NPD
An der Verfassungsfeindlichkeit der Partei bestehen keine Zweifel mehr - dafür aber am Erfolg eines Verbotsverfahrens.
Wir gehen in den Reichstag hinein, um uns im Waffenarsenal der Demokratie mit deren eigenen Waffen zu versorgen. Wir werden Reichstagsabgeordnete, um die Weimarer Gesinnung mit ihrer eigenen Unterstützung lahmzulegen. Wenn die Demokratie so dumm ist, uns für diesen Bärendienst Freikarten und Diäten zu geben, so ist das ihre eigene Sache. Uns ist jedes gesetzliche Mittel recht, den Zustand von heute zur revolutionieren. [...] Wir kommen als Feinde. Wie der Wolf in die Schafherde einbricht, so kommen wir." Diese Zeilen sind alt. Sie wurden vor fast 80 Jahren von Hitlers Propagandaminister Josef Goebbels für die Zeitung "Der Angriff" verfasst - doch sie treffen beängstigend auf die heutige Situation zu. Mit einer Ausnahme: Heute geht es nicht um die NSDAP, sondern um die NPD.
Die sitzt derzeit in zwei Länderparlamenten: 2004 zog sie mit einem Stimmenanteil von 9,2 Prozent in den sächsischen Landtag ein, 2006 wurde sie mit 7,3 Prozent der Stimmen in Mecklenburg-Vorpommern gewählt. Seither mischen die Nationaldemokraten dort die Politik auf - und die Vertreter der etablierten Parteien müssen mühsam lernen, sich inhaltlich mit der Ideologie von Menschen auseinanderzusetzen, denen sie eigentlich sogar das "Guten Morgen" verweigern wollen. Denn dass es sich bei der NPD nicht nur um einen Gegner im Kampf um Wählerstimmen, sondern auch um einen Feind der Verfassung und eine Bedrohung für die Demokratie handelt, ist - anders als noch vor ein paar Jahren - in Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit kaum noch umstritten.
Während vor sechs Jahren, als Bundestag, Bundesrat und Regierung gemeinsam einen Verbotsantrag beim Bundesverfassungsgericht stellten, mit dem sie zwei Jahre später aus Verfahrensgründen scheiterten, noch viele argumentierten, die Partei sei aufgrund mangelnder Wahlerfolge keine wirkliche Gefahr, sieht es heute anders aus. Zu erfolgreich haben die Rechtsextremen seither insbesondere im Osten mit dumpfen Protestparolen und ausländerfeindlichen Sprüchen erfolgreich nach Stimmen gefischt. Bis zu 20 Prozent erreichen sie bei Wahlen etwa in Ostsachsen, aber auch in Hessen und im Saarland betreiben sie mittlerweile Kommunalpolitik.
Ihre Ziele benennt die Partei offen. In all ihren programmatischen Schriften bekennt sich die NPD zur Volksgemeinschaft und vertritt dabei ein Menschenbild, das zu dem der NSDAP mehr als nur vereinzelte Parallelen aufweist. So heißt es in einer Handreichung des NPD-Parteivorstands: "Der Mensch existiert nur in seiner je unterschiedlichen ethnisch-kulturellen Prägung und damit als Angehöriger eines bestimmten Volkes." Multikulturelle Gesellschaften, so steht es im Parteiprogramm, seien "in Wirklichkeit kulturlose Gesellschaften", Deutschland sei "das Land der Deutschen und somit die Heimstatt unseres Volkes".
Wer nicht in diese Volksgemeinschaft gehört, soll vertrieben werden - und dazu gehören aus Sicht der NPD nicht nur Menschen mit nichtdeutschem Pass. Die offizielle Zahl der Ausländer, so bemängelt sie es in ihrem Aktionsprogramm, umfasse nicht "die Ausländer mit BRD-Pass" - also die fast acht Millionen Menschen mit Migrationshintergrund, denen die deutsche Staatsbürgerschaft verliehen wurde und die damit rechtlich Deutsche sind.
Sie sollen ebenso wie alle Ausländer, die in Deutschland leben, in ihre Heimat "rückgeführt" werden. Dafür hat die Partei eigens einen Fünf-Punkte-Plan entwickelt, der unter anderem die "sofortige Ausgliederung der in Deutschland lebenden und beschäftigten Ausländer aus dem deutschen Sozial- und Rentenversicherungssystem" und die "ersatzlose Streichung des sogenannten ,Asylrechtsparagrafen'" vorsieht.
Insgesamt sollen so etwa elf Millionen Menschen aus dem Land gebracht werden. Die Kosten dieser Abschiebung sollen zum Teil die Ausländer selbst und zum Teil Unternehmen tragen, "die ausländische Arbeitskräfte beschäftigen und den heimischen Arbeitsmarkt zerstören". "Eventuell bestehende Besitzverhältnisse" der Ausländer seien "aufzulösen oder rückzuübertragen". Und während die NSDAP in ihrem Programm von 1920 noch ausführte, dass Menschen, die keine deutschen Staatsbürger seien, als Gäste in Deutschland leben dürften, will die NPD das Aufenthaltsrecht von Nichtdeutschen auf drei Monate beschränken. Es sind Pläne, wie sie auch im Dritten Reich geschmiedet wurden - verbreitet in einem Staat, der sich selbst als wehrhafte Demokratie versteht.
Im Grundgesetz heißt es: "Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig."
Dass die NPD eine andere Verfassung will, sagt sie mittlerweile ganz offen - und auch, dass sie sich in diesem Kampf aller Mittel bedienen wird, die ihr die parlamentarische Demokratie zur Verfügung stellt. Es sei das Ziel der NPD, "die BRD abzuwickeln", stellte der Parteivorsitzende Udo Voigt in einem Interview mit der Zeitung "Junge Freiheit" fest.
Zum Ekel über die Ideologie der Partei kommt nun das Entsetzen: Nach Analysen der Länderminister und des Bundesverfassungsschutzes werden 64 Prozent des NPD-Haushaltes vom Fiskus finanziert. Allein im vergangenen Jahr bezahlten die deutschen Steuerzahler der Partei mehr als 1,3 Millionen Euro. Möglich macht das das Parteiengesetz: Danach haben Parteien Anspruch auf eine staatliche Teilfinanzierung - vorausgesetzt, sie haben bei Bundestags- oder Europawahlen mindestens 0,5 Prozent oder bei der jüngsten Landtagswahl mindestens ein Prozent der Stimmen erhalten. Für jede gültige Zweitstimme bekommt die NPD vom Staat 70 Cent, dazu kommen 38 Cent für jeden Euro, den die Partei aus Spenden oder Mitgliedsbeiträgen einnimmt. Plus Fraktionsgelder: Allein in Sachsen bekommt die NPD-Fraktion im Landtag 1,3 Millionen Euro für Büro- und Personalkosten, Veranstaltungen und Öffentlichkeitsarbeit - und natürlich Diäten für jeden Abgeordneten. Für die Fraktion im Schweriner Landtag sind rund 600.000 Euro fällig.
Obwohl diese Fraktionsgelder offiziell nur für die Parlaments- und nicht für die Parteiarbeit eingesetzt werden dürfen, macht die NPD keinen Hehl daraus, wie sie das Geld verwenden will: "Mit dieser strategischen Achse, die durch ihre parlamentarische Präsenz über Geldmittel und Kader verfügt, lassen wir von Mitteldeutschland aus eine nationale Welle über das Land schwappen", ließ der sächsische NPD-Abgeordnete Jürgen Gansel wissen.
Tatsächlich würde es den chronisch klammen Extremisten ohne das Staatsgeld bedeutend schlechter gehen. Die Partei verfügt über Immobilien im Wert von 700.000 Euro, dem stehen aber Darlehens- und Kreditlasten von etwa 1 Million Euro gegenüber. Im Dezember 2006 forderte zudem auch Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) insgesamt 870.000 Euro zurück, weil die Rechenschaftsberichte der NPD für 1998 und 1999 fehlerhaft waren. Von seinen Zahlungen an die Partei hält er seither Raten zur Tilgung dieser Rückforderung zurück.
Doch trotz angespannter Haushaltslage kann die NPD dank der regelmäßigen und immer noch üppigen Überweisungen aus dem Staatshaushalt weiter daran arbeiten, gesellschaftsfähig zu werden. "Unerträglich" nennt diesen Zustand der Chef der SPD-Bundestagsfraktion Peter Struck, und auch der FDP-Extremismusbeauftragte Christian Ahrendt hält die Zahlungen für einen "Skandal".
Gestoppt werden können sie deshalb jedoch nicht: Das Parteiengesetz definiert Parteien als einen "verfassungsrechtlich notwendigen Bestandteil der freiheitlichen demokratischen Grundordnung". Sie erfüllten mit ihrer Mitwirkung an der politischen Willensbildung eine öffentliche Aufgabe - und seien unabhängig von ihrer Ausrichtung gleich zu behandeln.
Erst im Oktober 2004 hatte das Bundesverfassungsgericht geurteilt, das Recht der Parteienfinanzierung dürfe "nicht für Zwecke des Schutzes vor Konkurrenz missbraucht werden" - und damit den großen Parteien die Möglichkeit genommen, sich über eine Änderung der Parteienfinanzierung politischer Gegner zu entledigen. Das ginge nur über ein Verbot. Dann würde die Partei nicht mehr staatlich finanziert werden, sie könnte keine Demonstrationen mehr anmelden, Publikationen herausbringen oder sich öffentlich in Parlamenten produzieren. Doch nach dem Scheitern des NPD-Verbotsverfahrens im Jahr 2003 scheuen die verantwortlichen Akteure eine erneute Blamage.
Auch wenn Peter Struck gerade erst wieder mitteilte, für ihn sei das Thema "keineswegs erledigt", und die Verfassungsrichter Hans-Jürgen Papier und Winfried Hassemer ungewöhnlich deutlich erklärt haben, das Scheitern im ersten Anlauf sei "keine Vorentscheidung" für ein künftiges Verfahren, gibt es Bedenken. CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach fürchtet, bei einem Verzicht auf die V-Leute "gingen über Jahre hinweg wichtige Informationen verloren". Da das Bundesverfassungsgericht aber eindeutig klar gemacht habe, dass dieser Verzicht für ein Verbotsverfahren nötig sei, wäre es "unwahrscheinlich", dass ein weiteres Verfahren erfolgreich sein könne. "Ich wäre froh, wenn die NPD verboten werden würde", so Bosbach, "aber die Kriterien, die das Bundesverfassungsgericht aufgestellt hat, sind zu hoch."
Tatsächlich hatte das Bundesverfassungsgericht im Mai 2002 der Bundesregierung mitgeteilt, es sei für eine "gesicherte Tatsachengrundlage" erforderlich, "dass die konkreten Umstände einer Zusammenarbeit staatlicher Stellen (Nachrichtendienste, Verfassungsschutzämter, Dienststellen der Polizei) mit Personen offen gelegt werden, deren Äußerungen und Verhalten zur Begründung der Verbotsanträge angeführt werden". Informationen, die der damalige Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) den Richtern nicht geben wollte. Auch sein Nachfolger Wolfgang Schäuble (CDU) hält ein neues Verfahren nur dann für aussichtsreich, wenn die Beobachtung der Partei mit nachrichtendienstlichen Mitteln eingestellt würde - diese aber sei aus "sicherheitspolitischen Erwägungen notwendig".
Im Klartext heißt dies, dass die NPD vorerst auch weiterhin staatlich finanziert alles daran setzen kann, die parlamentarische Demokratie abzuschaffen. Auf das, was sich da zusammenbraut, sind die Ausführungen des sächsischen Fraktionsvorsitzenden Holger Apfel nur ein Vorgeschmack: In einer Debatte bezeichnete er Ausländer als "arrogante Wohlstands-Neger", "Tatarenstämme" und "ethnokulturelle Kastraten". Josef Goebbels wäre damit sicher einverstanden gewesen.