Nord-Allianz. Heute zahlen sich alte Kontakte auch als Friedensdividende aus. In die Gegenrichtung ist der Handelsstrom schwächer. Allenfalls Kleinhändler und mittelgroße Netzwerke liefern vor allem Zitrus- und Hülsenfrüchte, Kosmetika, Kleidung und Teppiche. Überwiegend handelt es sich dabei um Transitware aus Pakistan, Iran und Dubai.
Bernd Kuzmits ist Mitarbeiter des von der Volkswagen Stiftung finanzierten Forschungsprojekts "Lokale Strukturen entlang des Amu-Darja-Flusses" am Zentrum für Entwicklungsforschung (ZEF), Universität Bonn