Baden-Württemberg
Parlamentsreform auf dem Weg
Aktuelle, lebhafte Debatten, geführt von unabhängigen Abgeordneten, die eine ordentliche Diät kassieren und sich selbst um ihre Rente kümmern - so soll der baden-württembergische Landtag künftig aussehen. Die Parlamentarier haben sich in der vergangenen Woche eine Erneuerung verschrieben. Mit nur sechs Gegenstimmen kann die Parlamentsreform, die nach jahrelangen Diskussionen auf den Weg gebracht worden ist, auf breite Zustimmung bauen.
Ab 2011 soll aus einem der letzten Freizeitlandesparlamente ein Vollzeitparlament werden. Die Diäten steigen von 4.879 auf das bayerische Niveau von etwa 6.200 Euro. Dazu kommen 1.300 Euro als steuerfreie Pauschale und Fahrtkosten werden einzeln abgerechnet. Die üppige Alterversorgung, um die die Parlamentarier sich bislang nie zu kümmern brauchten, wird abgeschafft. Stattdessen gibt es 1.500 Euro im Monat für den Aufbau einer privaten Altersvorsorge. Zwar bedauerte mancher Abgeordnete die Neuregelung, doch die Einsicht, dass derartige Privilegien in der Öffentlichkeit nicht gut ankommen, überwog.
Vor allem in der CDU umstritten war die strikte Trennung von Amt und Mandat - was in anderen Parlamenten längst gang und gäbe ist. Für die Christdemokraten ist dies besonders schmerzlich, da sie die meisten Landräte, Bürgermeister und sonstigen Beamten in ihren Reihen haben. Stefan Scheffold (CDU) betonte in der Landtagsdebatte: "Es ist uns nicht leicht gefallen." Reinhold Gall (SPD) bedauerte, dass die CDU nicht "mutig genug war" und die Inkompatibilität deswegen erst ab 2016 gelte. Er kündigte zudem an, dass man weiter daran arbeiten werde, Ausschusssitzungen öffentlich zu machen - dem mochten sich die Regierungsparteien nicht anschließen.
Für SPD und Grüne besonders wichtig ist die Änderung der Geschäftsordnung, die ab der nächsten Legislaturperiode 2011 die Rechte der Opposition stärken soll. So wird die Regierungsbefragung eingeführt und aktuelle Debatten können schneller angesetzt werden. Überschreitet die Regierung ihre Redezeit, darf künftig auch die Opposition länger sprechen; Aussprachen über Regierungserklärungen finden sofort im Anschluss statt und wenn der Ministerpräsident in einer Debatte das Wort ergreift, darf künftig der Oppositionsführer direkt erwidern. Da Geschäftsordnungsfragen "in diesem Haus immer auch Machtfragen sind", so Gall, können die Oppositionsparteien diese Neuerungen als politischen Gewinn betrachten. Sie erhoffen sich davon die Abkehr von Ritualen, Belebung der Debatten und somit auch eine höhere Akzeptanz in der Öffentlichkeit. Man wolle "Vertrauen schaffen und das Parlament stärken", sagte die Grünen-Abgeordnete Theresia Bauer, weiß aber auch: "Ein interessantes und transparentes Parlament ist alles andere als ein Selbst- läufer."