»Initiative 50plus«
Sinnvolles Instrument oder neuer Flop?
Der 50. Geburtstag ist für viele kein Anlass zu feiern. Zumindest Arbeitslose haben dafür einen handfesten Grund. Denn spätestens wer das halbe Jahrhundert voll hat, zählt auf dem Arbeitsmarkt zum "alten Eisen". Der im Januar erschienene GeroStat Report Altersdaten des Deutschen Zentrums für Altersfragen (DZA) in Berlin kommt zu dem Schluss, dass für ältere Arbeitnehmer zwar "das Risiko, den Arbeitsplatz zu verlieren, geringer" sei als für jüngere. "Doch sind die Älteren erst einmal arbeitslos, finden sie schwerer als Jüngere wieder eine Beschäftigung." Dies zu ändern, ist erklärtes Ziel der am 1. Mai in Kraft getretenen "Initiative 50plus". Der Bundestag hat diese flankierend zur Rente mit 67 Jahren beschlossen.
Was in das Paket geschnürt wurde, ist nicht wirklich neu. Die zentralen Förderinstrumente gibt es bereits seit Anfang 2003 und gehen auf die ersten der so genannten Hartz-Reformen zurück. Mit der Entgeltsicherung, einem Kombilohn, sollten ältere Arbeitslose dazu bewegt werden, einen Job anzunehmen, der schlechter bezahlt ist als der vorangegangene. Der Eingliederungszuschuss wiederum sollte Unternehmen die Einstellung von Älteren schmackhaft machen, indem für diese Personen der Arbeitergeberanteil zur Arbeitslosenversicherung erlassen wird.
Die Fördermöglichkeiten wurden aber kaum genutzt. Sie hätten "keine statistisch nachweisbare Wirkung auf die Beschäftigungschancen Älterer", ergab Anfang 2006 ein Report des Instituts für Arbeit und Technik (IAT) in Gelsenkirchen. Selbst manchen Arbeitsvermittlern seien die Instrumente nicht bekannt gewesen. Mit der "Initiative 50plus" hat die Bundesregierung nun versucht, die Instrumente praxistauglicher zu machen. Um die Entgeltsicherung zu bekommen, muss man jetzt älter als 50 Jahre (vorher 55 Jahre) sein und einen Restanspruch auf Arbeitslosengeld I von 120 Tagen (vorher 180) haben. Außerdem muss die neue Tätigkeit deutlich schlechter bezahlt sein als die vor der Arbeitslosigkeit. Im ersten Beschäftigungsjahr zahlt der Staat dann 50 Prozent der Differenz zum Nettolohn drauf, im zweiten Jahr immerhin noch 30 Prozent. Die Rentenversicherungsbeiträge werden, gemessen am vorherigen Bruttoentgelt, auf 90 Prozent aufgestockt. Bis zu 30.000 ältere Arbeitnehmer jährlich könnten von dem Kombilohn profitieren, schätzt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS). Das Kalkül: Gerade bei starken Einkommensrückgängen von mehreren hundert Euro könne der Kombilohn den Neueinstieg erleichtern.
Auch beim Eingliederungszuschuss wurden die Bedingungen gelockert. Betriebe, die über 50-Jährige (vorher über 55-Jährige) einstellen, die länger als sechs Monate beschäftigungslos sind, erhalten zwischen 30 und 50 Prozent des Lohns für maximal drei Jahre, wobei die Förderung nach zwölf Monaten jährlich um mindestens zehn Prozent sinkt. Der Job muss mindestens für ein Jahr bestehen. Bis zu 70.000 Stellen pro Jahr erhofft sich davon das BMAS.
Deutschland könne und dürfe es sich nicht leisten, Ältere frühzeitig aus dem Erwerbsleben zu drängen, heißt es auf Seiten des Ministeriums. Fürwahr: Bereits in zehn Jahren, so die Schätzungen, werden junge Fachkräfte rar. Sind die für die "Initiative 50plus" eingeplanten Kosten von jährlich 400 Millionen Euro für die Jahre 2007 bis 2011, die von den Beitragszahlern aufgebracht werden, also gut investiertes Geld?
Die Wissenschaft warnt vor zu hoch gesteckten Erwartungen. "Kaum ein Betrieb wird einen Älteren nur deshalb einstellen, weil es einen Zuschuss gibt", sagte der Leiter der Forschungsabteilung "Entwicklungstrends des Erwerbssystems" am Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg/Essen, Matthias Knuth, dieser Zeitung. Allerdings könne ein Zuschuss helfen, "wenn sonst das meiste stimmt". Die Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung, Jutta Allmendinger, fügte kürzlich hinzu, es drohten "durchgängig starke Mitnahmeeffekte". Sprich, ein Unternehmer streicht den Beitragsbonus für die Einstellung eines älteren Arbeitslosen ein, den er ohnehin eingestellt hätte.
Diether Döring, Vorsitzender der "Denkfabrik Frankfurt am Main", hat in dieser Zeitung gerade erst auf ein weiteres Problem hingewiesen. "Wenn der Staat Förderung anbietet, signalisiert er, dass die betreffende Gruppe zu den sozialpolitisch Hilfebedürftigen gehört. Und genau das gilt für die über 50-Jährigen in der ganz großen Mehrheit nicht", so Döring.
Derzeit beziehen laut der Antwort der Bundesregierung ( 16/5461 ) auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion ( 16/5222 ) 172.000 Personen über 60 Jahre Arbeitslosengeld I und 191.000 Personen über 60 Jahre Arbeitslosengeld II. In der Statistik der Bundesagentur für Arbeit ist die Zahl der Arbeitslosen über 50 Jahre im Juni um 14,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr auf jetzt 984.000 gesunken. Mit der Statistik ist das aber so eine Sache. Viele ältere Arbeitslose gehen vorzeitig mit hohen Abschlägen in Rente. Deshalb, darauf haben Martin Brussig vom IAT und Heribert Engstler vom DZA jüngst hingewiesen, sei nicht die Zahl der Arbeitslosen ab 50 Jahren gesunken, sondern lediglich ihre Zusammensetzung aus offener und verdeckter Arbeitslosigkeit.
Ein Grund hierfür ist die so genannte 58er-Regel, die es allen vor 1950 Geborenen erlaubt, Arbeitslosengeld zu beziehen ohne ohne als jobsuchend zu gelten. Ende 2007 läuft die "58er-Regel" aus. In ihrer Antwort auf die Anfrage der Linksfraktion bestätigt die Bundesregierung, dass Langzeitarbeitslose dann verpflichtet sind, zum frühestmöglichen Zeitpunkt in Rente zu gehen - was für manche Abschläge von bis zu 18 Prozent bedeutet.
Gleichwohl kommt der aktuelle konjunkturelle Boom auch bei älteren Arbeitslosen an. Die Erwerbstätigenquote Älterer ist in den vergangenen Jahren deutlich angestiegen. Möglicherweise schon vor 2010 wird Deutschland das EU-Ziel erreichen, die Erwerbstätigenquote der 55- bis 64-Jährigen auf mindestens 50 Prozent zu schrauben. Ende 2006 lag sie laut Eurostat bei 48,9 Prozent. "Wenn Qualifikation und Gesundheit stimmen, ist Alter derzeit keine so gravierende Barriere mehr", so Arbeitsmarktexperte Knuth. Wenn. Denn nach dem GeroStat Report gibt es schon jetzt ein erhebliches Gefälle bei der Altersarbeitslosigkeit zwischen Hoch- und Geringqualifizierten: "Von den geringqualifizierten 55- bis 64-Jährigen waren 2005 19 Prozent erwerbslos. Dieser Anteil lag bei den gleichaltrigen Hochqualifizierten lediglich bei 7 Prozent".
Bildung kann also als die beste Versicherung gegen Altersarbeitslosigkeit angesehen werden. Die dritte zentrale Säule der "Initiative 50plus", die Förderung der beruflichen Weiterbildung, steht wohl auch deshalb am wenigsten in der Kritik. Beschäftigte können nun bereits ab einem Alter von 45 Jahren (bisher 50) in Betrieben bis zu 250 Beschäftigte (bisher 100) Leistungen in Anspruch nehmen.