IMMOBILIENKREDITE
Die Grünen wollen Häuslebauer besser vor einer Zwangsvollstreckung schützen
Der Albtraum jedes Häuslebauers: Die Rückzahlung seines Baudarlehens gerät ins Stottern, die Hausbank verkauft ihre Forderung im Paket mit anderen "notleidenden" Krediten an einen internationalen Finanzinvestor, und der hat nichts anderes im Sinn als so schnell wie möglich die Zwangsvollstreckung durchzusetzen.
Solche Fälle gibt es. Im vergangenen Jahr kam der US-Investor "Lone Star" in die Schlagzeilen, nachdem deutsche Banken Immobilienkredite in Höhe von knapp 30 Milliarden Euro an ihn verkauft hatten. Den Bauherren wurden nach Ablauf der Zinsbindung nicht weiterhin übliche Konditionen angeboten, sondern Zinsen und Tilgungsraten, die bis zu 50 Prozent über den vorherigen Konditionen lagen. Branchenkreise schätzen, dass im Jahr 2005 notleidende Kredite in einem Volumen von rund 12 Milliarden Euro gehandelt worden sind. Den Schätzungen zufolge beläuft sich die Summe solcher Kredite bei deutschen Banken auf rund 300 Milliarden Euro.
Der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht war Ende 2004 ein "Bruttokundenkreditvolumen mit Einzelwertberichtigungsbedarf" von 211 Milliarden Euro bekannt. Ein Verkauf solcher Kredite muss aber der Aufsichtsbehörde nicht gemeldet werden. Schon gar nicht muss sich der neue Gläubiger genehmigen lassen, wie er mit dem Kunden umzuspringen gedenkt. Die Bankenaufsicht hat also keinen Ansatzpunkt, einen Kreditverkauf mit ihren rechtlichen Möglichkeiten zu stoppen.
Auf Anfrage der FDP und der Linksfraktion im Bundestag hat die Bundesregierung mitgeteilt, sie sehe keinen Anlass, gegen den Verkauf und die Übertragung von Immobilienkrediten gesetzgeberisch aktiv zu werden. Im Gegenteil, sie hält die freie Übertragbarkeit von Kreditforderungen für positiv, weil dadurch die Risiken im Finanzsystem optimal verteilt würden, was zur Stabilität des Finanzmarkts beitrage. Im Übrigen seien die Häuslebauer bereits durch das vorhandene Recht geschützt.
Auf die leichte Schulter will man das Prob-lem aber auch nicht nehmen. Den Abgeordneten sagte das Finanzministerium zu, die weitere Entwicklung sorgfältig zu beobachten, vor allem im Hinblick darauf, ob die Banken notleidende und korrekt bediente Kredite über einen Kamm scheren. In einem Bericht an den Finanzausschuss wird angedeutet, dass Häuslebauer, bei denen die Wohnung als "Mittelpunkt der Privatsphäre" berührt ist, einen gesonderten Schutz beanspruchen könnten.
Inzwischen sind die Grünen im Bundestag mit einem Antrag ( 16/5595 ) vorgeprescht. Initiator ist der Abgeordnete Gerhard Schick, Mitglied im Finanzausschuss. "Wir wollen, dass der Kreditnehmer ausdrücklich und vor Vertragsabschluss erfährt, ob sein Kredit verkauft werden kann oder nicht", sagt Schick. Kommt es dazu, müsse der Bauherr über den neuen Vertragspartner informiert werden. Vor allem muss es nach dem Willen der Fraktion einen "obligatorischen Sanierungsversuch" geben, ehe zur Zwangsvollstreckung geschritten wird. Bei Kreditverkäufen ab einer bestimmten Größenordnung solle die Aufsichtsbehörde eingeschaltet werden, und es müsse klar sein, wann ein Kredit als "notleidend" gilt.
Die Grünen sprechen davon, dass die neuen Gläubiger besonders rüde gegen die Häuslebauer vorgingen. Vor allem hätten sie bei Kunden mit Zahlungsproblemen keinerlei Interesse gezeigt, zu einer einvernehmlichen Lösung zu kommen, mit der alle Beteiligten leben könnten. Vielmehr sei es darum gegangen, sofort zur Zwangsvollstreckung zu schreiten. Im Ergebnis hätten die Betroffenen nicht nur ihr Häuschen zu einem Preis hergeben müssen, der nicht selten unterhalb des Verkehrswertes lag, sondern sie seien zusätzlich noch auf einer dicken Restschuld sitzen geblieben.
Doch auch dann, wenn die Bauherren ihre Raten pünktlich bezahlten, habe das Vorgehen der "Heuschrecken" in manchen Fällen dazu geführt, dass aus einem gesunden Kredit ein notleidender wurde. Bei einer Anschlussfinanzierung oder auch durch eine Überprüfung, ob der Wert der Immobilie als Sicherheit ausreicht, seien die Kreditnehmer unter Druck gesetzt worden mit dem Ziel, den Kreditvertrag vorzeitig zu beenden.
Zunächst waren es nur private Banken, die ihre Kreditbestände an Finanzinvestoren abstießen, doch mittlerweile gegen nach Informationen der Grünen-Fraktion auch Sparkassen dazu über. Der Hausbau, die größte und zeitlich längste Investition im Leben der meisten Bürger, brauche Rechtssicherheit und Schutz. Aus ökonomischer Sicht hält aber auch die Fraktion den Kreditverkauf für sinnvoll, sei es, um Liquidität für weitere Kreditvergaben zu schaffen, sei es, um Bilanzrisiken zu mindern. Im Februar dieses Jahres hat auch der Bundesgerichtshof die Verfahren zum Verkauf von Krediten bestätigt (Aktenzeichen BGH XI ZR 195/05). Der Verkauf sowohl notleidender als auch gesunder Kredite bleibt rechtlich möglich. Weder das Bankgeheimnis noch das Bundesdatenschutzgesetz stünden einer Abtretung von Darlehensforderungen entgegen, urteilten die Richter unter Vorsitz von Gerd Nobbe. Nobbe ist einer von 16 Sachverständigen, die der Finanzausschuss am 19. September zu dem Thema befragen will. Erst danach wird sich das Parlament als Ganzes damit befassen.