Journalisten
Deutschlands vermeintliche publizistische Elite im Porträt
Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) wusste, was er von dieser Berufsgruppe zu halten hatte: "Mit kleinen Jungen und Journalisten soll man vorsichtig sein. Die schmeißen immer noch einen Stein hinterher", warnte er. Auch seine Nachfolger wussten ein Lied vom Umgang mit der Presse zu singen - das allerdings im Grad der Sympathie, die den Journalisten entegengebracht wurde, zuweilen erheblich variierte. Dass es zum Selbstverständnis vieler Medienvertreter gehört, mit Politikern hart umzuspringen, ist kein Geheimnis. Doch wie steht es um den Umgang mit der eigenen Zunft? Werden da auch Steine geworfen - oder tauscht man eher artige Nettigkeiten aus, weil bekanntlich eine Krähe der anderen kein Auge aushackt?
Beides. So lautet das Urteil nach der Lektüre des von Stephan Weichert und Christian Zabel herausgebenen Bandes "Die Alpha-Journalisten. Deutschlands Wortführer im Porträt". Schon Titel und Untertitel sind verblüffend anmaßend. In der Verhaltsforschung bezeichnet der Begriff Alpha-Tier das Leittier einer Herde oder eines Rudels - angesichts dieser gewollten Analogie stellt sich schnell die Frage, ob die 30 Porträtierten tatsächlich die Anführer der immens umfangreichen deutschen Medienlandschaft sein können oder wollen.
Zweifel an dieser Vermutung nährt allein die Auswahl der Personen. Während "Spiegel"-Chefredakteur Stefan Aust, Hans Leyendecker von der "Süddeutschen Zeitung" oder "Bild"-Chefredakteur Kai Diekmann in der Branche zweifellos große Namen sind, ist der Gedanke, "Bunte"-Chefin Particia Riekel oder "Bild"-Kolumnist Franz Josef Wagner seien Bestandteil der "Elitepublizistik" und könnten zur der "Handvoll publizisitischer Wortführer" gehören, die "die öffentliche Meinung in Deutschland" laut Klappentext prägen, eher beängstigend. Die Frage, warum aber Sabine Christiansen, der oft vorgeworfen wurde, mit ihrer Talkshow eine Art Ersatzparlament zu etablieren und die im Register des Bandes zwölf Einträge verzeichnet, hier nicht vorgestellt wird, bleibt offen. Dafür ist dem Schweizer Journalisten und Chefredakteur Roger Köppel, der in Deutschland eher Brancheninsidern bekannt ist, ein achtseitiger Text gewidmet. Kurz: Die Auswahl der so deklarierten Meinungsmacher überzeugt nicht.
Auch die Qualität der Porträts ist durchaus unterschiedlich. Während einige der Texte - etwa der über Stefan Aust - geradezu ärgerlich distanzlose Lubhudeleien sind, sind andere Portraits, die "kalt" geschrieben werden mussten, weil die Porträtierten - Patricia Riekel und Günther Jauch - nicht für Gespräche zur Verfügung standen schlicht zu trocken und bieten nichts Neues.
Daneben finden sich in dem Buch aber auch wirkliche Lese-Leckerbissen. Roger Boyes' süffisante Beschreibung einer Szene, in der Kai Diekmann, unter dessen Leitung "Bild" noch so intime Details aus dem Leben völlig unbekannter Menschen ans Tageslicht zerrt, sich weigert, über sein Gehalt Auskunft zu geben, gehört ebenso dazu wie das Porträt über Franz Josef Wagner. Auf den Post-von-Wagner-Schreiber trifft das Credo von Gerd Bucerius zu wie wohl auf keinen Zweiten: "Nur mit Halbverrückten kann man Zeitung machen."
Ein gutes Buch wiederum, das beweist der Band, kann man auch mit guten Essays machen: Was die Herausgeber, Sophie Mützel, Thomas Schuler und Hans Hoff in begleitenden Texten zum Selbstverständnis der Journalisten und dem Phänomen des Hauptstadtjournalismus schreiben, ist durchweg lesenswert. Ein besonders Highlight bietet der Band, wie es sich gehört, zum Schluss: Dort offeriert der Berliner Journalist Hajo Schumacher ein brillantes "(politisch unkorrektes) Glossar zur deutschen Journalistenszene". An der Beschreibung der Typen von "Kanalarbeiter" und "Elder Statesmen" über "Anti-Mainstreamer" bis hin zu "Frontschwein" und "Volkstribun" hätte selbst Adenauer seine Freude gehabt.
Die Alpha-Journalisten. Deutschlands Wort-führer im Porträt.
Herbert von Halem-Verlag, Köln 2007; 415 S., 23 ¤