Steinkohle
Die neu gegründete RAG-Stiftung soll die Abwicklung regeln und wird stark von der Politik beeinflusst
In knapp vier Wochen startet die Fußball-Bundesliga in ihre neue Saison. Die Kicker von Borussia Dortmund laufen dann wie schon in der vergangenen Spielzeit mit gelben Ausrufezeichen auf den Trikots zum Spiel auf. Der Platz auf ihren Hemdchen ist reserviert für den Namen des neuen Aktienchampions, zu dem der Essener RAG-Konzern mit seinem Gang aufs Börsenparkett werden will. Das Unternehmen ist bereit für diesen Schritt. Die schwarze Seite mit dem Bergbau sowie das weiße Geschäft der Industriebeteiligungen sind so organisiert, dass sie jederzeit in juristisch eigenständige Unternehmen getrennt werden können. Der neu gestaltete Industriekonzern heißt aber noch RAG Beteiligungs-AG. Ein solcher Schriftzug passt auf keine Spielerbrust. Und der interne Arbeitstitel "NewCo" taugt nicht für das Konzernimage des Sponsors.
Der RAG-Konzern hat seine Aufgaben für den Börsengang erledigt und auch politisch sind die Weichen gestellt. "Wir sind kurz vor dem Ziel das zu erreichen, worauf wir gut drei Jahre lang hingearbeitet haben", sagt Firmenchef Werner Müller. Das Modell steht bisher auf dem Papier. Auf dem so genannten Eckpunktepapier, auf das sich Bundesregierung, die Kohleländer Nordrhein-Westfalen und Saarland sowie die Bergbaugewerkschaft IGBCE und die RAG schon im Februar verständigt haben. Darin ist die Zukunft des Bergbaus und der RAG mit ihren Mitarbeitern geregelt.
Die Kohleförderung soll danach in Deutschland 2018 auslaufen. Endgültig entschieden wird darüber im Jahre 2012. Denn das Steinkohlefinanzierungsgesetz, in das diese Regelung jetzt gegossen werden muss, wird eine Option enthalten, Steinkohle auch über 2018 hinaus als nationale Rohstoffquelle zu nutzen. Nordrhein-Westfalen wird aber laut Beschluß in jedem Fall im Jahr 2014 aus der Kohlesubventionierung aussteigen.
Der Bund übernimmt dann bis 2018 allein die Finanzierung der Subventionen. Im vergangenen Jahr ist der Bergbau mit öffentlichen Mitteln (Bund und Land) von annähernd 2,5 Milliarden Euro subventioniert worden. Diese Hilfen sind notwendig, weil die Förderung deutscher Kohle wegen der ungünstigen geologischen Bedingungen doppelt bis dreimal so teuer ist wie Importkohle.
Die FDP hatte im Mai beantragt, schon 2012 aus dem Bergbau auszusteigen ( 16/5422 ). Dann könnten Subventionen von 12 Milliarden Euro eingespart werden. Die FDP-Abgeordneten wollen dabei eine sozialverträgliche Regelung. Das ist ohnehin festgelegt. Wann auch immer die Kohleförderung ausläuft, Entlassungen soll es im Bergbau nicht geben. Auch nicht bei der bereits vor Jahren beschlossenen weiteren Drosselung der Förderung. Fest steht die Schließung von zusätzlich drei der derzeit noch acht deutschen Zechen bis zum Jahr 2012. Zur Stilllegung vorgesehen sind die Bergwerke Walsum bei Duisburg im Jahre 2008 sowie Lippe bei Gelsenkirchen im Jahr 2010. Der dritte Pütt ist noch nicht benannt worden. Auch ist noch nicht klar, ob die endgültige Planung nicht ein Vorziehen der Schließungen erfordert.
Als wichtiger Schritt zur Realisierung des Börsenmodells wurde am 11. Juli die RAG-Stiftung gegründet. Eine ihrer ersten Aufgaben ist es, mit den bisherigen RAG-Aktionären Eon, RWE, ThyssenKrupp und Arcelor einen Kaufvertrag zur Übernahme ihrer Anteile abzuschließen. Die Anteilseigner haben sich unisono bereit erklärt, ihre Aktien zum symbolischen Preis von einem Euro abzutreten. Dann muss die Stiftung die so genannten Erblastenverträge mit den Kohleländern Nordrhein-Westfalen und dem Saarland schließen, die die Bewältigung der Ewigkeitslasten des Bergbaus regeln. Erst dann sind die Voraussetzungen für ein Steinkohlefinanzierungsgesetz gegeben.
Das Kabinett will dieses Gesetz nach bisheriger Planung am 8. August auf den parlamentarischen Weg bringen. Erst nach der Verabschiedung durch den Bundestag kann der Haftungsverbund zwischen "Schwarz und Weiß", also zwischen Bergbau und Industriegeschäft der RAG, gelöst werden. Bis dato muss das weiße Geschäft als Haftungsmasse für die Risiken des Bergbaus herhalten, sodass ein Börsengang, aber auch eine andere Nutzung der Industriebeteiligungen ausgeschlossen sind. Ein Steinkohlengesetz ist auch dringend notwendig, weil der Bergbau neue Zuwendungsbescheide für seine Planung und die Finanzierung des laufenden Betriebs benötigt.
Das Modell für den Börsengang sieht vor, dass die jetzige RAG in eine Stiftung eingebracht und in zwei Unternehmen geteilt wird: den Bergbaukonzern, der den Namen RAG behält, und die Industriegruppe "NewCo", deren Anteile von der Stiftung in mehreren Tranchen ab dem Frühjahr 2008 an den Aktienmarkt gebracht wird. Erwartet wird aus der Börsenemission ein Erlös von 5 Milliarden Euro. Eigentliche Aufgabe der Stiftung ist es, hieraus und aus den Dividenden der börsennotierten Gesellschaft bis zum Jahr 2018 gut 8 Milliarden Euro zu erwirtschaften. Diese Mittel werden nach Berechnungen von Wirtschaftsprüfern zur Finanzierung der Risiken und Ewigkeitslasten des Bergbaus benötigt.
Die RAG-Stiftung wird über ihre Gremien stark von der Politik beeinflusst, auch wenn an der Spitze des Vorstands mit dem BP-Manager Wilhelm Bonse-Geuking und der Spitze des Kuratoriums mit dem früheren Eon-Chef Ulrich Hartmann erfahrene Männer der Wirtschaft stehen. Das Kuratorium, eine Art Aufsichtsrat, hat 13 Sitze. Davon stellen der Bund und die Kohleländer mit den Ministerpräsidenten aus Düsseldorf und Saarbrücken sowie dem Bundeswirtschafts- und dem Bundesfinanzminister vier geborene Mitglieder. Außerdem können Bund und Nordrhein-Westfalen sechs weitere Kandidaten bestellen.
Über die Zukunft der deutschen Kohle und die Börsenpläne der RAG wurde im Düsseldorfer Landtag wie in der Berliner Koalition lange und heftig gestritten. Zuletzt drehte sich die Auseinandersetzung vor allem um den Stiftungsvorsitz, den RAG-Chef Müller für sich beanspruchte. Der frühere Bundeswirtschaftsminister heimste als Architekt des Börsenmodells viel Lob dafür ein, einen Weg aufgezeigt zu haben, wie der deutsche Bergbau ohne soziale Verwerfungen beendet werden kann. Trotzdem konnte Müller sich nicht gegen den nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers (CDU) durchsetzen. Rüttgers hatte Müllers Wahlkampfhilfe zugunsten der SPD beim Urnengang im Frühjahr 2005 nicht vergessen und wollte keinen "Ruhr-Baron" neben sich.
Der Streit kostete viel Zeit und brachte den Börsenfahrplan der RAG mehrfach durcheinander. Eigentlich sollten die Vorbereitungen für den Schritt aufs Parkett schon viel weiter gediehen sein. Längst schon sollte auch der Name des neuen Konzerns feststehen. Solange es diesen nicht gibt, laufen die Kicker in Dortmund noch mit Ausrufezeichen auf der Brust herum. Dahinter steht das Fragezeichen nach dem neuen Namen. Dieses Geheimnis soll erst im September gelüftet werden.