KORRUPTION
Sie floriert. Das wird vorerst so bleiben.
Der verstorbene turkmenische Präsident Nijasow brüstete sich, über ein Vermögen in Milliardenhöhe zu verfügen - unter anderem auf Konten der Deutschen Bank. Es ist nicht bekannt, dass er dieses Vermögen durch unternehmerische Tätigkeit erworben hätte. Dies ist das vielleicht krasseste Beispiel für Korruption in Zentralasien. Aber auch die anderen Länder der Region leiden unter Korruption und Vetternwirtschaft.
Laut Transparency International befinden sich Kirgisistan und Tadschikistan in einem ähnlich bedauerlichen Zustand. Im Jahr 2006 teilen sie sich mit Turkmenistan den 142. Rang von 163 beurteilten Ländern des Korruptionsindexes. Die Ursachen der Korruption sind komplex: Das sowjetische Erbe, traditionelle Wurzel von Klientelismus, das Fehlen einer freien Presse und unabhängigen Justiz sind nur einige der Ursachen. Die Folgen für die Entwicklung der Länder sind dramatisch.
Kaum eine Studie, die nicht belegt, dass unternehmerische Tätigkeit ohne kleine Geschenke unmöglich ist und sei es ein Stand auf dem Markt. Laut einer Umfrage der Weltbank von 2004 empfinden in Zentralasien 67 Prozent der Bevölkerung Korruption als ernstes oder sehr ernstes Problem. Kein Wunder, wenn man sich die alltägliche Korruption anschaut: Der Polizist, der einen nachts auf den Straßen anhält und einen Obolus verlangt, der Steuerbeamte, der gegen eine kleine Gebühr die Steuerlast erträglicher macht, der Zöllner, der den Import von Waren gegen eine Provision vor den enormen Importzöllen schützt. Ämterkauf ist noch immer mehr oder weniger üblich. Je nach "Ertragsmöglichkeit" kann ein Amt in der Verwaltung bis zu einigen 10.000 Dollar kosten. Die Investition muss sich auszahlen.
Ein für die Zukunft verheerendes Problem ist die Korruption im Bildungswesen. Schon in der Grundschule bestimmt der Geldbeutel der Eltern über die Schulnoten. Universitätsabschlüsse werden gekauft. Die langfristige Folge wird eine Abkopplung vom akademischen Rest der Welt sein. Man darf jedoch nicht vergessen, dass Korruption vielfach aus schierer Verzweiflung entsteht. In Usbekistan - Rang 151 des Korruptionsindexes - liegt das Durchschnittseinkommen bei 500 Dollar im Jahr. In Tadschikis-tan führen schlechte Bezahlung und hohe Arbeitslosigkeit dazu, dass - wie Studien belegen - über ein Viertel der Bevölkerung vom Drogenhandel oder -schmuggel leben muss. Drogenschmuggel und zunehmende Korruption bedingen einander. Ein Problem, dessen Folgen Europa immer deutlicher zu spüren bekommen. Staaten, die kaum in der Lage sind ihre Angestellten zu bezahlen, können diese Probleme nicht alleine lösen, auch wenn es ernste Bemühungen gibt. Deswegen sind die Staaten Zentralasiens auf die Hilfe Europas bei der Bekämpfung der Korruption angewiesen.
Den moralischen Zeigefinger sollte sich der Westen aber besser nicht erheben: Solange Konzerne, auch aus Deutschland, Bestechung als probates Mittel zur Auftragssicherung sehen, wird er wohl kaum glaubhaft vermitteln können, dass ein Staat kein Selbstbedienungsladen ist.
Jan Hennings ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Deutschen Bundestag