Es sieht aus, als habe der dänische Staat kein Konzept in der Rentenpolitik: Im Sommer 2004 wurde das gesetzliche Renteneintrittsalter von 67 auf 65 Jahre gesenkt, Ende 2006 dann wieder auf 67 Jahre erhöht. Doch was auf den ersten Blick konfus und konzeptionslos wirkt, ist in Wahrheit Teil eines erfolgreichen Systems: So kürte die Beratungsgesellschaft Aon Dänemark zu dem europäischen Land mit dem nachhaltigsten Pensionssystem.
"Dänemark kann gute Ergebnisse vorweisen, wenn es darum geht, ältere Leute in der Arbeit zu halten - mehr als 60 Prozent aller Menschen zwischen 55 und 64 Jahre haben einen Job", schreiben die Berater in ihrem jüngsten Bericht anerkennend und loben auch, dass die staatliche Pension bei fast allen Arbeitnehmern durch private oder betriebliche Vorsorge ergänzt wird. Für die Zukunft des Rentensystems sehe es in Dänemark deshalb erheblich besser aus als in den anderen Ländern der Europäischen Union.
Was im internationalen Vergleich gut wirkt, ist Dänemark nicht gut genug. Man will das faktische Rentenzugangsalter und die Erwerbstätigenquote Älterer weiter erhöhen, um die Ausgaben für die steuerfinanzierte Rente in einem erträglichen Rahmen zu halten - sowohl die zwischenzeitliche Absenkung des gesetzlichen Rentenzugangsalters als auch die neuerliche Anhebung sollten dazu dienen. "Wir hatten zunächst gehofft, mit einer Senkung des gesetzlichen Renteneintrittsalters das faktische erhöhen zu können", sagt Bent Nielsen, beim dänischen Sozialministerium für die Pensionspolitik zuständig. Das klingt unlogisch, doch die Idee dahinter war, mit einer Senkung des Renteneintrittsalters mehr Leute dazu zu bringen, mit 65 aufzuhören zu arbeiten, statt die in Dänemark recht großzügigen Möglichkeiten der Frühverrentung zu nutzen.
"Wenn zwischen frühestem Zeitpunkt der Frühverrentung und gesetzlichem Renteneintrittsalter nur fünf statt sieben Jahre liegen, so dachten wir, werden sich deutlich mehr dafür entscheiden, doch länger zu arbeiten", so Nielsen. Doch die Annahme war falsch. Das tatsächliche zwischen 60 und 61 Jahren liegende Renteneintrittsalter änderte sich kaum. Deshalb wurde Ende vergangenen Jahres beschlossen, das gesetzliche Renteneintrittsalter wieder zu erhöhen.
Entsprechende Vorschläge hatte die "Velfærdskommission" (Wohlfahrtskommission) erarbeitet. Die im Jahr 2003 eingesetzte Kommission hatte zur Aufgabe, Konzepte zu entwickeln, um den dänischen Wohlfahrtsstaat zukunftsfähig zu machen. "In den kommenden Jahrzehnten werden wir länger und länger leben. So wie unsere Wohlfahrtsgesellschaft heute konstruiert ist, wird diese zusätzliche Lebenszeit zu Tagen, Wochen und Jahren, in denen wir Rente beziehen und Leistungen von der Öffentlichkeit empfangen", so die Kommission, die fürchtet, dass dem dänische Wohlfahrtsstaat die Überlastung droht.
Um das zu ändern, müssen die Dänen ab 2024 mindestens 67 Jahre alt sein, um in Rente gehen zu können, bis dahin wird das Zugangsalter schrittweise erhöht. Mit dem Vorschlag, den so genannten "efterløn", die
Frühverrentung abzuschaffen, konnte sich die Kommission nicht durchsetzen, allerdings wird das Alter dafür auch erhöht. "Das faktische Rentenzugangsalter dürfte daraufhin deutlich steigen", so Nielsen vom
Sozialministerium.
In Rente gehen heißt in Dänemark zunächst einmal, die steuerfinanzierte so genannte "folkepension" (Volkspension) ausgezahlt zu bekommen. Das sind jährlich derzeit knapp 60.000 Kronen (8.000 Euro) Grundbetrag sowie ein ebenso hoher Aufschlag, der aber niedriger ausfällt, wenn der Rentner andere Einkünfte oder einen Partner hat, der ebenfalls Anspruch auf die Zulage hat. Daneben gibt es mehrere Varianten kapitalgedeckter Altersvorsorge auf betrieblicher Ebene sowie vom Staat steuerlich geförderte individuelle Altersvorsorge auf Kapitalbasis. "In Dänemark sparen 95 Prozent eine private Pension an, das ist der höchste Anteil in Europa", heißt es in der Untersuchung von Aon. Grob gilt: Ein höherer Anteil kapitalgedeckter Altersvorsorge macht das Rentensystem zukunftssicherer, weil weniger anfällig für demografische Veränderungen.
Auch in Dänemark wird erwartet, dass die Lebenserwartung in den kommenden Jahrzehnten weiter ansteigt. Um den steuerfinanzierten Anteil der Altersvorsorge darauf vorzubereiten, soll das Renteneintrittsalter in Zukunft noch über die 67 Jahre hinaus erhöht werden, hat das dänische Parlament beschlossen. Wenn sich die Lebenserwartung weiter wie bisher entwickelt, wird das gesetzliche Renteneintrittsalter ab 2030 zunächst um ein weiteres Jahr auf 68 Jahre und dann noch weiter erhöht werden, sieht das Ende vergangenen Jahres verabschiedete Gesetz vor. Durch diese Indexierung will man verhindern, dass die weitere Erhöhung des Renteneintrittsalters ständig zu neuen Debatten führt. Wenn die Lebenserwartung steigt, muss auch das Rentenzugangsalter steigen, lautet die Devise.
"Diese Indexierung ist der beste Part der Rentenreform, denn sie beinhaltet einen demografischen Faktor und macht die Rente zukunftssicher", hebt Nielsen hervor. Obwohl es eine Formel gibt, die vorschreibt, wie stark das Rentenzugangsalter bei einer bestimmten Zunahme der Lebenserwartung angehoben werden soll, ist dies kein vollständiger Automatismus, denn das Parlament muss die durch die Formel vorgeschriebene Erhöhung des Rentenzugangsalters absegnen.
Der Autor arbeit als freier Journalist in Kopenhagen.