Lobbyisten
Sie beraten und nehmen Einfluss auf die Politik. Gefährden sie wirklich die Demokratie?
Die unheimliche Macht der Lobbyisten und die angebliche Ohnmacht der Parlamentarier ist ein Thema, dem sich neuerdings zahlreiche Publizisten zuwenden. Nach Cerstin Gammelin und Götz Hamann ("Die Strippenzieher", 2005) sowie Thomas Leif und Rudolf Speth ("Die fünfte Gewalt", 2006) widmet sich jetzt Johann-Günther König, Verfasser mehrerer Bücher über die Finanz- und Börsenwelt, dem Lobbyismus. Allerdings stochert er ziemlich ungeordnet in dem Geflecht von Unternehmen und Verbänden, Politik und Parlamenten umher.
Einmal zitiert König die niedersächsische Europaparlamentarierin Erika Mann (SPE) mit dem offenherzigen Bekenntnis: "Ich will meine Freiheit. Aber ich will auch kluges Lobbying. Wenn die Unternehmen nicht zu mir kommen würden, ginge ich zu ihnen. Da liegt so viel Wissen." An anderer Stelle lässt er Horst Teltschik, den ehemaligen Vize-Kanzleramtschef und außenpolitischen Berater Helmut Kohls, später BMW-Cheflobbyist und Boeing-Repräsentant, mit einem ziemlich verächtlichen Urteil zu Wort kommen: "Wir können doch nicht davon ausgehen, dass bei der Zufälligkeit, wie Politiker heute rekrutiert werden, ausreichend Sachverstand vorhanden ist. Wenn die Politik sich mit Umwelt- oder Verkehrsfragen bezogen auf das Auto befasst, müssen Kompetenz und Wissen abrufbar sein. Wir müssen das penetrant anbieten."
Diese beiden Zitate beschreiben das Feld, auf dem sich Parlamentarier und Lobbyisten bewegen. Die Abgeordneten sind von der Fülle komplizierter Einzelthemen, die sie im Gesetzgebungsverfahren zu begreifen und zu behandeln haben, häufig überfordert.
Um Wissenslücken zu füllen, bedienen sie sich gerne der Kompetenz von Fachleuten, die ihnen Daten und Fakten servieren, am liebsten gleich mitsamt plausib-len Lösungen. An dieser Stelle treffen sich die Interessen der manchmal penetranten Berater und der gutwilligen Ratsuchenden. Nur: Wo endet in einer solchen Konstellation die berechtigte Wissensvermittlung von außen und wo beginnt das unzulässige Einwirken auf politische Entscheidungen?
In seinem Buch gibt König nur teilweise seriöse Antworten. Denn viele Passagen sind polemisch formuliert und ideologisch gefärbt. Königs Weltbild einer "sozialdarwinistischen Technodemokratie" mit einer "ökonomischen Oligarchie" an der Spitze eines "entgrenzten Kapitalismus" lässt eine durchdachte Darstellung des Lobbyismus kaum zu. Während Gammelin und Hamann die Erscheinungsformen des Lobbying journalistisch-kritisch durchleuchten und Leif und Speth Vorteile und Auswüchse wissenschaftlich-sachlich gegenüberstellen, macht König es sich mit der Grundthese, Lobbyismus sei prinzipiell undemokratisch und demokratiegefährdend, allzu einfach.
Es stimmt, dass zweifelhafte Gestalten und fragwürdige Affären den Lobbyismus in schlechten Ruf gebracht haben und dass das politische Beratergewerbe allgemein im Verdacht steht, unkontrolliert auf politische Entscheidungsprozesse einzuwirken. Aber die Schlussfolgerung, dass "die Übergänge zwischen Beratung, Lobbying und Korruption fließend" seien, wie König meint, ist doch sehr undifferenziert. Denn solange unabhängige Abgeordnete wie Erika Mann auf Fachkonsultation angewiesen sind und diese sinnvoll zu verwenden verstehen, ist gegen Lobbyismus nichts einzuwenden. Erst wenn sich die Lobbyisten in einem kontrollfreien Raum bewegen und demokratische Regeln als Störfaktoren zu umgehen oder auszuschalten versuchen, sind Befürchtungen berechtigt.
Korrekt ist Königs Definition, professionelle Lobbyisten dienten ihren Auftraggebern als Netzwerker, Informationsbeschaffer, Strategie- und Kampagneberater, Gesetzgebungsexperten und diplomatisch versierte Sprachrohre: "Sie verfügen über eine hervorragende Ausbildung, haben überwiegend in politischen Apparaten Erfahrung gesammelt und kennen sich in der Materie der Gesetzgebung bestens aus. Sie wirken rund um die Uhr" und an Ansprechpartnern "fehlt es ihnen schon deshalb nicht, weil die deutschen Ministerien und Parlamentsausschüsse und die EU-Kommission ihre Mitarbeit suchen und einfordern".
Wenn der Autor bei diesem Beurteilungsmaßstab geblieben wäre, könnte sein Buch eine willkommene Ergänzung zur bereits vorliegenden Literatur sein. Doch phasenweise schweift er stark vom Thema ab und verlässt es manchmal ganz, holt weit aus und springt ziemlich beliebig in der Ökonomie hin und her. In seinen Schlusskapiteln wird er immer aggressiver und verbitterter über die "Brüsseler Lobbykratie". Immerhin hat er zwischendurch eine umfangreiche Geschichte des Lobbyismus beigesteuert, die trotz seiner strittigen Ausflüge in die Wirtschaftsgeschichte brauchbar ist.
Nebenbei fügt König der deutschen Politiksprache das Wort "lobbyieren" hinzu, zum Beispiel in der Wendung "Abgeordnete, die leicht zu lobbyieren sind" und mit der schwergängigen Formel: "Das wirkungsvoll lobbyierende Interessenverbandswesen der Landwirte".
Die Lobbyisten. Wer regiert uns wirklich?
Patmos Verlag, Düsseldorf 2007;
320 S., 19,90 ¤